| # taz.de -- Krise in der Nord-Linken: Der Leidensweg der Linkenspitzen | |
| > In Hamburg bekommt Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn Gegenwind und | |
| > Ex-Niedersachsenchef Manfred Sohn flüchtet aus der Partei. | |
| Bild: Kehrt der Linkspartei in Niedersachsen entnervt den Rücken: Manfred Sohn | |
| HAMBURG taz | Wer jahrelang in der Linkspartei zu Hause war, ihre internen | |
| Querelen erlebt und überlebt hat, entwickelt manchmal einen besonderen | |
| Humor. So mag es kein Zufall sein, dass der ehemalige niedersächsische | |
| Landeschef der Linkspartei, Manfred Sohn, unter einer Mailadresse zu | |
| erreichen ist, die mir dem Namenskürzel „Dr. Maso“ beginnt. | |
| Doch der Leidensweg des Dr. Maso hat nun ein Ende. Vergangene Woche verließ | |
| der 59-Jährige – nachdem er im vergangenen Herbst schon den Landesvorsitz | |
| abgegeben hatte, die Linkspartei. Und warf damit erneut ein Schlaglicht auf | |
| das tiefe Zerwürfnis in der niedersächsischen Linken. | |
| Anlass, so Sohn in seinem offiziellen Austrittsschreiben, ist eine erneute | |
| Eskalation mit seinem Dauerrivalen, dem niedersächsischen | |
| Bundestagsabgeordneten Dieter Dehm. Der hatte auf dem Landesparteitag Mitte | |
| Februar seine AnhängerInnen weitgehend im neuen Landesvorstand der Partei | |
| untergebracht, dessen Vorsitz zuletzt Sohn hatte. | |
| ## „Eine der widerwärtigsten Denunziationen“ | |
| Anschließend hat Dehm, so Sohn, noch „Häme und Spott“ über den von ihm | |
| geführten alten Landesvorstand ausgegossen, indem er ihn öffentlich | |
| bezichtigt hatte „sich zuletzt ausschließlich um theoretische Fragen | |
| gekümmert“ zu haben. „Das ist eine der widerwärtigsten Denunziationen | |
| dieses kalten Menschen, denen ich mich auch als Mitglied dieser Partei | |
| nicht mehr aussetzen möchte“, zog Sohn daraufhin die Notbremse. | |
| Der Konflikt zwischen den Alpha-Männchen Dehm und Sohn, den letzterer | |
| selbst einmal als „Konflikt zwischen zwei alten Gockeln“ bezeichnete, ist | |
| damit mit einem klaren Sieger beendet, die Spaltung des Landesverbandes | |
| aber längst noch nicht beigelegt. | |
| So wird Dehm und den anderen niedersächsischen Bundestagsabgeordneten | |
| vorgeworfen, nicht genügend Abgeordneten-Diäten an den niedersächsischen | |
| Landesverband abgeführt zu haben, der, seitdem die Partei nicht mehr im | |
| Landtag vertreten ist, finanziell ausgetrocknet ist. | |
| Doch auch die politische Ausrichtung des Landesverbandes bleibt umkämpft. | |
| Der nun verlorene Sohn galt seinen Gegnern als Radikaloppositioneller und | |
| „Ostalgiker“. Wie kaum ein anderer westdeutscher Linken-Politiker hatte er | |
| das Engagement der Linken in den Parlamenten und vor allem der Thüringer | |
| Koalition kritisiert. | |
| „Wer Sozialismus will, kommt diesem Ziel nicht durch Engagement innerhalb | |
| der Staatsmaschine näher, sondern nur als ihr Gegner“, glaubt Sohn, der in | |
| seinen Schriften eine „finale Krise“ des Kapitalismus gekommen sieht und | |
| dessen baldigen Untergang prophezeit. „Ich habe die Befürchtung, dass unser | |
| Landesverband noch früher zusammenbricht“, spottet da Dehm. | |
| ## Heyenns Demontage hat begonnen | |
| Während die niedersächsischen Linken nun gespalten, ohne parlamentarische | |
| Vertretung und ohne Geld dastehen, übte sich die Hamburger Linke bislang in | |
| Geschlossenheit. Die Belohnung: Unter ihrer populären Spitzenkandidatin | |
| Dora Heyenn legte sie bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar um gut | |
| zwei Prozent auf 8,5 Prozent zu und verfügt nun über elf statt neun | |
| Mandate. | |
| Doch kaum hatte die Linke die Wahl gewonnen, da begann die Demontage | |
| Heyenns. Profilierte Fraktionsmitglieder, wie Christiane Schneider oder | |
| Norbert Hackbusch, setzten durch, dass Heyenn in Zukunft nicht mehr allein, | |
| sondern als Teil einer Doppelspitze die Fraktion führen soll. | |
| Für den Vorstoß, durch den Heyenn sich brüskiert fühlt, gibt es drei | |
| Gründe: Die stark auf Heyenn fokussierte, aber innerparteilich nicht breit | |
| abgestimmte Wahlkampagne, wurde von vielen führenden Partei-Mitgliedern als | |
| „Personenkult“ empfunden. | |
| Zudem wird Heyenn vorgeworfen, zu eng mit der linkssektiererischen Strömung | |
| „Liste Links“ zu paktieren, die innerparteilich unter Heyenns Regentschaft | |
| an Einfluss gewonnen habe. Zum Schluss ist auch noch die Diskussion um die | |
| Nachfolge Heyenns, die bereits angekündigt hat, Mitte der Legislaturperiode | |
| ins zweite Glied zurückzutreten, voll entbrannt. | |
| ## Gefloppte Kronprinzessin | |
| Doch die designierte Kronprinzessin Sabine Böddinghaus floppte bei der | |
| Bürgerschaftswahl und holte weniger Personenstimmen als gleich drei hinter | |
| ihr auf der Landesliste platzierte Kandidatinnen. Zudem steht die | |
| 58-Jährige nicht für einen innerparteilich geforderten Generationswechsel. | |
| Aber die Heyenn-Kritiker haben ein Problem: Auf einer internen | |
| Fraktionssitzung konnten sie sich am Samstag nicht auf eine zweite | |
| Fraktionsspitze einigen und fanden auch am Sonntag bis zum | |
| Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Lösung. | |
| 2 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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