# taz.de -- Der „Friedenswinter“ hat Probleme: Finger weg von Elsässer | |
> Aktivisten ziehen in Frankfurt Bilanz des „Friedenswinters“. Der | |
> Gesprächsbedarf ist groß. Ganz knapp verhindert die Versammlung einen | |
> Eklat. | |
Bild: Unbeliebt beim „Friedenswinter“: Jürgen Elsässer, hier 2013 auf ein… | |
FRANKFURT/MAIN taz | Die Abstimmung, die vieles verdeutlicht, beginnt um | |
15.27 Uhr – und dann findet sie plötzlich doch nicht statt. Aber das ist | |
eine Sache für später. Denn die erste Frage muss heute lauten: Darf die taz | |
überhaupt über diese Abstimmung schreiben? Darf sie wiedergeben, was ist? | |
Darf sie es einordnen? | |
Es ist Abrechnungsstunde Samstag in Frankfurt, Saalbau Bockenheim. Teile | |
der Friedensbewegung, 140 Menschen, sind hier versammelt, um über den | |
sogenannten „Friedenswinter“ zu reden. Lars Mährholz, einer der bekannten | |
Redner der umstrittenen Mahnwachen-Bewegung, sitzt im Publikum, auch die | |
Aktivistin und Russia-Today-Mitarbeiterin Lea Frings, die | |
Linkspartei-Abgeordnete Inge Höger sowie Friedensaktivisten wie Reiner | |
Braun (Ialana), Wiltrud Rösch-Metzler (Pax Christi) oder Monty Schädel | |
(DFG-VK). [1][Schädel hatte am Freitag in einem taz-Interview] die | |
Versammlung aufgefordert, sich klar von rechten Rednern zu distanzieren und | |
den „Friedenswinter“ zu beenden. Dafür wird er hier nun angegriffen. | |
Der „Friedenswinter“ hat ein Problem. Medien berichten negativ über die | |
Kampagne, mit der etablierte Organisationen der Friedensbewegung versuchen, | |
wieder mehr Menschen zu erreichen. Ende 2014 riefen sie gemeinsam mit der | |
umstrittenen Mahnwachen-Bewegung auf die Straße. Aktivisten thematisierten | |
ihre Bedenken im Hinblick auf Redner, die anschlussfähig sind für | |
antisemitische Erzählungen und pauschale Erklärungsmuster. Auch die taz | |
berichtete darüber – meist kritisch. | |
Nun soll die Linke-Politikerin Christiane Reymann mal das Problem mit den | |
Medien erklären. Reymann kennt nur einen Bösen: „Die Kampagne [der | |
Zeitungen, d. Red.] gegen den Friedenswinter ist so perfektioniert und | |
verfeinert worden, dass die kritischen Stimmen innerhalb der | |
Friedensbewegung, also die Zeugenschaft von innen, von Anfang an eine ganz | |
wichtige Rolle gespielt haben.“ Es beginnt interessant zu werden hier in | |
Frankfurt: Zwischen Außen- und Binnenwahrnehmung liegen offenbar Welten. | |
## Aufgeheizte Stimmung | |
Dann kommt von Reymann noch etwas Selbstkritik: Dass der umstrittene Ken | |
Jebsen, den viele hier offenbar verehren, im Zusammenhang mit dem | |
Israel-Palästina-Konflikt von der „Endlösung“ gesprochen habe, sagt sie, | |
sei eine „sehr unglückliche Formulierung gewesen“. | |
Allen im Raum ist klar: Es gibt massiven Gesprächsbedarf. Deshalb gibt es | |
dieses Treffen doch eigentlich. Und tatsächlich bemüht sich der | |
Friedensaktivist Reiner Braun, ein Unterstützer des „Friedenswinters“, | |
darum, die Wogen zu glätten. Die Stimmung ist aufgeheizt. Was ist, fragt | |
einer, überhaupt eine rechte Position? Es gibt zumindest eine rote Linie, | |
die der „Friedenswinter“ für sich definiert: Finger weg vom einschlägigen | |
Rechtspopulisten und Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer. Und weil gerade | |
eine Hamburger Mitstreiterin doch auf einer Demo sprach, bei der auch | |
Elsässer auftrat, wurde hier in Frankfurt ein von ihr geplanter Workshop | |
folgerichtig wieder gestrichen. | |
Doch nun rebelliert die Basis. Ein Mann stellt den Antrag, dass der | |
Workshop stattfinden müsse. Ist es wirklich so schlimm, dass eine von uns | |
mit Elsässer auftrat? Es ist 15.27 Uhr, es wird abgestimmt. Im Saal | |
herrscht Patt. | |
Gut die Hälfte der Anwesenden hat offenbar kein Problem mit dem | |
Elsässer-Vorfall. Nur Sekunden bevor die Stimmen ausgezählt sind, zieht der | |
Mann seinen Antrag zurück. Es wäre ein deutliches Zeichen gewesen, wenn | |
selbst der Minimalkonsens, keine Nähe zu Elsässer zuzulassen, nicht mehr | |
gegolten hätte. Weil die Auszählung abgebrochen wird, bleibt der Eklat | |
schließlich aus. | |
Oder ist es vielleicht trotzdem einer? Die taz, ganz selbstkritisch, will | |
dazu keine Meinung vorgeben. Anschließend sind viele irritiert, das | |
Meinungsbild ist gespalten. Wie und ob es mit der noch bis Mai geplanten | |
Kooperation mit dem „Friedenswinter“ weitergeht, soll jetzt eine | |
Arbeitsgruppe ermitteln. Sie nennt sich „Arbeitsgruppe Zukunft“. | |
15 Mar 2015 | |
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## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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