Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rare Aufnahmen des Filmarchivs: Geheimsache DDR-Alltag
> Das DDR-Filmarchiv drehte Filme über den sozialistischen Alltag. Eine
> Doku präsentiert die raren Aufnahmen, die nie öffentlich werden sollten.
Bild: Auch Szenen des weniger schönen DDR–Alltags zeigt die Doku.
BERLIN taz | Nicht einmal Filmjournalisten wussten, was seit Beginn der
1970er Jahre im Auftrag des Staatlichen Filmarchivs der DDR gedreht worden
war. Schließlich konnte nach der herrschenden Master-Erzählung über die DDR
nicht sein, was nicht sein durfte: dass die SED-Diktatur über viele Jahre
selbst die Schattenseiten des sozialistischen Alltags und die wahren
Zustände in den volkseigenen Betrieben dokumentieren ließ, und das auch
noch authentischer und schärfer, als es das Westfernsehen damals konnte.
Bei der Voraufführung der Dokumentation „Der heimliche Blick“ Ende Februar
in der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung waren die Besucher
verblüfft.
Die Aufnahmen waren Geheimsache, auf 16–mm–Orwo–Material erst einmal für
die Büchse gedreht. Nach dem vollständigen Sieg des Sozialismus wollte man
diese 300 Filmrollen hervorkramen und den glücklichen Menschen zeigen:
Seht, wie wir den Faschismus überwunden und welche Schwierigkeiten beim
Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung wir bewältigt haben! So jedenfalls
war der Auftrag an die Staatliche Filmdokumentation (SFD) nach
Erkenntnissen des Medienwissenschaftlers Prof. Dieter Wiedemann, der ab
1995 für sieben Jahr Präsident der Babelsberger Filmhochschule war.
Dabei trafen sich wohl die Idee des damaligen Filmarchiv-Leiters Wolfgang
Klaue und die Einfalt der sonst so allmächtigen Genossen. Nicht zu
vergessen, dass es mit dem Machtantritt Erich Honeckers 1971 zu einer
gewissen kulturpolitischen Lockerung kam. Der Filmemacher Thomas Eichberg
entdeckte 40 Jahre später die einzigartigen Dokumente im Bundesfilmarchiv.
Was er gemeinsam mit Holger Metzner daraus machte, sind überwiegend
erklärende 45 Minuten über die Arbeit der SFD, die Montagabend um 22.45 Uhr
im RBB zu sehen sind. Stützen konnte er sich dabei auf ein
Forschungsprojekt von Anne Barnert aus dem Berliner Institut für
Zeitgeschichte. Filmleute von damals blicken ebenso zurück wie porträtierte
Personen.
## Tagelange Beobachtung eines Volkspolizeireviers
Dass es nur relativ wenige Originalaufnahmen zu sehen gibt, erklärt Thomas
Eichberg als „eine Frage der Kosten und der Rechte“. Die Digitalisierung im
Bundesfilmarchiv ist teuer. Etwa die Hälfte der 300 Filme ist restauriert
worden. Und dann erfährt man nebenbei, dass dem Progress–Filmverleih im
Einigungsvertrag nicht nur die Rechte an allen Defa–Spielfilmen, sondern
auch an solchem Material „in der Grauzone“, wie Eichberg sagt, zugeschanzt
worden sind. Die kosten nochmals.
Was an Ausschnitten jenseits der sozialistischen Erfolgspropaganda zu sehen
ist, mag sich sonst allenfalls noch bei privaten Schmalfilmern ähnlich
wiederfinden: ungeschönte Erinnerungen an die Zwangskollektivierung in der
Landwirtschaft, deftige Familienfeiern und abrissreife Wohnställe, Klartext
über verschlissene Produktionsanlagen, Leute an der Berliner Mauer, ein
Bericht über die Existenznöte von Puppenspielern, die „Szene“ in Prenzlau…
Berg oder kirchliche Veranstaltungen mit Friedrich Schorlemmer oder dem
späteren brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe.
Als größter Coup des Studios darf die tagelange Beobachtung eines
Volkspolizeireviers gelten. Weil das Benzin knapp war, blieben die
Aufnahmen meist auf Berlin beschränkt. Alles ungeschnitten, unkomponiert
und unmittelbar wirkend. „Ich bin glücklich über das Material, weil mich
der undifferenzierte Blick, der sonst oft auf die DDR geworfen wird,
ärgert“, sagt Eichberg.
Er hofft, dass man diesen geschichtlichen Abschnitt nun besser erklären und
erzählen könne. Deshalb planen die Autoren nicht nur einen zweiten Film mit
weiteren Originalaufnahme, sondern auch dessen Aufbereitung für Schulen und
politische Bildungseinrichtungen. Filmmaterial war in der DDR so knapp wie
viele andere Produkte, und die Krisen im Staat erwiesen sich als nicht nur
vorübergehend. So wurde 1986 die Arbeit der SFD eingestellt.
17 Mar 2015
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Film
Sozialismus
DDR
DDR
Remake
Musik
Studentenbewegung
Filmfestival
## ARTIKEL ZUM THEMA
Friedrich Schorlemmer ist gestorben: Zweiter Luther in der Lutherstadt
Der ehemalige Studentenpfarrer ist am Montag mit 80 Jahren gestorben. Er
war in der Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung der DDR aktiv.
Regisseur über Kinofilm „Das kalte Herz“: „Ich wollte, dass die Szene Ei…
Es gibt bereits eine brillante DEFA-Verfilmung des Hauff-Märchens „Das
Kalte Herz“ – wozu das Ganze also noch mal? Johannes Naber über die
Faszination des Stoffes.
Bücher über Bands der DDR: Strandgut der letzten dreißig Jahre
Einer stand auf der Bühne, der andere davor. André Herzberg und Alexander
Osang schreiben über Subversion und Verrat in der DDR.
Studentenmörder und Spion der DDR: Der Tod eines Untertans
Karl-Heinz Kurras spionierte für die Stasi und erschoss Benno Ohnesorg. Hat
der Krieg ihn zu einem so bösartigen Charakter gemacht? Ein Nachruf.
Cinefest in Hamburg: Rote Filme sieht man besser
Das Hamburger Cinefest setzt nicht wie die meisten anderen Festivals auf
den neuen heißen Scheiß, sondern zeigt ausschließlich historisch bedeutende
Filme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.