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# taz.de -- Prozess gegen Goldene Morgenröte: Alles für den Führer
> Laut Anklage handelt es sich bei der griechischen Partei um eine
> kriminelle Vereinigung. Nun wurde der Prozess kurz nach dem Auftakt
> verschoben.
Bild: Huldigen ihrem Führer: Griechische Nazis von der Goldenen Morgenröte
ATHEN taz | Man würde lachen, wenn es nicht so schrecklich wäre: Stolz und
grimmig posiert Christos Pappas, Chefagitator der Partei Goldenen
Morgenröte (Chrysi Afgi), in Militäruniform und zeigt den [1][Hitlergruß
vor einer riesigen Hakenkreuzflagge]. Das Motiv gibt es in vielen
Variationen. Sie stammen vermutlich aus der Privatsammlung des rechten
Pöblers und kursieren im Internet. Andere Bilder zeigen Pappas mit goldenem
Plastikadler, Pappas in vertrautem Beisammensein mit Parteichef Nikos
Michaloliakos, Pappas mit seinem kleinen Sohn, der den Hitlergruß eifrig
nachmacht. Und durchtrainierte Männer beim militärischen Drill. Sie
marschieren im Gleichschritt, absolvieren Schießübungen, simulieren
Hinrichtungen.
Über 10.000 Fotos und 900 Videos mit belastendem Beweismaterial sollen den
Strafbehörden in Griechenland vorliegen. Darauf hat die Staatsanwaltschaft
ihre Anklage aufgebaut, die lautet: Mitgliedschaft in einer kriminellen
Vereinigung. Dafür drohen den insgesamt 69 Angeklagten der Goldenen
Morgenröte bis zu zehn Jahre Haft; in Tateinheit mit weiteren Delikten, die
ebenfalls Gegenstand des aktuellen Gerichtsverfahrens sind, vielleicht
sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe.
1993 gründete der Mathematiker Nikos Michaloliakos den „Volksverband
Goldene Morgenröte“ und taumelte zunächst in Richtung politischer
Bedeutungslosigkeit. Bei der Parlamentswahl 1996 bekamen die Rechtsextremen
nur 0,07 Prozent der Stimmen. Der Durchbruch kam bei der Kommunalwahl 2010,
als Michaloliakos mit 5,3 Prozent der Stimmen in den Athener Stadtrat
einzog und gleich am ersten Arbeitstag seine neuen Kollegen mit dem
Hitlergruß provozierte.
Über das Innenleben der rechtsextremen Schlägertruppe ist nur wenig
bekannt. Insider-Informationen lieferte immerhin Parteiaussteiger Nikos
Koussoumvris in einem Buch, das vor elf Jahren erschien. Dort berichtet der
einstige Vizechef und Kassierer der Rechtsextremen von einer straff
geführten Organisation, die den deutschen Nationalsozialismus zelebriert
und alles dem „Führer“, nämlich Michaloliakos, unterordnet.
## Blinder Gehorsam verlangt
„Er war das übergeordnete Wesen, sein Wort war uns Befehl. Er verlangte
blinden Gehorsam. Sollte ihn jemand in Frage stellen, dann war es unsere
Aufgabe, den Abweichler einzuschüchtern und ihn dadurch zur Vernunft zur
bringen“, erinnert sich der Parteiaussteiger.
Doch warum war Koussoumvris überhaupt den Neonazis beigetreten? Die Antwort
gab er 2004 in einem Interview mit der Tageszeitung Ta Nea: „Mit 17 Jahren
war ich in eine Clique geraten, die alle Träume meiner Jugend verwirklichen
konnte, das dachte ich mir jedenfalls in diesem Alter.“ Seitdem er die
Goldene Morgenröte verlassen hat, begegnet er Michaloliakos, seinem
einstigen Idol, mit böser Ironie: „Führerchen“ nennt er ihn heute.
Manchmal kommt die rechte Gewalt schleichend daher. Wie etwa im September
2012, als Mitglieder der Goldenen Morgenröte einen Volksmarkt im Athener
Vorort Rafina besuchten und in Polizeimanier ausländische Verkäufer nach
ihren Papieren fragten – wohl wissend, dass viele dieser Menschen schwarz
beschäftigt und mit Hungerlöhnen bezahlt werden. Fast schon freundlich
verhielten sich die Möchtegern-Ordnungshüter bei ihrer ersten „Inspektion“
am Marktplatz, doch wenig später kamen die Schlägertruppen zurück und
zerstörten Verkaufsstände von Migranten, die keine Genehmigung hatten.
## Netz der extremen Rechten
Eine ähnliche „Aktion“ wurde wenig später in der westgriechischen Stadt
Mesolonghi durchgeführt. „Wir haben für Ordnung gesorgt“, kommentierte da…
ein Parteimitglied. Unglaublich, aber wahr: Der Verband der Kleinverkäufer
gratulierte den Schlägertruppen auch noch zu dieser „Inspektion“.
Bei aller nationalistischer Gesinnung versucht die Partei auch Kontakte zu
Gleichgesinnten in aller Welt zu pflegen. Dem Vernehmen nach sind
griechische Rechtsextreme gern gesehene Gäste bei der italienischen
neofaschistischen Organisation Forza Nuova. 2005 versuchte die Goldene
Morgenröte, einen internationalen rechtsextremen Sommercampus in
Griechenland zu organisieren, an dem auch die NPD teilnehmen sollte. Die
damals regierenden Konservativen untersagten die kuriose „Internationale
der Nationalisten“ im letzten Moment.
Dafür lud Michaloliakos vermutlich 2013 Gleichgesinnte aus Deutschland ins
griechische Parlament: In einem entsprechenden Foto, das die Tageszeitung
Ethnos ans Licht brachte, erscheint der bullige Parteiführer im
freundlichen Beisammensein mit zwei sportlich gekleideten Herren aus
Bayern, die laut Presseberichten [2][Mitglieder der Rechtsgruppierung
„Freies Netz Süd“] waren. Die Goldene Morgenröte hat dies allerdings
dementiert und erklärt, es handle sich lediglich um Journalisten aus
Deutschland, die um einen Interviewtermin mit der Parteiführung gebeten
hätten.
In den letzten Monaten strebt die Goldene Morgenröte anscheinend nach einem
sachlichen Profil. Eine Kostprobe liefert ihre Abgeordnete Despina Sevroni
mit ihren Plädoyers für die Menschenrechte und gegen Rassismus – wobei die
eloquente Juristin diese Begriffe nach Gutdünken interpretiert, um ihre
Kritiker zum Schweigen zu bringen. Laut Ta Nea verfolgen die griechischen
Rechtsextremen ein einfaches Prinzip: den französischen Front National
nachzuahmen.
20 Apr 2015
## LINKS
[1] http://de.euronews.com/2014/06/25/hitlergruae-und-hakenkreuze-rechtsextreme…
[2] /!124076/
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
## TAGS
Griechenland
Goldene Morgenröte
Nazis
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