# taz.de -- Grünen-Fraktionschef über Agrarminister: „Er will irgendwie Min… | |
> Christian Schmidt hat nicht das Zeug zum Agrarminister, sagt Anton | |
> Hofreiter. In Sachen Hofsterben und Tierschutz erwartet der Grüne von ihm | |
> nicht viel. | |
Bild: Milch und Kuh: Für beide habe Agrarminister Schmidt nichts zu bieten, me… | |
taz: Herr Hofreiter, Christian Schmidt von der CSU hatte gerade sein | |
einjähriges Jubiläum als Bundesagrarminister. Gab es da irgendetwas zu | |
feiern? | |
Anton Hofreiter: Ich bin mir bei Herrn Schmidt nicht sicher, warum er | |
Landwirtschaftsminister werden wollte. Herr Dobrindt dagegen macht den | |
Verkehrsminister, um seine dämliche Ausländermaut durchzusetzen. Das heißt, | |
er führt seine Arbeit als CSU-Generalsekretär fort. Damit ist er zwar ein | |
schlechter Verkehrsminister, aber es hat eine gewisse Logik. Herrn Schmidts | |
Ziel ist nur: irgendwie Minister bleiben und irgendwie die Agrarpolitik so | |
halten, wie sie ist, ohne den Anspruch, im Kern etwas zu verbessern. | |
Tut Schmidt genug, um einen Verfall des Milchpreises zu verhindern? Die | |
Bauern dürfen ab April ja so viel produzieren, wie sie wollen, weil die EU | |
die Milchquote abschafft. | |
Da macht er gar nichts. Wir werden mittelfristig bei der Milchviehhaltung | |
das Gleiche wie auch bei der Schweinehaltung erleben: dass die | |
mittelständischen Höfe dichtmachen müssen. Es wird immer weniger Höfe | |
geben, die aber immer mehr Tiere haben werden. | |
Warum? | |
Einzelne Betriebe werden stark expandieren und so ihre Kosten pro Liter | |
Milch senken. Dann werden wir einen Verdrängungswettbewerb zulasten der | |
kleinen Höfe haben. | |
Laut Prognosen wird die Nachfrage nach Milch auf dem Weltmarkt steigen. | |
Könnten dann nicht kleine Höfe überleben? | |
Der Preis orientiert sich an den kostengünstigsten Produzenten. Wenn er zu | |
niedrig ist, nützt es den kleinen Höfen nicht mehr, dass die Nachfrage | |
anzieht. | |
Haben Sie eine Lösung dafür? | |
Wir stellen uns ein Marktmodell vor, das dem des Bunds Deutscher | |
Milchviehhalter ähnelt: Die EU begrenzt die Milchmenge, aber nur, wenn der | |
Preis zu tief absackt. Grundsätzlich muss wieder in der gesamten | |
Tierhaltung eine Flächenbindung eingeführt werden, die Herr Seehofer als | |
Agrarminister abgeschafft hat: Für zwei Großvieheinheiten – also zum | |
Beispiel ungefähr zwei Milchkühe – muss jeder Betrieb einen Hektar Land | |
nachweisen. Und wir brauchen höhere Tierschutzstandards. Das würde die | |
Möglichkeiten einschränken, dass die Betriebe immer weiter wachsen. | |
Die meisten Branchen sind weniger reguliert. Warum soll das bei den Bauern | |
anders sein? | |
Weil sie nicht so was wie Autos produzieren, sondern sie arbeiten mit | |
lebenden Tieren. Das ist eine größere Verantwortung, zum Beispiel wenn man | |
an Tierschutz denkt. Es geht ja auch um etwas, das man isst – um | |
Lebensmittel. Außerdem arbeiten die Bauern mit dem Boden, einer begrenzten | |
Ressource. Und Teile der Landwirtschaft verursachen besonders große | |
Umweltbelastungen: Die Landwirtschaft ist Hauptverursacher des | |
Artensterbens und der Nitratbelastung des Grundwassers. Außerdem ist sie | |
für ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. | |
Ihre Kritiker sagen oft, Sie wollten eine Landwirtschaft, die nicht | |
wirtschaftlich und damit nicht nachhaltig ist. | |
Wir wollen ja Regeln, die für alle gelten. Wenn alle zum Beispiel gewisse | |
Tierschutzstandards einhalten müssen in Deutschland, dann ist ein | |
40.000er-Hähnchenstall vielleicht nicht mehr so lohnend. Aber das macht ja | |
nicht insgesamt die Landwirtschaft unwirtschaftlich, deshalb hören die | |
Leute nicht plötzlich auf zu essen. | |
Besteht nicht die Gefahr, dass das Fleisch importiert wird? | |
Ich glaube nicht, dass dann die Billigheimer aus dem Ausland kommen. Wir | |
produzieren ja derzeit zu niedrigeren Kosten als Frankreich und viele | |
andere Länder in Mittel- und Westeuropa. | |
Aber was ist zum Beispiel mit Hähnchenfleisch aus Brasilien? | |
Genau deshalb fordern wir auch eine Herkunfts- und Haltungskennzeichnung | |
für Fleisch. Dann können die Verbraucher selber entscheiden, was sie | |
kaufen. Bei Eiern war die Kennzeichnung übrigens ein großer Erfolg. Heute | |
findet man kaum noch Eier aus Käfighaltung im Supermarkt. | |
Was sagen Sie zu dem Einwand, dass Ihre Forderungen auf eine niedrigere | |
Lebensmittelproduktion hinauslaufen, die Weltbevölkerung aber wächst? | |
Deutschland exportiert große Mengen Fleisch, die wir selbst nicht brauchen. | |
Ein Land ist aber verwundbarer für Hunger, wenn es in normalen Zeiten schon | |
Lebensmittel importieren muss. Wenn dann die Preise steigen, kann sich der | |
ärmere Teil der Bevölkerung diese Lebensmittel nicht mehr leisten. Deswegen | |
ist es wichtig, dass sich diese Regionen mit Grundnahrungsmitteln selber | |
versorgen können. | |
Deutschland hat aber beispielsweise für die Milchproduktion so gute Böden | |
und ein so gutes Klima wie nur wenige Staaten. Müssen wir daran nicht die | |
Welt teilhaben lassen? | |
Wir haben über viele Jahre Hähnchenteile nach Westafrika exportiert. Das | |
hat der Landwirtschaft dort geschadet. Wir können auch nur so viele Tiere | |
halten, weil wir Soja aus Argentinien, Paraguay oder Brasilien importieren. | |
Für den Anbau dort werden riesige Landflächen beansprucht und Kleinbauern | |
vertrieben. | |
Was Sie wollen, lehnt der Bauernverband ab. Er organisiert aber fast alle | |
deutschen Landwirte und er ist demokratisch organisiert. Sind Sie gegen die | |
Bauern? | |
Der Bauernverband verspricht vor Ort eine andere Politik, als er am Ende an | |
Lobbypolitik in Brüssel oder Berlin betreibt. Er sagt den Leuten: Wir | |
stehen auf eurer Seite. Aber auf Bundes- und EU-Ebene vertritt er das | |
Prinzip „Wachse oder weiche“. Und für viele bedeutet das: „weiche“. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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