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# taz.de -- Zweiter Vatileaks-Prozess: Anordnung von oben
> Im Vatikan hat der Prozess gegen zwei Journalisten begonnen. Sie haben
> Enthüllungsbücher über die Finanzen der Kurie geschrieben.
Bild: Die beiden angeklagten Journalisten im Vatikan.
Rom taz | Seit Dienstag müssen sich Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi
vor einem Vatikangericht verantworten. Den beiden Journalisten wird
„Verbreitung geheimer Nachrichten und Dokumente“ vorgeworfen. Ihnen drohen
mehrjährige Haftstrafen, ebenso wie drei Mitangeklagten, die ihnen
zahlreiche Dokument über das Finanzgebaren der römischen Kurie zugespielt
haben sollen.
Anlass zu dem Prozess gaben die Enthüllungsbücher, die die beiden
Journalisten vor wenigen Wochen auf den Markt brachten. Gianluigi Nuzzis
„Via Crucis“ beschäftigt sich detailliert mit den Aufräumarbeiten, denen
sich der neue Papst gegenübersieht: So finden sich Mitschnitte von
Gesprächen des Papstes mit engen Mitarbeitern, in denen es um das von
Franziskus angestrebte Großreinemachen bei den Vatikanfinanzen und um die
Herstellung von Transparenz auf diesem Feld geht. Nuzzi legt auch dar, in
welch geringem Maße die dem Vatikan aus aller Welt zufließenden Zuwendungen
der Gläubigen – der „Peterspfennig“ – karitativen Zwecken zugutekommen.
Emiliano Fittipaldi wiederum rekonstruierte in „Avarizia“ („Geiz“)
detailliert das Wirtschaftsimperium des Vatikans. Er deckte bisher
unbekannte Fakten über den immensen Immobilienbesitz auf, dessen Wert sich
allein in Rom auf 4 Milliarden Euro beläuft. Dabei konnte er auch
nachweisen, wie die an eine Kinderklinik des Vatikans gerichteten Spenden
für die Renovierung der Luxuswohnung eines Kardinals zweckentfremdet
werden.
## Spendenfinanzierter Luxus
Offenkundig waren die beiden gut mit Informationen aus dem innersten Kreis
der Kurie versorgt – und hier kommen die drei Mitangeklagten ins Spiel.
Monsignore Lucio Ángel Vallejo Balda ebenso wie die früher bei Ernst &
Young beschäftigte Francesca Chaouqui gehörten der von Franziskus
eingesetzten Kommission an, die Licht in den Dschungel der Vatikanfinanzen
bringen sollte, rein intern natürlich. Zusammen mit einem Mitarbeiter
Baldas aber sollen sie den beiden Enthüllungsjournalisten das brisante
Material geliefert haben.
Unmittelbar nach Erscheinen der Bücher hatte Franziskus selbst auf dem
Petersplatz geschimpft, hier liege eindeutig „Diebstahl von Dokumenten“
vor, „und das ist ein Verbrechen“.
Dass den fünf Angeklagten jetzt der Prozess gemacht wird, dürfte auf
Anordnung von ganz oben geschehen. Doch der Vorwurf lautet nicht auf
Diebstahl, sondern auf Verbreitung von Dokumenten, die „fundamentale
Interessen des Vatikanstaats“ berühren. Zugleich wird den Journalisten
vorgeworfen, die Unterlagen „unter Ausübung von Druck“ beschafft zu haben.
Nuzzi findet das lachhaft. „Welche Interessen des Staates sind berührt,
wenn von der Luxuswohnung eines Kardinals die Rede ist?“, fragte er am
Dienstagnachmittag auf einer Pressekonferenz. „Einfach kafkaesk“ sei dieser
Prozess, der einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit darstelle. Ihm wie
den anderen vier Mitangeklagten wurde zudem die Benennung von italienischen
Vertrauensanwälten verweigert. Stattdessen wurden Pflichtverteidiger
benannt, die beim Vatikangericht eine Zulassung haben. Die Angeklagten
lernten ihre Verteidiger erst eine Stunde vor Prozessbeginn kennen, Kopien
der Anklage erhielten sie nicht. Von nächstem Montag an soll jeden Tag
verhandelt werden.
Am Ende drohen Haftstrafen von vier bis acht Jahren, doch Nuzzi gibt sich
optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass ich von Italien nicht ausgeliefert
werde“, sagt er. Schließlich schütze das italienische Gesetz auch
Journalisten, die geheime Dokumente veröffentlichen.
25 Nov 2015
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Vatikan
Schwerpunkt Pressefreiheit
Papst Franziskus
Verschwendung
Italien
Afrika
Papst Franziskus
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Schwerpunkt Klimawandel
Papst Franziskus
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