# taz.de -- Asylbewerber in Schleswig-Hostein: Realistische Flüchlingszahlen f… | |
> Die Prognosen der Flüchtlingszahlen gehen weit auseinander. Der Kieler | |
> Innenminister Stefan Studt fordert vom Bund ehrliche Angaben. | |
Bild: Flüchtlinge in Neumünster. | |
KIEL dpa | Schleswig-Holsteins Landesregierung hält die vom Bund | |
vorhergesagten Flüchtlingszahlen für viel zu niedrig. „Ich bin derzeit weit | |
entfernt von den Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“, | |
sagte Innenminister Stefan Studt (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn | |
wir unsere Zahlen hochrechnen, müssen wir 2015 in Deutschland mit 500.000 | |
bis 550.000 neuen Asylbewerbern rechnen und nicht nur mit 300.000, wie vom | |
Bundesamt angegeben.“ | |
Studt forderte den Bund auf, bei den Prognosen ehrlich zu sein. „Wir dürfen | |
nicht die Augen vor der Realität verschließen - eine Vogel-Strauß-Politik | |
hilft uns nicht weiter.“ | |
Er erwarte vom Bund eine Prognose, an denen sich Länder und Kommunen in | |
ihren Planungen tatsächlich orientieren können, sagte der Kieler Minister. | |
Die große Hilfsbereitschaft in den Kommunen und die Solidarität mit den | |
Flüchtlingen seien ein riesiges Pfund, das man nicht verspielen dürfe. „Wir | |
haben keine regionale oder kommunale Aufgabe zu bewältigen, sondern eine | |
nationale Herausforderung.“ | |
Ehrliche Prognosen seien wichtig, um auf Landesebene den Bedarf an | |
Erstaufnahmeplätzen und Haushaltsmitteln realistisch planen zu können, | |
sagte Studt. Realistische Annahmen benötigten aber auch die für die | |
anschließende Unterbringung verantwortlichen Kommunen. | |
## 20.000 statt 10.000 Menschen | |
Schleswig-Holstein erwartet nach dem Vergleich der Zugangszahlen seit | |
Jahresbeginn bis zu 20.000 neue Asylbewerber, nach 7.620 im Vorjahr. Nach | |
der Prognose des Bundesamtes würden auf den Norden nur 10.000 entfallen. Im | |
Januar und Februar kamen 2.349, 228 Prozent mehr als vor Jahresfrist, im | |
März schon rund 500. Nach den Erfahrungen der Vorjahre steigen die Zahlen | |
im Schlussquartal noch einmal stark. | |
Trotz Personalaufstockung reiche die Kapazität im Bundesamt bei weitem | |
nicht, um die angestrebte Fallbearbeitungszeit von 14 Tagen für die | |
sicheren Zustimmungs- und Ablehnungsfälle zu erreichen, sagte Studt. Im | |
Durchschnitt dauere es viereinhalb bis fünf Monate. | |
Deshalb und wegen zu geringer Erstaufnahmekapazitäten sei es momentan | |
unmöglich, sichere Abschiebefälle gar nicht erst auf die Kommunen zu | |
verteilen. Statt angestrebter sechs Wochen sind die Flüchtlinge 10 bis 14 | |
Tage in der überfüllten Erstaufnahme-Einrichtung in Neumünster - was | |
Integration erschwert und Probleme der Kommunen verschärft. | |
Eine zweite Erstaufnahme-Einrichtung öffnet in Boostedt in einer ehemaligen | |
Kaserne am 1. April, zunächst mit bis zu 50 Flüchtlingen. Bis Ende Mai soll | |
die Zahl auf 350 steigen, maximal werden es 500. „Bei dieser Zusage an die | |
Gemeinde bleibt es auch“, sagte Studt. | |
## Task Force für neue Kapazitäten | |
Mit Bürgermeistern und Hochschulen in Kiel, Flensburg, Lübeck und Heide | |
führt das Ministerium Gespräche über eine Erweiterung der | |
Erstaufnahmekapazitäten auf landeseigenen Hochschul-Flächen oder in der | |
Nähe. „Wir haben dafür eine Task Force gebildet“, sagte Studt. Es werde | |
auch gleich über Nachnutzungsmöglichkeiten zum Beispiel für studentisches | |
oder seniorengerechte Wohnen für den Fall nachgedacht, dass die | |
Flüchtlingszahlen einmal wieder sinken werden. „Ich bin zuversichtlich, | |
dass wir diesen Grundgedanken realisieren können“, sagte Studt. Konkrete | |
Modelle seien noch nicht spruchreif. | |
Zeltunterkünfte soll es laut Studt in der warmen Jahreszeit nur in dem | |
Umfang geben, wie Flüchtlinge dort angemessen betreut werden können. „Wir | |
werden nicht mit einer Zeltstadt auf die grüne Wiese gehen - wenn wir über | |
Zelte reden, sprechen wir über Neumünster.“ | |
Am 6. Mai berät die Regierung auf einer Konferenz mit den Akteuren aller | |
Ebenen darüber, wie die Flüchtlinge bei steigenden Zahlen am besten | |
untergebracht und betreut werden können. An diesem Donnerstag berät darüber | |
der Landtag. 2016 soll eine Bestandsaufnahme folgen. | |
18 Mar 2015 | |
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