# taz.de -- Kunstskandal in Dresden: Auf und unter dem Teppich | |
> Dresden ist weltoffen, aber auch Gründungsstadt der Pegida. Ekici sucht | |
> mit der Installation „PostIt“ den Dialog. | |
Bild: Bis zum 5. Juli bleibt die Kunstinstallation „PostIt“ von Nezaket Eki… | |
„Der Dialog ist in eine völlig falsche Richtung gelaufen“, sagt die | |
deutsch-türkische Künstlerin Nezaket Ekici, nachdem ihre Installation | |
„PostIt“ vor dem Landgericht in Dresden wieder hergestellt wurde. Sie ist | |
überrascht und verletzt von dem islamophoben Schriftzug auf ihrer Arbeit, | |
denn sie wollte einen Dialog zur Annäherung der Kulturen anstoßen. | |
Stattdessen zeigt sich Dresden feindselig. | |
Die Stadt hat besonders seit den Pegida-Demos einen schweren Imageschaden | |
erlitten und versucht unter anderem mit Projekten, wie „Dresden? – Arbeiten | |
mit der Stadt“ Lösungen zu finden. Bei diesem Wettbewerb wurden Kuratoren | |
eingeladen, Konzepte für Kunst im öffentlichen Raum vorzuschlagen, die sich | |
mit den Kraftquellen der Stadt auseinandersetzen. | |
Für den Gewinner Thomas Eller sind diese Energien „die Geschichte Sachsens, | |
die Wissenschaft der Stadt Dresden und der Umgang mit dem Anderen“. | |
Besonders Letzteres kann eine Chance für Dresden sein, das Image | |
aufzupolieren. „Dresden ist bei den Problemen mit ausländerfeindlichen | |
Bewegungen hilflos“, sagt Eller im Interview „Es gibt zwar viele | |
Initiativen, aber die Themen kommen bei den meisten Einwohnern nicht an.“ | |
Ekicis Tor deutet auf die vorhandene orientalische Kultur im Okzident hin. | |
Die Teppiche, die oft in bürgerlichen Wohnzimmern zu finden sind, stehen | |
aber auch für ein gemeinsames Sitzen, Sprechen und Verhandeln. Es soll ein | |
Dialog entstehen, der mit der Betrachtung des Werkes beginnt. Dieser soll | |
zum Austausch unter den Rezipienten und schließlich zur Verhandlung über | |
die Strömungen und Probleme in Dresden führen. „Es soll verhandelt werden, | |
wie im klassizistischen Landesgericht hinter dem Portal“, sagt Ekici. | |
## Kunst als Mahnmal | |
Aber es soll auch erinnert werden. Die Teppiche sehen aus wie Post-its und | |
erinnern an eine besonders tragische Verhandlung im Landgericht am 1. Juli | |
2009. Die Ägypterin Marwa El-Sherbini klagte damals gegen den | |
Russlanddeutschen Alex Wiens, der sie zuvor wegen ihres Kopftuches als | |
„Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpfte. Während des Prozesses wurde | |
El-Sherbini von dem Angeklagten mit 18 Messerstichen ermordet. | |
Das Tor vor dem Landgericht ist ein Mahnmal. Am 25. Mai 2015, nur fünf Tage | |
nach dem Aufbau, wurden die Teppiche der Installation mit „Scheiß Islam“ | |
besprüht. Nach Ekicis Aussage wurden bereits in den Tagen zuvor zwei | |
Teppiche und danach vier weitere demontiert und gestohlen. | |
Das Werk trifft einen empfindlichen Nerv der Islamophoben in Dresden. Die | |
Polizei fürchtete, den Schriftzug bestehen zu lassen und ließ von der | |
Feuerwehr die betroffenen Teppiche entfernen. „Es ist respektlos, dass | |
alles so schnell und ohne Rücksprache demontiert wurde“, sagt Ekici, „die | |
Tat sollte unter den Teppich gekehrt werden, was dazu führte, dass die | |
Installation ein zweites Mal zerstört wurde“. Die Intention des Angriffs | |
wurde so durch die Behörden weiter verstärkt. Auch der Kurator Thomas Eller | |
wurde nicht benachrichtigt. „Es hätte einen Dialog geben müssen, denn die | |
Teilmontage verstößt gegen das Urheberrecht, das bei der Künstlerin liegt.“ | |
Ende Mai wurden die beschmierten Teppiche von den Behörden herausgegeben | |
und von der Künstlerin wieder an der Installation angebracht und bleiben | |
bis zum Ende des Projekts am 5. Juli hängen. „Die beschmierten Teppiche | |
weiter zu verwenden bedeutet daran zu erinnern. Dadurch findet ein | |
künstlerischer Prozess in der Arbeit statt“, sagt Ekici. Die Teppiche | |
wurden vertauscht, sodass der Schriftzug sichtbar, aber unlesbar ist. | |
## Im Scheitern gelungen | |
Die Präsenz des Schriftzugs verdeutlicht, dass der Dialog „in eine völlig | |
falsche Richtung gelaufen“ ist, aber macht auf das Thema aufmerksam. | |
„Manchmal müssen die Dinge aufbrechen, bevor sie wieder zusammenwachsen | |
können“, sagt Eller. Es sei gut, dass die Installation diese Aufmerksamkeit | |
erregen kann und die Energie tatsächlich aufgegriffen hat. „Das Projekt ist | |
in seiner gescheiterten Kommunikation gelungen.“ | |
Die Angriffe wirken, als wäre der Dialog über die Islamophobie und die | |
Arbeit am Dresdner Image gescheitert, doch in dieser Negativität liegt auch | |
Potenzial zur Besserung. Stadtverwaltung, aber auch Bürger unterstützten | |
die Künstlerin bei der Umarbeitung. Nezaket Ekici würde wieder in Dresden | |
arbeiten, weil sie die Stadt und ihre Bewohner mag. „Sie sind nicht alle | |
böse.“ | |
Am Todestag El-Sherbinis, dem 1. Juli, wird es wieder Kundgebungen geben, | |
auch Ekici und Eller werden dann in Dresden präsent sein. | |
12 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Russezki | |
## TAGS | |
Kunst im öffentlichen Raum | |
Politische Kunst | |
Dresden | |
Kunst | |
Zivilgesellschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kunst und Aktivismus gegen Pegida: Dumpf, dumpfer, Dresden | |
Das Image ist angekratzt. Aber vielleicht geht es gut aus für die Stadt. | |
Kunst, Kultur und Wissenschaft vertreten Dresden international. | |
Muslime in Dresden: Vom Leben in der Defensive | |
Nach dem Mord an Marwa El-Sherbini mühten sich die Muslime Dresdens um ein | |
besseres Verhältnis zu ihrer Umgebung. Doch dann kam Pegida. | |
Ex-GAL-Politiker bei Hamburgs Linkspartei: Am Ende des Regenbogens | |
Wiedersehen mit gemischten Gefühlen: Manch künftiger | |
Linkspartei-Abgeordneter war früher mal in der GAL-Fraktion - und dann in | |
deren Abspaltung. |