# taz.de -- Probleme der UN-Nachhaltigkeitsziele: Ein Erdball zu wenig | |
> Umweltexperten warnen davor, dass der Bedarf an Boden die neuen | |
> Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefährdet. Das Land wird | |
> knapp. | |
Bild: Soja-Ernte in Brasilien – auch für Staaten wie Deutschland. | |
BERLIN taz | Boden wird in den kommenden Jahrzehnten verdammt knapp – so | |
knapp, dass sein Schutz andere Umweltprobleme verursachen kann. So lautet, | |
wenn auch wissenschaftlicher formuliert, das Ergebnis zweier | |
internationaler Studien, die zum Auftakt der [1][internationalen Konferenz | |
„Global Soil Week“] am Montag in Berlin vorgestellt wurden. | |
Das von Klaus Töpfer geleitete [2][Institute for Advanced Sustainability | |
Studies (IASS)] in Potsdam und das [3][International Institute for Applied | |
Systems Analysis (IIASA)] nahe Wien hatten untersucht, ob und wie die | |
geplanten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zusammenpassen. | |
Ergebnis: Sie passen nicht. 10 der 17 Ziele, führte Töpfer aus, „haben | |
direkte oder indirekte Verbindung zu Böden“, wobei es „deutlich mehr | |
Ansprüche an Böden und Biomasse“ gebe, als vorhanden seien. | |
Die neuen UN-Ziele sollen die früheren Millenniumsziele ablösen und im | |
September von der Generalversammlung beschlossen werden; im Unterschied zu | |
den alten gelten sie dann auch für Industrieländer wie Deutschland. | |
Auch in der Bundesrepublik sind immense Interessenskonflikte zu beobachten. | |
Derzeit werden laut IASS 12 Prozent der Böden für die Biomasseproduktion | |
genutzt, „mit deutlich steigender Tendenz“. Gleichzeitig gehen pro Tag 70 | |
Hektar für Neusiedlungen, Straßenbau und Infrastruktur verloren. Deshalb | |
importiere Deutschland „massiv virtuelle Flächen“, so Töpfer weiter. | |
## „Druck aus dem Ballon lassen“ | |
Jährlich seien es bis zu 80 Millionen Hektar, die vor allem für Soja- und | |
Tierfutterproduktion in Lateinamerika genutzt würden. „Wir bräuchten einen | |
zusätzlichen Erdball“, ergänzte Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von | |
Weizsäcker, „wenn alle Menschen auf der Welt unseren Fleischkonsum | |
nachahmen würden.“ | |
IIASA-Programmdirektor Michael Obersteiner verglich das Erdsystem mit einem | |
überdehnten Ballon. Versuche man, eine „Delle“ auszugleichen, etwa mehr | |
Naturschutzgebiete auszuweisen, um das Artensterben aufzuhalten, dann | |
entstehe anderswo eine neue Delle, etwa durch intensivere Landnutzung und | |
mehr Wasserverbrauch oder durch höhere Lebensmittelpreise. Aber er sah | |
durchaus Chancen, Druck aus dem Ballon zu lassen, etwa durch „nachhaltigen | |
Konsum, nachhaltige Produktion, weniger Fleischkonsum“. | |
Einige Ergebnisse der Studie seines Instituts wurden mit gänzlich neuen | |
schwarmintelligenten Methoden der Bürgerwissenschaften gewonnen. Mittels | |
mobiler Apps konnten Menschen in Afrika melden, wie bei ihnen Land genutzt | |
wird und ob Konzerne dabei Landraub betreiben. | |
„In zwei Wochen hatten wir ein bis zwei Millionen Rückmeldungen“, so | |
Obersteiner. Dabei sei nicht alles schwarz-weiß zu sehen. Im Senegal habe | |
eine Schweizer Firma zuerst Männer für Produktion und Export grüner Bohnen | |
eingestellt, mit vorwiegend negativen Resultaten. Danach seien nur noch | |
Frauen angestellt worden. Ihr Einkommen stieg, sie konnten ihre Kinder in | |
die Schule schicken. Frauenrechte und Armutsreduktion gehörten ebenfalls in | |
das „Paket“ der Nachhaltigkeitsziele. | |
Für die Pariser Klimaverhandlungen wünschten sich Töpfer und Weizsäcker | |
unter anderem, CO2-Emissionen zu verteuern. Am liebsten sei ihnen eine | |
CO2-Steuer. Doch ein vorsichtiges Nachfragen in der Regierungskoalition | |
habe kein positives Ergebnis erbracht. | |
20 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://globalsoilweek.org/ | |
[2] http://www.iass-potsdam.de/de/ | |
[3] http://www.iiasa.ac.at/ | |
## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
## TAGS | |
Klima | |
Landgrabbing | |
Studie | |
Vereinte Nationen | |
Nachhaltigkeit | |
Entwicklung | |
Neuland | |
Gedöns | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Regen | |
Schwerpunkt TTIP | |
Kambodscha | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Entwicklungspolitik der EU: Geizig im falschen Moment | |
Die EU feiert sich für ihre Erfolge in der Bekämpfung der Armut. Bei der | |
Finanzierung knausern viele Staaten. Dabei käme es jetzt drauf an. | |
Einkaufsführer des WWF: Finger weg vom Billig-Fleisch | |
Zum ersten Mal fordert der Umweltverband WWF deutlich, auf konventionelles | |
Fleisch zu verzichten. Bio sei erste Wahl. Dem Bauernverband passt das | |
nicht. | |
Plädoyer für politischen Konsum: Boykott für den Klimaschutz | |
Die abstrakte Kapitalismuskritik muss zur politischen Kampagne werden. Eine | |
Weltbürgerbewegung sollte den Konzernen auf die Pelle rücken. | |
Nachhaltigkeitsforschung muss bluten: Sparen mit dem Rasenmäher | |
Der Etat für Umweltforschung schrumpft. Ministerin Wanka muss Geld | |
einsparen, damit die „Herdprämie“ finanziert werden kann. | |
35 Jahre Waldsterben: Hysterie hilft | |
Professoren warnten uns, dass der Wald bald sterben werde. Heute gibt es | |
ihn immer noch. Alles Panikmache – oder die Geschichte einer Rettung? | |
Kommentar Wachstumspolitik in Europa: Umwelt kommt unter die Räder | |
Alles für Wirtschaft und Wachstum, heißt die Devise der EU-Kommission. | |
Umwelt- und Klimapolitik wurden zurückgestuft und zerstückelt. | |
Landraub-Vorwurf gegen Deutsche Bank: Unsaubere Kautschuk-Connection? | |
Erneut gerät die Deutsche Bank wegen fragwürdiger Geschäfte in die Kritik. | |
Das Kreditinstitut soll indirekt an Landgrabbing in Südostasien beteiligt | |
sein. | |
WWF-Studie zum Klimaschutz: Schon ein fleischloser Tag wirkt | |
Eine Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Ernährung und CO2-Ausstoß. | |
Verschwendung und Fleischkonsum sind die wichtigsten Faktoren. |