# taz.de -- Kommentar Protest gegen Braunkohle: Wo sind die 99,9 Prozent? | |
> Anders als das Atomthema hat der Kohleprotest kaum größere Massen auf die | |
> Straße gebracht. Ein strukturelles Problem, das sich langsam ändert. | |
Bild: Engagiert, aber nur in kleinen Gruppen: Braunkohle-Protest im Hambacher F… | |
Die Fakten sind eindeutig: Braunkohle ist mit Abstand der | |
umweltschädlichste Energieträger in Deutschland. Beim obertägigen Abbau | |
werden ganze Landstriche zerstört. Beim Verbrennen entstehen Schadstoffe, | |
die jedes Jahr zu mehreren tausend vorzeitigen Todesfällen führen. | |
Braunkohlekraftwerke stoßen pro Kilowattstunde Strom weit mehr | |
klimaschädliches Kohlendioxid aus als Steinkohle- oder Gaskraftwerke. Und | |
zur Ergänzung der schwankenden Einspeisung aus Wind und Sonne sind sie | |
wegen ihrer geringen Flexibilität kaum geeignet. | |
Dennoch war Braunkohle lange Zeit sakrosankt. Egal, wer in | |
Nordrhein-Westfalen und Brandenburg regierte – die Bagger fraßen sich | |
weiter durchs Land; neue Kraftwerke gingen ans Netz. Auch die | |
Bundesregierung traute sich lange nicht an das Thema heran. Erst als klar | |
war, dass die deutschen Klimaziele andernfalls auf keinen Fall zu schaffen | |
sind, hat SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen Vorschlag vorgelegt, | |
der zumindest den ältesten Braunkohlekraftwerken Auflagen macht, die ihre | |
Betriebsdauer ein wenig reduzieren dürften. | |
Doch selbst gegen diesen Plan, der angesichts der Dimension des Problems | |
eher zaghaft erscheint, laufen die betroffenen Bundesländer und die | |
Konzerne RWE und Vattenfall Sturm. Unterstützt werden sie dabei nicht nur | |
von der traditionell kohlefreundlichen Energiegewerkschaft IG BCE, sondern | |
auch von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Für deren Chef Frank | |
Bsirske zählen die 0,1 Prozent seiner Mitglieder, die schätzungsweise in | |
Braunkohlekraftwerken arbeiten, offenbar mehr als die 99,9 Prozent, die | |
unter deren Auswirkungen leiden. | |
Hier zeigt sich ein strukturelles Problem: Während die zahlenmäßig wenigen | |
Arbeiter der Braunkohlebranche gut organisiert sind, waren die Gegner lange | |
Zeit wenig sichtbar. Anders als das Atomthema hat der Kohleprotest kaum | |
größere Massen auf die Straße gebracht, sondern wurde vor allem von | |
engagierten, aber kleinen Gruppen vor Ort getragen. | |
Dass sich das allmählich ändert, ist eine gute Entwicklung. Der | |
Kohleausstieg innerhalb von 15 bis 25 Jahren ist ohne soziale oder | |
wirtschaftliche Verwerfungen möglich und wird von einer breiten Mehrheit | |
unterstützt. Damit sich das auch in politischen Entscheidungen | |
niederschlägt, müssen die Gegner der Kohle endlich ebenso viel Druck | |
aufbauen wie deren Profiteure. | |
9 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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