# taz.de -- Neue Hamburger Linksfraktion: „Ich bin keine Kronprinzessin“ | |
> Sie wäre lieber in der zweiten Reihe gestartet, sagt die neue | |
> Linke-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. | |
Bild: Die erste Bürgerschaftssitzung war für sie ein Spießrutenlauf: die neu… | |
taz: Frau Boeddinghaus, Sie sind mit Cansu Özdemir die neue Vorsitzende der | |
Linksfraktion. Haben sie sich Ihren Wiedereinzug ins Parlament so | |
vorgestellt? | |
Sabine Boeddinghaus: Nein. Und ich sage auch ganz offen: Es geht mir sehr | |
schlecht. Die erste Sitzung der Bürgerschaft war für mich wie ein | |
Spießrutenlauf. | |
Wie kam es zu Ihrer Wahl? | |
Es gab eine Wahl für die Fraktionsspitze, bei der die frühere Vorsitzende | |
Dora Heyenn kandidierte und nicht die erforderlichen Ja-Stimmen bekam. Ich | |
war wie vom Donner gerührt, weil ich sicher war, dass sie eine Mehrheit | |
hat. Wir haben gesagt, lasst uns das als Probeabstimmung sehen. Wir hatten | |
nicht auf dem Zettel, durchzuzählen, wer stimmt wie ab. | |
Und dann wollte Frau Heyenn nicht mehr. Verständlich, oder? | |
Ja. Ich kann die Verletztheit verstehen. Sie war dann leider nicht mehr zu | |
heilen. | |
Waren Sie als Gegenkandidatin angetreten? | |
Nein. Zunächst hatten sich Dora Heyenn und zwei weitere Abgeordnete | |
beworben. Es gab ein Meinungsbild, wer die Fraktion am besten vertritt, und | |
da bekamen Cansu Özdemir und ich die meisten Stimmen. In dem Moment war mir | |
klar, dass ich diese Verantwortung übernehmen muss. | |
Nun haftet Ihnen der Ruf einer Königin-Mörderin an. Dabei sollten Sie | |
Kronprinzessin sein und Dora Heyenn in zwei Jahren beerben. | |
Dass ich die Nachfolge übernehmen soll, war mit mir nicht abgestimmt. Ich | |
hab das in der Presse gelesen und Anrufe erhalten von Genossen, die | |
fragten, was lesen wir denn da? Ich seh mich nicht als Kronprinzessin. Ich | |
wäre gern in der zweiten Reihe gestartet. | |
Aber Sie sind eine gestandene Politikerin, haben viele Jahre den | |
Elternverein geleitet, waren vier Jahre Abgeordnete für die SPD und zuletzt | |
für die Linke Fraktionsvorsitzende im Bezirk Harburg. Verständlich, dass | |
man Ihnen einiges zutraut? | |
Ja. Aber ich bin nicht ohne Grund aus der SPD ausgetreten. Der strenge | |
Führungsstil eines Olaf Scholz gefällt mir nicht. Bei der Linken werden | |
Posten nicht vererbt. Wir wählen. Und auch die Idee der Doppelspitze ist | |
kein Affront gegen Frau Heyenn. Es ist demokratisch und hat sich bei der | |
Linken schon an anderer Stelle bewährt. | |
Was hat Sie bewogen, noch einmal für die Bürgerschaft zu kandidieren? | |
Die Freude darauf, dass ich in den Themengebieten, wo ich unterwegs bin, | |
etwas bewegen kann. So gern ich das im Bezirk gemacht habe, Bildungspolitik | |
findet da nicht statt. Ich habe total Lust, in diesem Bereich wieder zu | |
arbeiten, verknüpft mit Kinder- und Jugendpolitik. | |
Da hat die Linke ja einiges vor. In Rede steht doch immer noch eine | |
Enquete-Kommission zu Kinder- und Jugendhilfe. | |
Eben. Bei diesen Dingen möchte ich mitwirken. | |
Schulreform-Gegner Walter Scheuerl hat schon auf Facebook vor Ihnen | |
gewarnt. Sie wären eine noch entschiedenere Verfechterin der ’Schule für | |
alle‘. Nach der Reala Heyenn wären Sie der Fundi. | |
Ich werde ganz sicher nicht gleich Morgen einen Antrag für die Schule für | |
alle einreichen. Aber es lohnt sich das Thema soziale Gerechtigkeit zu | |
thematisieren und zu gucken, wie bildet die Schule das ab. Im Grunde | |
driften die Stadtteile weiter auseinander, das sieht man jetzt wieder an | |
den Anmeldezahlen der weiterführenden Schulen. | |
Hört sich fast an wie Dora Heyenn. Inhaltlich haben Sie keine Differenzen? | |
Nein. Frau Heyenn war eine gute Spitzenkandidatin. Ich kann jeden | |
verstehen, der von außen guckt und sagt: so ein toller Wahlerfolg und jetzt | |
dieses Debakel. Wir können aber auch nicht so tun, als ob es keine | |
Konflikte gab. Da kam einiges zusammen, weswegen es in der Fraktion eine | |
Klärung gab. | |
Und nun sitzt Frau Heyenn als Fraktionslose im Parlament. Haben Sie eine | |
Idee, wie Sie sie zurückgewinnen? | |
Ich hoffe, dass es zu Gesprächen kommt. Ich würde das sehr begrüßen. | |
8 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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