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# taz.de -- Arbeitnehmerrecht beim Friedensverband: Krieg in den eigenen Reihen
> Monty Schädel ist einer der bekanntesten deutschen Friedensaktivisten.
> Nun hat sein Pazifistenverband ihm gekündigt – nach einem Herzinfarkt.
Bild: Seit 26 Jahren Mitglied eines der wichtigsten Friedensverbände: Monty Sc…
Berlin taz | Er sagt, für ihn ist das die schwerste Krise seines Lebens,
ein Schlag ins Gesicht. Er sagt: „Sie nehmen mir damit alles.“ Er sagt,
dagegen will er jetzt kämpfen.
Monty Schädel, Jahrgang 1969, ist ein kampferprobter Mann. Das muss er auch
sein – als einer der bekanntesten deutschen Friedensaktivisten. 1995
verweigerte er als Totalverweigerer den „Kriegsdienst mit und ohne Waffe“,
eine dreijährige Bewährungsstrafe war die Folge. Jahre später, 2007, war
Schädel eine der zentralen Figuren bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in
Heiligendamm. Und vor ein paar Jahren, als die Friedensbewegung sich zum
„Friedenswinter“ zusammenfand, mit Reichsbürgern und
Verschwörungstheoretikern, war er die mahnende Stimme, die seine Genossen
öffentlich zur Vernunft rief.
Monty Schädel aus Waren an der Müritz, streitbarer Friedensaktivist,
Gewerkschafter und Politiker – und bald nun vielleicht arbeitslos?
Wie die taz nun erfahren hat, wurde Schädel Ende Juni die Kündigung
ausgesprochen. Das Pikante: Wenige Monate zuvor hatte Schädel einen
Herzinfarkt erlitten, zum Zeitpunkt der Kündigung war er krankgeschrieben.
Und so ist bei seinem Verband nun ein Zoff entbrannt, der alles hat, um die
ohnehin streitfreudige Friedensbewegung erneut zu beleben: Es geht um den
Frieden in den eigenen Reihen, um die Zukunft der Verbandsarbeit und, ganz
banal, um arbeitsrechtliche Fragen. Und es geht um die Frage, wie
Friedensaktivisten mit ihrem langjährigen Wegbegleiter und Aushängeschild
umgehen – dem sie vieles zu verdanken haben; und der seit Langem krank ist.
## Herz-OP und Gerichtsverhandlung
Denn mit Monty Schädel wurde einem gekündigt, der seit 26 Jahren Mitglied,
seit 15 Jahren ehrenamtlicher Bundessprecher und seit 10 Jahren Politischer
Geschäftsführer einer der wichtigsten deutschen Friedensverbände ist, der
DFG-VK. Das steht für: „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen“. Der Verband ist einer der Veranstalter der
jährlichen Ostermärsche.
Was Schädel wütend macht: Das Kündigungsschreiben erreichte ihn Ende Juni,
als er nach schwerem Herzinfarkt noch krankgeschrieben war – und es führte
dazu, dass er am 9. August 2017 gleich zwei Termine hatte: In der Klinik
sollte er an diesem Tag am Herzen operiert werden und vor dem Gericht stand
am gleichen Tag die mündliche Verhandlung über sein Anstellungsverhältnis
an. Es ging um seine Kündigungsschutzklage. Sind das gute Bedingungen, um
wieder gesund zu werden?
Schädel macht seinen einstigen Wegbegleitern schwere Vorwürfe: Sie würden
seine Genesung torpedieren. Sie würden ihm in seinen schwersten Stunden in
den Rücken fallen.
Dabei geht es dem Vorstand der Friedensbewegten vermeintlich nur um
Formales. Denn obwohl Schädel vom Bundeskongress, der per demokratischer
Wahl den Politischen Geschäftsführer bestimmt, immer nur für die Amtszeit
von jeweils zwei Jahren gewählt wird, hat er einen unbefristeten
Arbeitsvertrag.
## Kündigung, warum jetzt?
Das bedeutet: Wenn im November die nächsten Wahlen anstehen und Schädel
nicht wiedergewählt wird, müsste der Verband ihn noch länger bezahlen – um
dann noch die Kündigungsfrist und eine Übergangszeit einzuhalten. Geht es
nach dem Verband, so ging es bei der Kündigung nur darum, das formale
Anstellungsverhältnis an die reale Amtszeit zu koppeln.
Allerdings: Für jemanden, der wie Schädel seit zehn Jahren in gleicher
Position tätig ist, würde das eine Kettenbefristung bedeuten. Und das war
in all den Jahren nie ein Thema. Denn schon seit 2007, als Schädel erstmals
in die Position gewählt wurde, ist dessen Vertrag unbefristet. Warum also
sollte wohl ausgerechnet jetzt sein seit zehn Jahren unbefristeter Vertrag
gekündigt werden?
Nun, das könnte damit begründet sein, dass Schädel bereits seit 2015 für
den kleinen Verband fast durchgehend nicht zur Verfügung stand – wegen
Krankheit. Kosten tut das den Verband nichts: Das Krankengeld zahlt die
Krankenkasse, eine Vertretung ist eingearbeitet. Für den Vorstand, der an
die Beschlüsse des Bundeskongresses gebunden ist, war aber auch klar: Falls
Schädel auf dem anstehenden Bundeskongress im November nicht wiedergewählt
werden würde, müssten sie ihm ohnehin kündigen.
Warum dies dann nicht abwarten? Denn während Schädel für seine
Vorstandskollegen offenbar eine Belastung ist, ist er für viele
Verbandsmitglieder eine feste Größe. Bei der letzten Wahl des Verbands,
2015, wurde er zum Politischen Geschäftsführer wiedergewählt, trotz eines
Gegenkandidaten und obwohl er auch da bereits krank und nicht anwesend war.
Und so steht nun die Frage im Raum, wie viel soziale Verantwortung sich ein
kleiner Friedensverband leisten will, wenn es um praktische Solidarität
geht – und um Arbeitnehmerrechte.
## Alles nur eine Formalie?
Der Vorstand der DFG-VK will den Fall – so weit verständlich – aufgrund der
laufenden arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung auf Anfrage nicht
kommentieren. Von dort heißt es lediglich: „Wir waren und sind um eine
einvernehmliche Lösung mit Monty Schädel bemüht.“
Schädel dagegen sagt: „Da sind einige dabei, die wollen gern mit dem IS
über Frieden verhandeln, aber interessieren sich nicht für meinen
Gesundheitszustand.“ Im Vorstand dagegen ist man offenbar enttäuscht, dass
Schädel – vor der Kündigung, während seiner Krankheit – nicht für ein
persönliches Gespräch zur Verfügung stehen wollte.
Und so ist die Situation, zum Schaden aller, wohl nur noch vor Gericht zu
klären. Denn auch Schädel, der als Politischer Geschäftsführer nicht nur
Angestellter der DFG-VK ist, sondern auch einer von acht ehrenamtlichen
Bundessprechern, hat sich auf eine formalistische Position zurückgezogen:
Wieso, sagt er, sollte er während seiner schweren Krankheit über eine
Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte
diskutieren?
10 Sep 2017
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Arbeitsrecht
Frieden und Krieg
Kündigung
Monty Schädel
Erfurt
Ken Jebsen
Schwerpunkt Jürgen Elsässer
Rechtsextremismus
Antisemitismus
Friedensbewegung
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