| # taz.de -- Bergbau-Demo in Berlin: Fernduell um die Kohle | |
| > In Berlin dafür, in Garzweiler dagegen: Zahlenmäßig haben die | |
| > Braunkohle-Freunde den Demo-Wettkampf am Samstag gewonnen. | |
| Bild: Gegen Kohleabgabe: Kumpel demonstrieren in Berlin. | |
| BERLIN taz | Von den Zahlen her war die Sache eindeutig: Während in Berlin | |
| rund 15.000 Gewerkschaftsmitglieder auf die Straße gegangen sind, um für | |
| die Zukunft der deutschen Braunkohle zu demonstrieren, fanden sich im | |
| rheinischen Braunkohlerevier nur etwa 6.000 zusammen, um mit einer 7,5 | |
| Kilometer langen Menschenkette im geplanten Tagebaugebiet Garzweiler ein | |
| Zeichen gegen den klimaschädlichen Energieträger zu setzen. | |
| Entsprechend euphorisch trat in Berlin der Vorsitzende der | |
| Energie-Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, auf. Der Plan von | |
| Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, alte Kohlekraftwerke durch eine | |
| zusätzliche CO2-Abgabe schlechter zu stellen, bedeute „nichts anderes als | |
| den kurzfristigen Ausstieg aus der Braunkohle”. Das werde zum Verlust von | |
| zehntausenden von Arbeitsplätzen und dem „sozialen Blackout ganzer | |
| Regionen” führen, rief Vassiliadis in einem knallroten Overall bei der | |
| Kundgebung vor dem Kanzleramt. „Wir erwarten, dass dieser Plan vom Tisch | |
| geräumt wird.” | |
| Ein noch drastischeres Szenario entwarf der Betriebsratsvorsitzende des | |
| Stromkonzerns Vattenfall, Frank Heinze. Nach dem Krieg hätten die | |
| Amerikaner mit dem sogenannten Morgenthau-Plan erwogen, Deutschland „zum | |
| Agrarstaat zu machen”, sagte Heinze - und fügte im Hinblick auf die | |
| Kohle-Pläne der Regierung hinzu: „Nun sind wir auf dem Weg dorthin.” Bei | |
| den Teilnehmern, die in Bussen vor allem aus Nordrhein-Westfalen und der | |
| Lausitz angereist waren, sorgte diese Polemik für Begeisterung. | |
| Nicht minder kämpferisch ging es im nordrhein-westfälischen Dorf Immerath | |
| zu, das dem Braunkohle-Tagebau zum Opfer fallen soll. Dort hatten sich die | |
| Teilnehmer der Anti-Kohle-Kette im Anschluss einer Kundgebung versammelt. | |
| „Das, was hier passiert, das ist ein Verbrechen”, rief Christoph Bautz vom | |
| Aktionsnetzwerk Campact den Menschen dort zu. „Ein Verbrechen an unserer | |
| Landschaft, am Klima auf unserem Planeten und an künftigen Generationen.” | |
| Auch Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz in | |
| Nordrhein-Westfalen forderte: „Wir müssen die alten Kohlekraftwerke sofort | |
| schließen. Anders sind die Klimaschutzziele nicht zu erreichen.” | |
| ## Zukunft ohne Steinzeittechnologie | |
| An beiden Orten nahmen die Redner Bezug auf die Gegenveranstaltungen. | |
| „Lieber Herr Vassiliadis, wachen Sie endlich auf”, sagte Christoph Bautz in | |
| Immerath. „Gaukeln Sie Ihren Mitgliedern nicht weiter vor, alles könne so | |
| bleiben wie es ist. Die Kohleverstromung, die ist ein Relikt aus dem | |
| letzten Jahrhundert. Die Zukunft gehört nicht einer Steinzeittechnologie. | |
| Die Zukunft ist erneuerbar, sie gehört Sonne und Wind!" Vassiliadis ging | |
| seinerseits mit den Kritikern der Kohle hart ins Gericht: „Wir lassen uns | |
| von ein paar gut bezahlten Propheten keinen Sand in die Augen streuen”, | |
| rief er. | |
| Während sie bei den Teilnehmerzahlen überlegen waren, konnten die | |
| Gewerkschaften argumentativ weniger punkten. Seine Aussage aus einem Flyer | |
| zur Demonstration, dass Gabriels Pläne insgesamt 800.000 Arbeitsplätze | |
| bedrohten, wiederholte IG BCE-Chef Vassiliadis am Samstag nicht. Doch auch | |
| für die 100.000 Arbeitsplätze, die wiederholt angesprochen wurden, blieb | |
| die Gewerkschaft weiter konkrete Belege schuldig. Eine aktuelle Studie des | |
| Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss, dass im Braunkohlesektor maximal | |
| 4.700 Jobs bedroht sind. Zudem würden in anderen Kraftwerken dadurch neue | |
| Arbeitsplätze entstehen. | |
| Auch in der Bevölkerung findet die Gewerkschaft mit ihrem Festhalten an der | |
| Braunkohle-Verstromung nur wenig Unterstützung: In einer repräsentativen | |
| Umfrage, die Campact und die Umweltstiftung WWF in Auftrag gegeben hatten, | |
| unterstützten 73 Prozent der Befragten Gabriels Plan, die ältesten | |
| Kohlekraftwerke mit einer zusätzlichen Abgabe zu belasten. Selbst in den | |
| betroffenen Regionen trägt demnach eine Mehrheit das Vorhaben mit. | |
| 25 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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