# taz.de -- G7-Außenministertreffen in Lübeck: Besonnen blockieren | |
> Polizei und Innenpolitiker befürchten in Lübeck Szenen wie bei den | |
> Blockupy-Protesten. Die G7-Gegner hingegen kündigen friedliche Blockaden | |
> an. | |
Bild: Ganz ohne Krawall: Nachttanzdemo gegen das Treffen am Montag. | |
LÜBECK taz | So viel Zeit muss sein: Bevor Martin Schäfer, Sprecher des | |
Auswärtigen Amtes, erläuterte, worüber die Vertreter der mächtigsten | |
Staaten der Welt ab heute in Lübeck beraten, kam er auf Günter Grass zu | |
sprechen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei „bestürzt“ weil | |
„ausgerechnet am Vortag eines Zeitpunkts an dem die Welt auf Lübeck blickt, | |
einer der großen Söhne der Stadt verstirbt“, sagte Schäfer. | |
Schon zu Lebzeiten war Grass der Hausheilige der Hansestadt, doch von | |
Bestürzung war dort am Montagabend nicht viel zu spüren. Mit einem die | |
ganze Innenstadt beschallenden Techno-Zug mühten sich die Gipfelgegner | |
vielmehr um Partystimmung. „Feiern gegen die Traurigkeit des Kapitalismus“ | |
war das Motto ihres Demo-Warm-Ups gegen das Außenministertreffen. | |
Aufgerufen hatten unter anderem Attac, die Linkspartei, die Grüne Jugend | |
und die Interventionistische Linke. | |
Rund 600 Menschen zogen seit dem späten Nachmittag in einer Parade durch | |
die Stadt, darunter viele Schüler und aus Hamburg angereiste Demonstranten. | |
Der Öffentliche Nahverkehr war eingestellt, Passanten gab es wenige. Das | |
Stadtbild dominierten vor allem Polizeihundertschaften an fast jeder Ecke | |
der Innenstadt. | |
„Wir sind die europäische Commune“, sagte ein Redner der | |
Interventionistischen Linken. Wenn die Außenminister über | |
Sicherheitspolitik, Weltwirtschaft, Klima oder Entwicklung sprechen, käme | |
nie etwas Gutes dabei heraus, hieß es in einer Erklärung der Gruppe: | |
„Neoliberale Wirtschaftspolitik, Militarisierung und Krieg, Ausbeutung der | |
Arbeitenden und Umweltzerstörung.“ | |
## Lawrow kommt nicht mit nach Lübeck | |
Ihre Berechtigung zur Entscheidung über globale Fragen zögen die G7 „allein | |
aus ihrer ökonomischen, politischen und militärischen Vormachtstellung“. | |
Damit seien sie eine „undemokratische Institution ohne jede Legitimation“. | |
Ein Teil der Außenminister weilte zur gleichen Zeit noch im Gästehaus des | |
Auswärtigen Amtes in der Villa Borsig in Berlin-Tegel. Steinmeier hatte | |
seine Kollegen aus Kiew, Moskau und Paris dorthin eingeladen, um die | |
Umsetzung des Minsker Abkommens zur Ukraine-Krise zu beraten. Steinmeier, | |
so sagte sein Sprecher Schäfer, habe sich „gewünscht, eine politische | |
Situation vorzufinden, in der es möglich gewesen wäre, Herrn Lawrow aus der | |
Villa Borsig gewissermaßen gleich nach Lübeck mitzunehmen.“ | |
Doch am 25. März 2014 hatten die anderen Mitglieder des [1][einst als G8 | |
firmierenden Staatenbunds Russland wegen der Krim-Annexion rausgeworfen.] | |
Das müsse nicht für die Ewigkeit gewesen sein, sagte Schäfer: Es sei | |
„überhaupt nicht ausgeschlossen, dass irgendwann auch Russland wieder Teil | |
des dann G8-Prozesses werden wird.“ | |
Vorerst aber bleiben die G7 und die Hohe Beauftragte der Europäischen Union | |
in Lübeck unter sich. Neben der Ukraine Krise soll es in Lübeck um den Iran | |
gehen, der US-Vertreter John Kerry wird von der Atom-Konferenz in Lausanne | |
berichten. Weiterhin wollen sich die Außenminister mit dem Kampf gegen ISIS | |
sowie den Krisen in Jemen und Libyen befassen. | |
## Angst vor Krawallen | |
Steinmeier hat die Ebola-Epidemie auf die Tagesordnung gesetzt, am Mittwoch | |
wollen die Außenminister eine Erklärung dazu vorstellen. Das zweite Thema, | |
das die deutsche G7-Präsidentschaft setzt, ist das der maritimen | |
Sicherheit: Deutschland sei wie keine andere Exportnation abhängig von | |
sicheren Seewegen, sagte Schäfer, und „drei Viertel davon erfolgen auf | |
Routen und in Regionen, deren Lage man im Grunde als kritisch oder heikel | |
einschätzen kann.“ | |
Nach [2][den Blockupy-Krawallen Mitte März] hatten Polizei und | |
Innenpolitiker auch in Lübeck Gewalt prophezeit. Möglicherweise könne es | |
„ähnliche Vorhaben geben wie in Frankfurt“, sagte der Bundesvorsitzende der | |
Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Landtagspräsident Klaus Schlie | |
(CDU) fürchtete, nach Frankfurt müsse man sich „auch in Schleswig-Holstein | |
größte Sorgen machen“. Der Polizeieinsatz während des Gipfels ist der | |
größte in der Geschichte Lübecks. | |
Der DGB sagte gar eine Kundgebung wegen „Sicherheitsbedenken“ ab. Die | |
Gewerkschaften hätten friedlichen Protest gegen das Freihandelsabkommen | |
TTIP geplant, sagte DGB-Regionsgeschäftsführer Andreas Sankewitz. Doch nach | |
Blockupy sei eine „störungsfreie Durchführung nicht mit ausreichender | |
Sicherheit zu gewährleisten“. Andere Gewerkschaften, darunter Ver.di, | |
hatten Sankewitz für diesen Schritt massiv kritisiert. | |
## Kaum Erwartungen an G7 | |
Das Stop G7-Bündnis hatte die Befürchtungen als Panikmache zurückgewiesen, | |
die dazu dienen solle, Menschen von der Beteiligung an den Demos | |
abzuhalten. Am Wochenende bekräftigte es, das G7-Treffen zwar durch | |
Blockaden stören, aber keine Gewalt ausüben zu wollen. Alle im Bündnis | |
„Stop G7“ zusammengeschlossenen Gruppen hätten sich auf einen „besonnenen | |
Protest ohne Eskalation verständigt“, sagte der Sprecher Christoph Kleine | |
am Samstag. [3][Ausschreitungen wie in Frankfurt] solle es nicht geben. | |
Am Montag sprach die Polizei drei Platzverweise aus, es gab zwei Anzeigen | |
wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoff- und | |
Versammlungsgesetz. Der Tag verlief aber friedlich. „Wir haben gezeigt, wie | |
wir uns die Proteste hier vorstellen“, sagte Kleine dazu. Vom Gipfel | |
erwarte er wenig: „Dass sich die Außenminister darauf einigen, etwa ihren | |
Militäretat stark zu reduzieren, um das Geld für den Aufbau der | |
Gesundheitssysteme in Afrika einzusetzen, ist leider unrealistisch.“ | |
Die Proteste gehen heute mit einer dreistündigen Kundgebung ab 14 Uhr in | |
der Lübecker Innenstadt weiter. Für 17 Uhr ist die Hauptdemo angekündigt, | |
mehrere Tausend Menschen werden erwartet. Dazu aber kommt es möglicherweise | |
gar nicht: Erklärtes Ziel der Protestierenden ist es, den Gipfel zu | |
blockieren. Wann genau, das wollen die Demonstranten heute Nachmittag | |
bekannt geben. Viel Zeit bleibt nicht: Morgen Nachmittag reisen die | |
Außenminister wieder ab. | |
14 Apr 2015 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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