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# taz.de -- G7-Gipfel in Lübeck: Keine Zeugen, keine Notfallvorsorge
> Beim G7-Gipfel soll es keine Demobeobachter mit besonderer
> Bewegungsfreiheit geben. Und die Uniklinik bemängelt die schlechte
> Vorbereitung für Notfälle.
Bild: Das Holstentor in Lübeck kann jeder jederzeit ohne Genehmigung beobachte…
HAMBURG taz | Drei Wochen vor dem G7-Gipfel der westlichen Industriestaaten
in Lübeck ist offenbar klar, dass Landtagsabgeordnete aus
Schleswig-Holstein und Bürgerrechtler der Humanistischen Union rund um den
hermetisch abgeriegelten Tagungsort der Außenminister keinen Sonderstatus
bekommen. Das hat die Einsatzleitung der Lübecker Polizeidirektion dem
Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, Patrick Breyer, mitgeteilt.
Der Politiker hatte versucht, zum Zwecke der Dokumentation von
Rechtsverstößen unabhängigen Demonstrationsbeobachtern während des Gipfels
am 14. und 15. April Bewegungsfreiheit einzuräumen. Doch damit war er
vergangene Woche im Landtagsinnenausschuss am Allparteien-Veto gescheitert.
In ihrem Brief an Breyer schreibt die Einsatzleitung der Polizei,
Abgeordnete könnten nach dem Besuch der polizeilichen
Informationsveranstaltungen die Möglichkeit bekommen, mit polizeilicher
Begleitung das „Geschehen im Einsatzraum“ zu beobachten und dazu auch
„polizeiliche Absperrungen möglichst ungehindert passieren“. Die
polizeiliche Begleitung diene dem eigenen Schutz. Außerdem könnten die
Begleiter „Erläuterungen zu den Einsatzsituationen und damit verbundene
polizeiliche Handlungen geben“. Insgesamt wird das Angebot als
„einsatzbegleitende Öffentlichkeitsarbeit“ der Polizei eingeordnet.
„Eine unabhängige Demonstrationsbeobachtung ersetzt diese 'Embedded
Demobeobachtung' nicht“, kritisiert Breyer. Demonstrationsbeobachtung diene
nicht der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit, sondern der unabhängigen
Dokumentation von Rechtsverletzungen. Es sei zu befürchten, dass der von
der Polizei angekündigte „größtmögliche Schutz vor eventuell gefährlichen
Situationen“ den Kontakt von Abgeordneten zu Demonstranten einschränken
könnte. „Gerade in 'gefährlichen Situationen' ist doch eine unabhängige
Beobachtung des Geschehens am wichtigsten“, so Beyer.
## Intervention angekündigt
Laut Breyer hat das Kieler Innenministerium auch der Humanistischen Union
besondere Zugangsrechte zwecks Dokumentation verweigert, da Polizisten bei
ihrem unmittelbaren Handeln vor Ort keine Video- oder Fotoaufnahmen außer
Übersichtsaufnahmen dulden müssten. Aus Breyers Sicht falsch, da die
Abbildung von Polizisten im Rahmen einer Demonstration gesetzlich zulässig
sei, solange nicht gezielte Fotoaufnahmen einzelner Beamter erfolgen.
Breyer kündigte eine Intervention an.
Unterdessen gibt es auch einen Hilferuf des Uniklinikum Schleswig Holstein
(UKSH) in Lübeck, dass die Kliniken auf eine medizinische Versorgung für
eine Großeinsatzlage nicht vorbereitet seien.
In einem Brandbrief an den schleswig-holsteinischen Innenminister Stefan
Studt (SPD) [1][bemängelt UKSH-Chef Jens Scholz] laut shz.de, dem
Onlineauftritt des „Schleswig-holsteinischen Zeitungsverlags“, dass die
medizinische Versorgung für einen „Großschadensfall“ nicht ausreichend
geregelt sei. Lediglich das Bundeskriminalamt (BKA) sei an das UKSH
herangetreten und habe auf die Ausnahmesituation hingewiesen, jedoch
einschränkend erklärt, dass es nur für den Personenschutz der Delegationen
zuständig sei und im Notfall das Uniklinikum in Anspruch nehmen werde. Für
Verletzte aufgrund von Protesten sei das BKA nicht zuständig. Dafür seien
wohl primär private Kliniken vorgesehen.
„Im Hinblick auf die kürzlich stattgefundenen Eskalationen der
Demonstrationen in Frankfurt erscheint uns eine gemeinsame Vorbereitung der
Notfallversorgung erforderlich“, schreibt Scholz. Zwar werde eine
europaweite Unterstützung der Proteste wie gegen die Eröffnung der
Europäischen Zentralbank nicht erwartet, dennoch sei auch in Lübeck mit
mehreren Tausend Demonstranten zu rechnen, weshalb das Gipfeltreffen auch
durch 3.500 Polizeibeamte abgesichert werde.
## „Das macht nicht der Minister“
Es ist laut Scholz bislang unklar, ob Rettungspersonal der Lübecker
Kliniken „im Fall eines Großschadensereignisses“ die Straßensperren
passieren dürfen. Auch ob zusätzliche OP-Kapazitäten bereitgestellt werden
müssen, sei bis heute nicht besprochen. Weil sich mit Ausnahme des offenbar
nicht zuständigen BKA niemand kümmere, habe sich das Uniklinikum bislang
lediglich auf einen reibungslosen Ablauf des hausinternen Notfallplans bei
Großschadensfällen vorbereiten können.
Das Kieler Innenministerium wies die Kritik und Zuständigkeit von sich. Die
ganze Vorbereitung liege in der Hand der Polizei in Lübeck. „Dafür haben
wir unseren Apparat, das macht nicht der Minister“, sagte Sprecher Thomas
Giebeler shz.de. Insofern habe Studt auch „keinerlei Veranlassung, in den
Vorgang korrigierend einzugreifen“. Der Gesundheitspolitiker der Piraten im
Landtag, Wolfgang Dudda, zeigte sich entsetzt über den Vorgang. „Klinikchef
Scholz wird der Verantwortung besser gerecht als der Innenminister. Das ist
ein Trauerspiel.“
28 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.shz.de/schleswig-holstein/panorama/kein-medizinischer-notfallpla…
## AUTOREN
Kai von Appen
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