| # taz.de -- Künstlerin Christiane Filla über Grundeinkommen: „Die Welt neu … | |
| > Filla will die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen | |
| > voranbringen – mit einem Projekt, das die ganze Stadt einbezieht. | |
| Bild: Berlin demonstriert für das Grundeinkommen, Hamburg vielleicht bald auch. | |
| taz: Wie kamen Sie dazu, sich mit dem Thema Grundeinkommen zu befassen, | |
| Frau Filla? | |
| Christiane Filla: Ich und meine Kollegin Anna Schildt arbeiten als | |
| Künstlerinnen in einem Bereich, der finanziell prekär ist. Aber wir sind | |
| durch unsere Partner finanziell abgesichert – das heißt im Grunde haben wir | |
| ein bedingungsloses Grundeinkommen. | |
| Ist Hamburg ein eher schlechtes Pflaster für das Thema, weil hier zwar Geld | |
| ist, aber auch eine starke Verdienstethik? | |
| Ich denke, dass das Thema hier einerseits perfekt platziert ist, weil | |
| Hamburg als Stadtstaat die Möglichkeit bietet, ein | |
| Grundeinkommensexperiment zu machen, so wie es das etwa in Finnland geben | |
| soll. Andererseits richten sich die HamburgerInnen gern im Schönen ein. Die | |
| Leute aus dieser Komfort-Zone herauszuholen, ist schwierig. Und zugleich: | |
| Wenn man sieht, wie sie sich jetzt für die Flüchtlinge engagieren, tun sie | |
| genau das. Also: ja und nein. | |
| Angelegt ist Ihr Projekt als Kunstprojekt – denkt dann nur ein kleiner | |
| Bohème-Zirkel darüber nach, wie er sich selbst finanziert? | |
| Wir verstehen uns als Kuratorinnen, die Künstler suchen, die anders denken: | |
| Die wenden sich an ein Publikum, das eben nicht nur ihresgleichen ist, | |
| sondern auch an Menschen, die in den bildungsfernen Teilen Hamburgs leben. | |
| Wir denken auch mit, dass vielleicht einige davon gegen das Grundeinkommen | |
| sind. | |
| Und dann? | |
| Das ist herzlich willkommen. Es geht ja nicht darum, für das bedingungslose | |
| Grundeinkommen zu missionieren, sondern darum, darüber nachzudenken. | |
| Deswegen auch der Obertitel: „Was wäre, wenn wir die Welt neu denken?“. Die | |
| künstlerischen Leiter jedes Teilprojekts, sei es in der Zentralbibliothek | |
| oder an der Elbe, sollen nicht nur das Bildungsbürgertum ansprechen, | |
| sondern gezielt auch Leute, die da an der Ecke stehen. | |
| Für Sie selbst ist aber klar, dass ein Grundeinkommen das Leben positiv | |
| verändern würde? | |
| Grundsätzlich ja. Es gibt aber auch den Morgen, an dem ich aufwache und | |
| mich frage: Ist es wirklich eine gute Idee? Welche Dimension hat es, wer | |
| bekommt es: jeder, der hier lebt, jeder Flüchtling – oder nur die mit | |
| deutschem Pass? | |
| Wo enden Sie dann gedanklich? | |
| Vielleicht wird es kein Grundeinkommen, sondern eine andere Wertschätzung | |
| von Arbeit, eine Umverteilung mit höherer Bezahlung für Drecksarbeit. | |
| Damit nehmen Sie den Kritikern den Wind aus den Segeln, die im | |
| bedingungslosen Grundeinkommen das Ende der Arbeitsmoral sehen. | |
| Wir stellen gar nicht die Behauptung auf, es sei wirtschaftlich zu stemmen. | |
| Wir denken nach, was passiert, wenn ich selbstbestimmt entscheide, was ich | |
| tue. Es ist als Grundsicherung gedacht. Und ein Gedanke ist, dass, wer dazu | |
| verdient, nur die Hälfte davon abgeben muss. Das bedeutet dann für die | |
| schlecht bezahlten Klofrauen-Jobs von heute, dass sie mehr bekommen müssen | |
| – sonst finden sich keine Leute dafür. | |
| In Berlin hat man Leute befragt, wofür sie ihr Grundeinkommen ausgeben | |
| würden. Viele würden es Flüchtlingen geben. Könnte man da nicht direkt | |
| Sozialarbeit betreiben? | |
| Ich finde, dass das am Thema vorbeigeht. Da geht es um eine Spende. Das | |
| bedingungslose Grundeinkommen soll nicht spezifisch für Arme sein, sondern | |
| für alle. Wenn man einen Manager mit Burnout-Syndrom befragte, sagte der | |
| vielleicht auch: „Ich würde gerne kürzer treten, aber Teilzeitarbeit geht | |
| in meinem Job nicht.“ Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen könnte er | |
| verschnaufen. Oder ich denke an die Mütter, die fremde Kinder betreuen, um | |
| Geld zu verdienen und die eigenen Kinder deshalb in die Kita geben, obwohl | |
| sie lieber bei ihnen zu Hause blieben. Wie absurd ist das? | |
| 26 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
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| Cristina Kirchner | |
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| Thomas Piketty | |
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