| # taz.de -- Kapitalismuskritik von Anthony Atkinson: Heilmittel gegen die Ungle… | |
| > Altmeister Anthony Atkinson schreibt eine Ergänzung zu Thomas Pikettys | |
| > „Kapital“ – und will die dort fehlenden Lösungsvorschläge präsentier… | |
| Bild: Protest gegen Ungleichheit – Gleichheit funktioniert hier immerhin scho… | |
| Auf den Riesenerfolg von Thomas Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ sind | |
| viele aufgesprungen. Jetzt meldet sich der Papst der Ungleichheitsforschung | |
| zu Wort, der britische Wirtschaftsforscher Anthony B. Atkinson. Er bezieht | |
| sich ausdrücklich auf den französischen Kollegen Piketty, reklamiert jedoch | |
| für sich, im Gegensatz zum datenlastigeren und beschreibenden Piketty auch | |
| Lösungen zu präsentieren. | |
| Als alten Sozialdemokraten stört Anthony Atkinson vor allem, dass die | |
| Ungleichheit nicht nur vom immer höheren Einkommen der Reichen herrührt, | |
| sondern von der immer größeren Zahl der Armen in den entwickelten | |
| Gesellschaften. | |
| Vor die Lösungen hat der Autor erst einmal die Bildung gesetzt: die | |
| Grundlagen der volkswirtschaftlichen Ungleichheitsforschung, die Diagnose | |
| der Lage, die problematische Datenlage, wenn es um Reichtum geht. Die | |
| Forschung zeige, so Atkinson, dass zu großer Reichtum Armut mit sich bringt | |
| (Ausnahme: die Schweiz). Und die meistens herangezogene Messgröße Einkommen | |
| sei weniger bedeutend als das, was letztlich für den Konsum zur Verfügung | |
| steht; hier kommen vor allem staatliche Leistungen ins Spiel. | |
| Atkinsons Schlüsse aus der Forschung sind unter anderem: Kriege | |
| verminderten die Ungleichheit weniger als der Sozialstaat. Da steht er | |
| zumindest teilweise im Widerspruch zu Thomas Piketty. Im Zweiten Weltkrieg | |
| etwa näherten sich selbst in den USA die untersten und obersten Löhne an, | |
| denn der Staat regelte den Arbeitsmarkt und stärkte die Gewerkschaften. | |
| Kriegszerstörungen spielten dort keine Rolle. Und danach, in den goldenen | |
| fünfziger und sechziger Jahren, hoben die Toplöhne zwar wieder ab, jedoch | |
| stiegen auch die Haushaltseinkommen der Mittelschicht durch die vermehrte | |
| Frauenerwerbsarbeit. | |
| Entscheidend sei die Rolle des Staats auch in Zeiten des Neoliberalismus: | |
| Welche Technik fördert er; sorgt er dafür, dass es noch Arbeiter in der | |
| Gesellschaft gibt; kann er den Einfluss der Vermögenden eingrenzen? | |
| ## Menschenwürdige Forschung | |
| Schließlich folgen 15 Vorschläge und 5 Ideen. Ein Teil davon liest sich wie | |
| der deutsche Sozialstaat mit konkreteren Zielen. Anderes geht darüber | |
| hinaus: Etwa die Forderung nach einer Forschungspolitik mit dem Zweck, | |
| menschenwürdige Dienstleistungen zu schaffen, schließlich sind die | |
| Forschungsmittel nicht unbegrenzt. Konkrete Ziele zur Reduzierung der | |
| Arbeitslosigkeit; eine auf die Lebenszeit hochgerechnete Steuer auf | |
| Kapitalerträge; eine Art Grundeinkommen und eine garantierte Beschäftigung | |
| beim Staat, wenn gewünscht. | |
| Diese Politik zur Erreichung dieser Ziele muss dabei eine der gesamten | |
| Regierung sein, nicht nur des Sozialministers, so Atkinson. Und es habe ja | |
| auch schon öfters funktioniert, erfolgreiche Politik in diesem Sinne zu | |
| machen. Von Übel seien allerdings oft die fehlende Vorplanung, überhastete | |
| und wenig zielgerichtete Gesetze gewesen. | |
| Die Diskussion der politischen Ziele im Detail auch innerhalb der | |
| Bevölkerung sei wichtig, so Atkinson. Ebenso der daraus folgenden Gesetze. | |
| Denn gegen die Wähler-Konsumenten könnten Mitte-Links-Parteien die | |
| Ungleichheit nicht verringern. | |
| Atkinson erfindet nicht die Sozialpolitik neu in seinem Buch. Aber er zeigt | |
| doch, wie es gehen könnte, auch heutzutage. Das ist ja etwas in | |
| Vergessenheit geraten. Wer also des Englischen genügend mächtig ist für | |
| einen teilweise leicht volkswirtschaftlichen Slang, findet hier ein gutes | |
| Buch. | |
| 25 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Metzger | |
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