# taz.de -- Protest gegen Fracking: Erste Umweltbewegung in der Sahara | |
> Der Weltmarktpreis für Erdgas ist gesunken. Der algerische Präsident will | |
> den Verlust ausgleichen – mit Fracking. Das treibt die Menschen auf die | |
> Straße. | |
Bild: Nicht nur in Venezuela sind die Menschen gegen Fracking. | |
MADRID taz | So etwas hat Algerien noch nicht gesehen. Seit dem | |
Jahreswechsel gehen täglich tausende Menschen in In Salah – mitten in der | |
Sahara – gegen ein Frackingprojekt auf die Straße. Es ist die erste große | |
Umweltbewegung im nordafrikanische Land, das hauptsächlich von Öl- und | |
Gasexporten lebt. 70 Milliarden Dollar sollen investiert werden, um dem | |
Schiefergestein das dort eingelagerte Erdgas zu entlocken. Die Anwohner | |
fürchten um ihr wertvollstes Gut: das Grundwasser. | |
Algerien verfügt rund um das 1.300 Kilometer südlich von Algier gelegene In | |
Salah über das drittgrößte Vorkommen an Schiefergas weltweit. Studien der | |
staatlichen Öl- und Gasgesellschaft Sonatrach zufolge liegt das | |
nordafrikanische Land damit direkt hinter China und Argentinien – also noch | |
vor den USA, wo seit Jahren Fracking betrieben wird. | |
Fracking ist ein Verfahren, mit dem sich Erdgas aus undurchlässigem Gestein | |
lösen lässt. Dazu wird erst bis zu fünf Kilometer in die Tiefe gebohrt, | |
dann horizontal in das Schiefergestein. Um das Gestein zu sprengen, wird | |
unter enormem Druck Wasser, versetzt mit Sand und chemischen Mitteln, in | |
das Gestein hineingepresst. Dadurch wird das Gas frei. | |
Mit dem Wasser, das in eine einzige Bohrung gepumpt wird, können 500 | |
Menschen ein Jahr lang versorgt werden. 5 bis 10 Hektar | |
landwirtschaftlicher Anbaufläche können damit bewässert werden. Und selbst | |
die mit den Bohrungen beauftragte französische Firma Schlumberger hat | |
zugegeben: Die Grundwasserschicht, die von Algerien bis nach Tunesien und | |
Libyen reicht, könnte durch die hochgiftigen, chemischen Zusatzstoffe | |
kontaminiert werden. | |
Eine hauseigene Studie zeigt, dass bei 5 Prozent aller Bohrungen in der | |
Förderphase Wasser mit Chemikalien entweicht. Die Hälfte aller Bohrungen | |
werden in den ersten 15 Jahren nach der Stilllegung undicht. | |
## Camp der Gegner | |
„Wir sind keine Versuchskaninchen“, beschwert sich die Sprecherin der | |
Protestbewegung Fatiha Touni. Die Frackinggegner haben im Januar ein Camp | |
mit dem Namen „Widerstand“ errichtet. Anfang März setzte die Gendarmerie | |
dort Tränengas gegen Frauen und Kinder ein. | |
„Alle Energiequellen sind ein Geschenk Gottes, egal ob konventioneller Art | |
oder nicht, und es ist unsere Pflicht, sie für die Entwicklung des Landes | |
zu nutzen“, verteidigte sich der altersschwache algerische Präsident | |
Abdelaziz Bouteflika, als die Proteste begannen. | |
Sonatrach hat Lizenzen an die US-Firma Halliburton und an die französische | |
Total vergeben. Algerien ist bereits heute der drittwichtigste | |
Erdgaslieferant für Europa. Mittels Fracking sollen die Liefermengen | |
ausgebaut werden, um so den Preisverfall wettzumachen. | |
Die Frackinggegner überzeugen diese wirtschaftlichen Argumente nicht. Denn | |
ein Großteil des Öl- und Gasreichtums versickere seit jeher in der | |
Korruption. Auch das Argument, die Ausbeutung der Schiefergasvorkommen | |
werde Arbeitsplätze schaffen, zieht nicht. „Sie versprechen uns schon seit | |
50 Jahren Arbeitsplätze für die Region“, klagt Touni. Geschehen sei bisher | |
aber noch nichts. | |
In mehren algerischen Städten zeigen Menschen ihre Solidarität mit den | |
Bewohnern von In Salah: Vertreter verschiedener Oppositionsgruppen haben | |
das Camp „Widerstand“ besucht. Mittlerweile hat zwar die Armee den | |
Frackinggegnern ein Ultimatum zum Verlassen des Camps gestellt. Doch sie | |
sind immer noch da. | |
25 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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