# taz.de -- 70 Jahre Kriegsende: Moskau und Peking Seite an Seite | |
> Russland und China zelebrieren Eintracht. Doch die Freundschaft ist | |
> brüchig. Vor allem Chinas zunehmende wirtschaftliche Dominanz behagt | |
> Moskau nicht. | |
Bild: Eintracht am Samstag in Moskau: Wladimir Putin und Xi Jinping. | |
PEKING taz | Aus chinesischer Sicht ist der Jahrestag des Sieges über | |
Nazi-Deutschland eigentlich kein zentrales Ereignis. Viel wichtiger ist für | |
China der Jahrestag der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg, den die | |
Chinesen im August begehen. Dennoch stehen seit Tagen die Moskauer | |
Feierlichkeiten auch im Fokus der chinesischen Staatsmedien. | |
Der Grund: Chinas Staatspräsident Xi Jinping wird am Samstag bei der | |
Siegerparade an der Seite von Wladimir Putin auf dem Roten Platz stehen. | |
Sogar eine Einheit der chinesischen Volksarmee wird mitmarschieren. Die | |
Botschaft der beiden Staatschefs ist eindeutig: Sie wollen dem Rest der | |
Welt die chinesisch-russische Eintracht demonstrieren. | |
„Heute werden China und Russland Hand in Hand und Schulter an Schulter den | |
Frieden verteidigen, zur Entwicklung eines stabilen Friedens auf dem | |
Planeten und zum Fortschritt der ganzen Menschheit beitragen“, zitieren | |
chinesische Staatsmedien den chinesischen Präsidenten aus einem vorab | |
veröffentlichten Redemanuskript. Und weiter: „Die Kooperation soll die | |
wichtigste politische Orientierung aller Länder in den internationalen | |
Angelegenheiten bilden.“ | |
In Zeiten größter Spannungen zwischen Ost und West im Zuge des | |
Ukraine-Konflikts klingt ein solcher Satz für den Westen besorgniserregend. | |
China hat sich offiziell zwar nicht in den Konflikt eingemischt. Von | |
Russlands Annexion der Krim war Peking nicht begeistert, schließlich hatte | |
man kurz zuvor umfangreiche Wirtschaftsabkommen mit Kiew abgeschlossen. | |
Aber anders als Europa und die USA protestierte die chinesische Führung | |
nicht lautstark und beteiligte sich schon gar nicht an den Sanktionen gegen | |
Moskau. | |
## Peking versucht, vom Boykott zu profitieren | |
Im Gegenteil: Peking versuchte vom westlichen Boykott zu profitieren. Als | |
Moskau als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen die Einfuhr von | |
Lebensmitteln aus der EU und den USA stoppte, sprang China ein. Peking | |
genehmigte eine Reihe neuer Zollstationen und errichtete Großhandelsmärkte | |
an der über 4.000 Kilometer langen Grenze. | |
Präsident Putin bedankte sich bei China mit einem umfangreichen Gasabkommen | |
und den Bau der von Peking lange ersehnten Pipeline quer durch Sibirien bis | |
zur chinesischen Grenze. Über ein Jahrzehnt hatte sich China darum bemüht – | |
erst Putins Zerwürfnis mit dem Westen brachte den Durchbruch. | |
Zugleich steht auch Chinas Ansehen derzeit nicht zum besten. Die | |
Außenpolitik unter dem seit zwei Jahren amtierenden Staatspräsidenten Xi | |
entpuppt sich etwa im Inselstreit mit Chinas südostasiatischen Nachbarn und | |
Japan als äußerst aggressiv. Die USA hat Pekings Vorgehen mehrfach scharf | |
kritisiert. Die konfrontative Haltung zum Westen schweißt Russland und | |
China nun zusammen. Im Rahmen der Shanghaier Organisation für Sicherheit | |
rücken beide Staaten zusammen und planen sogar ein gemeinsames Manöver im | |
Mittelmeer. Zudem ist China Großkunde der russischen Rüstungsindustrie. | |
Rund 20 Prozent der russischen Waffenexporte gehen nach China. | |
Doch so sehr Xi und Putin am Samstag ihre Freundschaft feiern – sie bleibt | |
brüchig. Vor allem Chinas Vorhaben der „neuen Seidenstraße“ – es geht um | |
die Wiederbelebung der einstigen Handelswege zwischen China, Zentralasien | |
bis nach Europa – sei Moskau ein Dorn im Auge, sagt Shi Yinhong, | |
Außenpolitikexperte an der Pekinger Volksuniversität. Er warnt: „Wenn China | |
in Zentralasien allzu forsch auftritt, könnte es mit der strategischen | |
Allianz schnell wieder vorbei sein.“ | |
Und auch militärisch will Moskau nicht zu eng mit Peking kooperieren. Ein | |
Grund Putins im vergangenen Jahr die Ukraine zu destabilisieren, soll Kiews | |
angeblich zu enges Verhältnis zu den Chinesen gewesen sein. Die Ukraine war | |
drauf und dran, Waffentechnologie aus Sowjetzeiten an die chinesische | |
Führung zu verkaufen, schreibt der an der Zhejiang Universität lehrende | |
US-Politologe Gregory Moore im Online-Portal The Diplomat. Die | |
Ukraine-Krise habe Pekings Aufrüstungsplänen einen dicken Strich durch die | |
Rechnung gemacht. Seitdem muss die chinesische Führung auf eine neue | |
Strategie setzen. | |
9 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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