# taz.de -- documenta fifteen – eine Bilanz: Das kollektive Versagen | |
> Die documenta fifteen in Kassel endet diesen Sonntag. Sie wird als | |
> Skandalschau in die Geschichte eingehen. | |
Bild: Der documenta-Beirat: Morris, Kanwar, Pirotte, Dyangani Ose, Meta Bauer, … | |
Die documenta fifteen ist ein einziges Missverständnis. Sie markiert eine | |
Zäsur und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Unter Ausschluss von Kunstmarkt | |
und individueller Urheberschaften sollte sie neue Maßstäbe setzen. Und | |
zeigte am Ende vor allem, wie manche Kulturfunktionäre agieren: ignorant | |
gegenüber künstlerischen Szenen, ahnungslos bei komplexen politischen | |
Vorgängen. | |
In der Rückschau wird deutlich, wie sehr für die Ausrichtung der | |
Weltausstellung Einzelkämpfer wie Philippe Pirotte (bis 2020 Rektor der | |
Frankfurter Städelschule), Jochen Volz (Direktor der Pinakothek in São | |
Paulo), Ute Meta Bauer (Gründungsdirektorin des Centre for Contemporary Art | |
Singapore) oder Charles Esche (Direktor des Van Abbemuseums in Eindhoven) | |
Verantwortung tragen. | |
Als Findungskommission und Beiräte der documenta fifteen waren sie es, die | |
die indonesische Agitprop-Gruppe ruangrupa als Chefkuratoren einsetzten. | |
Sie sind es, die in Deutschland bestens vernetzt sind. Und auf die | |
ruangrupa wohl vertraute, als es hieß, jeden konkret belegten Vorwurf des | |
Antisemitismus ins Leere laufen zu lassen. | |
## Verquere Logik | |
Jochen Volz untermauerte via Telefonschalte aus Brasilien im | |
Deutschlandfunk gerade erneut seine verquere Logik, nach der der | |
Antisemitismusvorwurf „den“ Medien nur dazu diene, „ruangrupa, die | |
documenta und bestimmte Sichtweisen zu diskreditieren“. | |
Volz und seine Mitstreiter behaupten, der Vorwurf des Antisemitismus würde | |
rassistisch eingesetzt, um Menschen aus dem „globalen Süden“ | |
herabzuwürdigen. In Kassel ging es offenbar von Anfang an nicht allein um | |
unmittelbar antisemitische Darstellungen [1][wie auf der skandalösen | |
Großleinwand von Taring Padi]. | |
Es scheint vielmehr ein Taschenspielertrick: Die indonesischen Kuratoren | |
erklärt man qua Abstammung aus dem „globalen Süden“ für unangreifbar und | |
authentisch. Wer sich darüber beschwerte, dass ruangrupa aus politischen – | |
und keineswegs künstlerischen! – Erwägungen, völkisch-arabischen und | |
islamistischen Positionen in Kassel Raum gaben, wird des Rassismus | |
bezichtigt. | |
Es ging um solche Setzungen, Definitionsmacht, nicht um Austausch. Auf | |
dieser Weltkunstschau sollten Propagandabilder wie „Guernica-Gaza“ gezeigt | |
werden, wollte man Israel als Faschistenstaat beschimpfen. Mit [2][den | |
Mitteln der Täter-Opfer-Umkehr], derer sich auch Putin gegen die Ukraine | |
bedient: Man greift an und behauptet, ein Land vom Faschismus zu befreien. | |
## Wagenburg statt Dialog | |
In Kassel erblödete man sich nicht, [3][Propagandafilme zu zeigen, die den | |
Terrorismus der palästinensischen PFLP und der japanischen Roten Armee | |
feiern.] Das sei alles von der Kunstfreiheit gedeckt? | |
Nein, ist es nicht. | |
Ruangrupa und Beirat behaupten gebetsmühlenartig, hinter der Kritik an | |
solch hetzerischen Positionen verberge sich ein rassistischer Angriff auf | |
die gesamte documenta, auf alle beteiligten Künstler des „globalen Südens�… | |
Damit nahmen sie diese in Geiselhaft, verwandelten die documenta in eine | |
Wagenburg. | |
Die Solidarität mit ausgeflippten, künstlerisch unbedeutenden Israelhassern | |
– die auch nicht „die“ Palästinenser repräsentieren – wurde zum | |
gemeinschaftsstiftenden Band. | |
## Dank Direktoren vom BDS gekapert | |
Die Israel-Boykottbewegung BDS konnte diese documenta kapern. [4][Als | |
Verstärker in internationalen Szenen dienten hierbei] die übrigen vier | |
documenta-Beiräte: Frances Morris (Direktorin der Tate Modern, London), | |
Elvira Dyangani Ose (Direktorin des Macba, Barcelona), Gabi Ngcobo (Leitung | |
10. Berlin Biennale, jetzt Javett Art Centre, Pretoria) sowie der indische | |
Filmer Amar Kanwar. | |
Alles keine Kollektivisten, eher Einzelunternehmer. Radical chic und | |
ideologische Botschaften galten alles, [5][unabhängige Kunst und | |
künstlerische Sprachen fanden kaum Wertschätzung]. | |
In der sich globalisierenden Welt ist es richtig, mittels Kultur und Kunst | |
respektvolle Austauschverhältnisse zu schaffen. [6][Falsch wäre es dabei | |
aber, antidemokratischen Diskursen nachzugeben.] Sie kommen zumeist im | |
Klagegewand gegen Amerika, Israel und die europäischen Demokratien daher. | |
Und im Farbenspiel der Postkolonialen im schlichten Schwarz-Weiß. Die | |
außereuropäischen Anteile an bestehenden Macht- und | |
Herrschaftsverhältnissen blenden sie aus. [7][Eine kritische Kunst, die | |
ihren Namen verdient,] wird sich niemals solch ideologischem Ansinnen | |
untertan machen. | |
25 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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