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# taz.de -- Zwei Jahre Papst Franziskus: Der Geruch von Volk und Straße
> Franziskus ist als Reformer angetreten. Seitdem menschelt es im Vatikan.
> Der Oberhirte hat auch viele Fehler gemacht – und er hat Feinde in Rom.
Bild: Papst Franziskus (l.) und seine schrägen Bischöfe
ROM dpa | „Guten Abend.“ Mit diesen Worten trat Papst Franziskus nach
seiner Wahl am 13. März vor zwei Jahren vor die Menschenmassen auf dem
Petersplatz. Schon bald war klar: Als Nachfolger des brillanten deutschen
Theologen Benedikt XVI. sitzt jetzt ein lateinamerikanischer Menschenfänger
auf dem Stuhl Petri, einer der alles anders machen will.
Einer, der frei spricht – manche sagen, sorglos drauflosplappert – und
selbst Vatikan-Kenner regelmäßig überrascht. Einer, der sich unter die
Leute mischt und nicht im Glaskasten hinter dicken Vatikan-Mauern sitzen
will.
Gute Theologen haben den Geruch „nach Volk und Straße“, sagte der
78-jährige Argentinier vor wenigen Tagen. Diesem Leitspruch folgt auch er.
Er fährt lieber im Ford als in gepanzerten Limousinen, er besucht
Armenviertel, Mafia-Hochburgen und mischt sich zum Schrecken seiner
Leibwächter unter Menschenmassen. Seine offene, spontane Art hat ihm bei
den Gläubigen Sympathien eingebracht. Aber nicht nur das.
Franziskus hat Reformen in der katholischen Kirche und im Vatikan
angestoßen, an die Jahrzehnte niemand geglaubt hat. Er hat eine Kommission
zur Reform der erstarrten römischen Kurie – also des Verwaltungsapparates
des Vatikans – einberufen. Er hat Tabuthemen zum Thema gemacht, wie den
Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, mit Homosexuellen, mit Frauen
und mit Verhütung. Und er hat Licht ins Dunkel der vatikanischen Finanzen
gebracht und in der skandalgeplagten Vatikanbank für Transparenz gesorgt.
## „Spiritueller Alzheimer“
„Papst Franziskus bringt die Kirche in Bewegung“, sagte der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. „Er eröffnet neue
Möglichkeiten und ermutigt zu wirklicher theologischer Debatte über den Weg
der Kirche in die Zukunft.“ Der Papst habe die „Armen neu hörbar gemacht�…
Viele Reformen hat zwar schon Benedikt XVI. angestoßen. Aber der hatte nach
acht Jahren nicht mehr die Kraft, sich gegen die Widersacher in Rom, aber
auch in den Kirchen der Welt durchzusetzen und trat als erster Papst seit
mehr als 700 Jahren zurück. Auch Franziskus hat Feinde, mächtige Feinde.
„Der Vatikan ist voller Alphatiere“, sagt einer, der seinen Namen nicht
öffentlich gedruckt sehen will. Geschockt waren die Kurienmitglieder, als
Franziskus ihnen vor Weihnachten „15 Krankheiten“ wie „spirituellen
Alzheimer“ attestierte.
Vielen anderen missfällt sein vergleichsweise offener Ansatz, was Themen
wie Sexualität und Familie angeht. „Wenn ein Papst die Kirche reformieren
oder sogar revolutionieren will, dann ist er nicht allmächtig“, sagte
Vatikan-Experte Marco Politi zum Erscheinen seines Buches mit dem Titel
„Franziskus. Papst unter Wölfen“.
## „In Würde“ prügeln
Mit seinen oft flapsigen Sprüchen eckte Franziskus zuletzt gleich mehrmals
an. Kritiker meinen, das Oberhaupt von weltweit mehr als einer Milliarde
Katholiken solle besser kontrollieren, was er sage. Als Franziskus die
Grenzen der Meinungsfreiheit illustrieren wollte und sagte, wer seine
Mutter beleidige, bekomme seine Faust zu spüren, schmunzelten noch viele.
Als er Katholiken aufrief, sich nicht wie „Karnickel“ zu vermehren, sahen
sich schon mehrere angegriffen. Aber als er das Schlagen von Kindern, wenn
es „in Würde“ geschehe, für gut hieß, war für viele das Maß voll. Ein
regelrechter Shitstorm zog über den Pontifex hinweg.
Und zuletzte verärgerte er Mexiko, als er sein Heimatland Argentinien mit
Bezug auf den Kampf gegen Drogen vor einer „Mexikanisierung“ warnte. In
Deutschland schüttelte man zudem den Kopf, als Franziskus offenbar nichts
dagegen unternahm, dass der Limburger Ex-Bischof Franz-Peter Tebartz-van
Elst nach dem Prunk-Skandal in Deutschland einen Posten in Rom bekam.
Wie geht es weiter für Franziskus? Im Oktober steht das bisher wichtigste
Ereignis im Vatikan an: Dann kommen die Bischöfe der Welt noch einmal zu
einer Familiensynode zusammen. „Ich bin dankbar für den vom Papst
angestoßenen Weg zur Bischofssynode und Kurienreform“, sagte Marx.
Die Erwartungen sind hoch, dass Entscheidungen zum Beispiel darüber fallen,
ob Geschiedene zum Sakrament der Ehe zugelassen werden. Aber das ist
unwahrscheinlich. Franziskus wird dennoch daran gemessen. Und sollten ihn
die körperlichen Kräfte für das Amt verlassen - so hat er bereits verkündet
– könne er es seinem Vorgänger Benedikt gleichtun und ebenfalls
zurücktreten.
13 Mar 2015
## AUTOREN
Annette Reuther
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