| # taz.de -- Rechtsextremes Treffen in Russland: Des Kremls neue Freunde | |
| > Vertreter faschistischer und nationalistischer Parteien aus ganz Europa | |
| > kamen zum „Internationalen Russischen Konservativen Forum“ in Petersburg. | |
| Bild: Es gab wenig GegendemonstrantInnen. Und die wurden recht schell und unsan… | |
| MOSKAU taz | Den Zutritt zum „Internationalen Russischen Konservativen | |
| Forum“ im Hotel Holiday Inn in Sankt Petersburg regeln bunt uniformierte | |
| Kosaken, die stattliche schwarze Lederpeitschen in den Händen halten. Das | |
| verleiht der Veranstaltung einerseits folkloristisches Kolorit – und steht | |
| gleichzeitig für traditionelle russische Wehrbereitschaft. Schließlich ist | |
| das übergeordnete Thema des Treffens: Auf der Hut sein gegen liberale | |
| Einflüsse aus den USA und Europa. | |
| Rund 300 Vertreter rechtsextremer und faschistischer Parteien aus Europa | |
| waren anwesend – ausgerechnet in Sankt Petersburg. Dabei trägt das | |
| ehemalige Leningrad die Auszeichnung „Heldenstadt“, weil es im Zweiten | |
| Weltkrieg 900 Tage der Blockade der nazideutschen Armee widerstand. | |
| Hunderttausende gingen damals zugrunde. Das Gedenken daran ist ständig und | |
| überall präsent. Im Mai feiert Russland in großem Stil den 70. Jahrestag | |
| des Sieges über Hitlerdeutschland, der in der Ära Putin zur nationalen | |
| Leitidee aufgebaut wurde. | |
| Wer sich diesem Thema nicht mit dem erforderlichen Respekt nähert, muss mit | |
| Konsequenzen rechnen. Anfang 2014 fragte der oppositionelle TV-Kanal | |
| „Doschd“, ob eine Kapitulation Leningrads nicht auch vertretbar gewesen | |
| wäre, um Leben zu retten. Ein Sturm der Entrüstung brach los, | |
| Veteranenverbände machten mobil – und der Sender verlor seine Frequenzen. | |
| Das Konservative Forum dagegen erzeugte kaum Widerspruch. Zwar gab es in | |
| der Bevölkerung auch vorsichtigen Widerspruch gegen den Aufmarsch der | |
| extremen Rechten in der Stadt an der Newa: Eine Handvoll junge | |
| Antifaschisten trommelte vor dem Hotel – und wurde von der Polizei | |
| festgenommen. Ein paar ältere Bürger demonstrierten mit handgemalten | |
| Pappschildern: „Faschisten nehmen Petersburg ein“. „Erst haben wir ihnen | |
| widerstanden, jetzt laden wir sie ein“, meinte kopfschüttelnd eine ältere | |
| Kommunistin. | |
| ## Gute und böse Faschisten | |
| Doch Russland hat inzwischen eine andere Agenda: Es kämpft gegen den | |
| vermeintlichen Faschismus in der Ukraine – und schmiedet gleichzeitig | |
| Bündnisse mit faschistischen Parteien in Europa. Dieser Logik zufolge gibt | |
| es gute und böse Faschisten. Die guten ziehen mit Moskau, das eine | |
| Internationale der Reaktion errichten möchte. Das Ziel ist die Zersetzung | |
| der EU. | |
| Eine „virtuelle Komintern“, nannte das Oleg Ignatow, ein Kreml-naher | |
| Beobachter. Russland sei wegen Sanktionen und Isolation gezwungen, „sich | |
| nach neuen politischen Möglichkeiten umzuschauen“. Neben propagandistischen | |
| Zielen könnte dieser „Club von Freunden“ auch „Druck auf die europäische | |
| Regierungen ausüben, um deren Kurs zu korrigieren“. | |
| Zu den neuen Freunden Russlands gehören Leute wie Udo Voigt von der | |
| deutschen NPD oder Nikolaos Michaloliakos, der gerade aus der Haft | |
| entlassene Parteichef der Goldenen Morgenröte aus Griechenland. Nicht | |
| angereist waren Verteter der FPÖ und Marine Le Pen vom Front National, die | |
| sonst enge Kontakte zu den Organisatoren der Konferenz unterhält. | |
| Dafür trat Alexander Kofman auf, der „Außenminister“ der selbsternannten | |
| „Donezker Volksrepublik“ in der Ostukraine. Deren Unterstützung gegen die | |
| „Junta“ in Kiew war einer der wesentlichen Punkte, der auch in die | |
| Abschlussresolution aufgenommen wurde. Von nun an sollen solche Treffen | |
| jährlich stattfinden. Das wird die Aufgabe eines international | |
| zusammengesetzten Gremiums sein. | |
| ## „Starkes Europa“ | |
| Die Initiative zur Konferenz ging von der Petersburger Organisation der | |
| Partei Rodina (Heimat) aus, deren Vorsitzender Juri Ljubomirski das Forum | |
| eröffnete: „Die Politik der Nato zielt darauf ab, aus Europa ein Land der | |
| Dritten Welt zu machen. Wir wollen aber ein starkes Europa. Wir kämpfen | |
| gemeinsam gegen einen gefährlichen Feind“, so Ljubomirski mit Blick auf die | |
| USA. | |
| „Rodina“ ist eine chauvinistische und ausländerfeindliche Partei, die im | |
| rot-braunen politischen Spektrum angesiedelt ist. Ihr Gründer Dmitri | |
| Rogosin hatte in den nuller Jahren vom Kreml den Auftrag erhalten, den | |
| Kommunisten Stimmen abzujagen. Dabei war er so erfolgreich, dass die | |
| Obrigkeit ihn aus dem Verkehr zog und als Russlands Emissär zur Nato nach | |
| Brüssel entsandte. | |
| Zurzeit dient der Sohn eines Generals dem Kreml als stellvertretender | |
| Ministerpräsident. Er ist ein leidenschaftlicher Gegner des westlichen | |
| Zivilisationsmodells, lehnt Pluralismus und offene Gesellschaften strikt ab | |
| und träumt davon, das Russische Imperium wiederzuerrichten. | |
| Weder der Gouverneur von Petersburg noch andere Vertreter der politischen | |
| Führung nahmen zum Konvent der Faschisten an der Newa Stellung. Juristisch | |
| gäbe es dafür auch keinen Grund. Doch Extremisten in der „Heldenstadt“ si… | |
| ein sensibles Thema. Eine Duldung von höchster Stelle muss vorgelegen | |
| haben, sonst hätte es sicherlich geheißen: „No pasarán!“ Ein | |
| Duma-Abgeordneter, der als Mitorganisator auftrat, blieb der Veranstaltung | |
| mit der Entschuldigung fern, er müsse in die umkämpfte Ostukraine. | |
| ## Hybride Zersetzungstaktik | |
| Berührungsängste gibt es keine – doch der Schulterschluss soll im Vagen | |
| bleiben. Am Konzept wird sich nichts ändern: Vernetzung der radikalen | |
| Rechten und Linken ist Teil jener hybriden Zersetzungstaktik, mit der | |
| Russland „Gay-ropa“ in die Knie zwingen will. Der „Antifaschismus“ des | |
| Kreml, schreibt der Oppositionsabgeordnete im Petersburger Parlament Boris | |
| Wischnewski, sei „ausschließlich für den Export“ gedacht. Genauso wie das | |
| Selbstbestimmungsrecht à la Krim. | |
| „Es gibt mittlerweile innenpolitisch einen Wettbewerb, wer mit den | |
| Ultrarechten zusammenarbeitet“, meint der russische | |
| Rechtsextremismusexperte Alexander Werchowski. Deren Aktivitäten sind | |
| sprunghaft gegenüber den 90er Jahren gestiegen. Früher hätten sich | |
| Ultrarechte an Stadträndern versammelt oder im Ausland, heute mitten in der | |
| „nördlichen Hauptstadt“. | |
| 24 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus-Helge Donath | |
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