# taz.de -- Kunst und Aktivismus gegen Pegida: Dumpf, dumpfer, Dresden | |
> Das Image ist angekratzt. Aber vielleicht geht es gut aus für die Stadt. | |
> Kunst, Kultur und Wissenschaft vertreten Dresden international. | |
Bild: Pegida hat Dresdens Image geschädigt. Es gibt inzwischen viele, die das … | |
DRESDEN taz | Es ist noch da, Pegida. Schwächelnd zwar, mit meist kaum mehr | |
als zweieinhalbtausend Meckerern. Am heutigen Montag aber erwarten die | |
Veranstalter bis zu 30.000 Teilnehmer, weil der niederländische | |
Rechtspopulist Geert Wilders dort sprechen wird. | |
Ob es noch dumpfer wird als vergangene Woche? Dank der Touristen waren am | |
Ostermontag etwa 7.000 Menschen bei Pegida und zeigten Plakate, auf denen | |
die Kanzlerin mit Schweinsohren und Schweinsfüßen als „Bundesferkel“ zu | |
sehen war oder in Naziuniform mit Armbinde vor roter Fahne, wo das | |
Hakenkreuz durch das Eurozeichen ersetzt wurde. Die anständigsten | |
Pegida-Vertreter drangen in die Kreuzkirche ein und wollten Superintendent | |
Christian Behr persönlich „die Kehle durchschneiden“, weil sie das | |
Glockengeläut störte. | |
Doch so irre diese Leute sind, Dresden ist nicht nur Hauptstadt der | |
„Bewegung“. Dresden ist die Stadt der Kontraste. Fast 5.000 Leute kamen im | |
März zur Bürgerkonferenz ins Kongresszentrum. Ende Januar erlebte der | |
Neumarkt vor der Frauenkirche mit 25.000 Gästen ein kleines Woodstock für | |
Toleranz und Mitmenschlichkeit. Dahinter stehen der Verein „Dresden – Place | |
to be“ und das Bündnis „Dresden für alle“. | |
Mehrere öffentliche Kunstaktionen setzten ähnliche Zeichen. Am Kulturpalast | |
erinnert ein riesiges Transparent mit einem Schiller-Zitat die | |
Pegida-Demonstranten gegenüber an die Würde des Menschen. Im Stadtteil | |
Löbtau kümmern sich 150 Bürger um 40 Asylsuchende. | |
## Das unkaputtbare Florenz | |
Gespalten aber ist nicht nur die Stadt selbst, sondern auch ihre | |
überregionale Wahrnehmung. Touristen lassen sich von der Reisewarnung des | |
US-Außenministerium nicht beeindrucken, ihre Zahl ist in den Pegida-Monaten | |
nicht gesunken. Der Reiz des von Herder 1802 so genannten „Deutschen | |
Florenz“ scheint unkaputtbar. | |
Aber wer sich beispielsweise auf der Leipziger Buchmesse umhörte oder | |
Freunde jenseits der Freistaatsgrenze kontaktiert, der erfährt, dass der | |
Ruf der Stadt gelitten hat. Hartnäckige Ressentiments leben im Westen | |
wieder auf – gegenüber den Ossis, den Sachsen und den Dresdnern | |
insbesondere: Einfältig, „ä Häppchen doof“, verschlagen, autoritätsglä… | |
Auch Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Dresden Marketing GmbH, muss | |
kämpfen. Es gelte, jetzt vor allem im Inland verstärkt zu informieren und | |
aufzuklären, dass das Pflaster in Dresden nicht generell gefährlicher | |
geworden sei, sagt sie. Bis auf einen aus anderen Gründen abgesagten | |
Kongress werden aber alle 18 geplanten wissenschaftlichen Kongresse mit | |
11.000 Teilnehmern stattfinden. „Wir registrieren auch kein Nachlassen beim | |
Nachfragegeschäft für künftige Kongresse“, entschärft die Geschätsführe… | |
Befürchtungen der Hochschulen und Forschungsinstitute und von | |
Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD). | |
## Hilfe von außen | |
Das Dresden der zwei Gesichter pudert sich heute einerseits mit dem Staub | |
retrospektiver Verklärung wie in kaum einer anderen Residenz, weist | |
andererseits die größte Dichte an Forschungsinstituten in Deutschland auf. | |
Diese Ambivalenz lässt sich mindestens bis ins 18. Jahrhundert | |
zurückverfolgen. Provinzialismus, wie er auch hinter Pegida steckt, und | |
Weltoffenheit bilden schon damals ein Gegensatzpaar. Schiller nannte 1790 | |
Dresden „eine Wüste der Geister“, andere sprachen von der „Hauptstadt der | |
Philister“. | |
In der späteren DDR stand dem sprichwörtlichen „Tal der Ahnungslosen“ ein | |
durch SED-Bezirkschef Hans Modrow und Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer | |
geprägtes liberaleres Klima gegenüber. Die langen Schatten der | |
DDR-Unmündigkeit seien aber besonders hier noch spürbar, meint Hans-Peter | |
Lühr, Herausgeber der populären Dresdner Hefte des Geschichtsvereins. | |
Ebenso jene viel beschriebene Erscheinung, die Lühr die „diktatorische | |
Gemütlichkeitsgesellschaft“ nennt. | |
Längst sei in Dresden auch eine „hochtrainierte Wisenschafts-Community“ | |
sichtbar, die in der Stadt und international vernetzt ist, sagt Lühr. Der | |
ehemalige Lektor spricht von besonderen Dresdner Parallelgesellschaften. | |
## „Liberale Szene wächst“ | |
Ein Erzdresdner, der Schriftsteller und ehemalige Präsident der Sächsischen | |
Akademie der Künste Ingo Zimmermann, erinnert daran, dass Dresden seinen | |
Aufstieg und Ruhm in der Augusteischen Epoche dem europäischen Geist | |
verdankt. Auswärtige Baumeister und Künstler hatten entscheidenden | |
Einfluss. Dieser danach lange verkümmerte weltläufige Geist bekam nach 1990 | |
die Chance einer Wiederbelegung. | |
„Doch die Bevölkerung und ihre Seele sind noch nicht nachgekommen“, sagt | |
Zimmermann. „Der Sachsen-Patriotismus diente in der Ära von König Kurt | |
Biedenkopf nach 1990 als Haltestange“, erinnert sich Hans-Peter Lühr. „Aber | |
er hätte durch den europäischen Geist ersetzt werden müssen!“ | |
Für immer mehr Dresdner, ob Freigeist, zugereist oder nachgeboren, ist das | |
kein Problem. „Die lebendige, liberale Szene wächst“, stellt Frank Eckhardt | |
fest, Leiter des größten soziokulturellen Zentrums „riesa efau“. Vor allem | |
Wissenschaft und Kunst hätten einen „segensreichen Einfluss“ bei der | |
Überwindung alter Unselbständigkeit. | |
## Wohnzimmer-Rassismus | |
Die Dresdner Stadtgesellschaft gleicht einer kommunalen | |
Transformationsgesellschaft. Gleichwohl vollzieht sich die Entwicklung zu | |
einer wirklich europäischen Stadt der Künste und Wissenschaften nicht von | |
selbst. Zwar hat das Welcome-Center der TU Dresden, das mehr als 400 | |
ausländische Wissenschaftler betreut, in einer Mailumfrage trotz Pegida | |
große Zufriedenheit vor allem mit der Arbeit festgestellt. Die wenigsten | |
haben außerhalb dieser akademischen Sphäre persönlich schlechte Erfahrungen | |
gemacht oder gar Übergriffe erlebt. | |
Aber eine spürbare Klimaveränderung sorgt schon für Unbehagen. Am Institut | |
für Romanistik warnt die Italienerin Simona Brunetti vor einem | |
„Wohnzimmer-Rassismus“. Mit größerer Selbstverständlichkeit würden jetzt | |
chauvinistische und fremdenfeindliche Haltungen geäußert, die vor Pegida | |
als inakzeptabel galten. | |
„Wenn man Pegida überhaupt etwas Gutes abgewinnen kann, dann dies, dass sie | |
das andere Dresden wachgerufen haben“, meint Wissenschafts- und | |
Kunstministerin Stange. Damit die angekratzte Marke Dresden nicht dauerhaft | |
Schaden nimmt, müsse sich dieses freie, unbekümmerte Gesicht weiterhin | |
zeigen, mahnt Geschäftsführerin Bettina Bunge von der Dresden Marketing | |
GmbH. | |
Beim näheren Hinsehen entdeckt man unter den Organisatoren solcher Events | |
auffallend viele Vertreter der zugereisten neuen Eliten. Wie schon beim | |
Umgang mit dem Missbrauch des Zerstörungsgedenkens durch Nazis benötigt die | |
Stadt Impulse von außen. Aufgeklärte und diskursfähige Bio-Dresdner sollten | |
damit kein Problem haben. | |
13 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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