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# taz.de -- Konferenz der documenta: Wir gegen das Imperium
> Die documenta veranstaltet bis Freitag eine „Lumbung“-Konferenz. Der
> Kunsthistoriker Philippe Pirotte übte dort Kritik an weißen
> Mainstream-Medien.
Bild: Für den Kunsthistoriker Pirotte haben „konservative Meinungsmacher“ …
Zu einem Denkmal der Trauer über „die Unmöglichkeit des Dialogs“ hatte das
indonesische Künstler:innenkollektiv Taring Padi [1][ein wegen
antisemitischer Darstellungen abgebautes Banner umdeklariert] – ein Motto,
das über der gesamten documenta fifteen stehen könnte. Wie verhärtet die
Fronten sind, wurde nochmals deutlich am Dienstag, zum Auftakt der von der
Kunstausstellung organisierten lumbung-Konferenz, die noch bis Freitag in
Kassel läuft und online übertragen wird.
Den Auftakt machte der belgische Kunsthistoriker Philippe Pirotte, der über
„Kontrollvermeidung“ referieren sollte. Darum ging es aber eigentlich gar
nicht, eher hielt Pirotte die documenta nochmals als Projekt für all
diejenigen hoch, [2][denen die Antisemitismusvorfälle und die irritierende
Kommunikationsstrategie] der Verantwortlichen die 15. Ausgabe der
Weltausstellung nicht verhageln konnten. All die tollen Aspekte der
documenta hätten die „Mainstream-Medien“ nicht beschäftigt, meint Pirotte,
die seien mit „etwas anderem“ beschäftigt gewesen.
Der Grund für die Angriffe seitens der Medien liege darin, so Pirotte, dass
in Kassel etwas aufgebaut wurde, was die Mehrheitsgesellschaft nicht
ertragen könne. Deswegen sei alles getan worden, „um uns zu
diskreditieren“.
## Einseitige Vorwürfe
Die Instrumentalisierung der documenta durch „konservative Meinungsmacher“
prangerte er schon vor einigen Wochen an. Pirotte, der Mitglied im Gremium
sowie im Beirat der documenta ist, wittert im Interview mit der Frankfurter
Rundschau hinter den Antisemitismusvorwürfen „Kräfte, die eine alte, weiße,
modernistisch organisierte Gemeinschaft wollen“ – [3][Vorwürfe, die in
dieser Zeitung] sowie in der jungle.world oder dem neuen deutschland
diskutiert wurden.
Ganz so einseitig, wie Pirotte findet, ist denn auch die mediale
Berichterstattung nicht. Im Deutschlandfunk wird regelmäßig den auf der
documenta vertretenen internationalen Kollektiven jenseits von
Antisemitismusvorwürfen Sendezeit eingeräumt. In der Zeit griff vor wenigen
Tagen Marion Detjen die Expertenkommission an und nannte die Aufforderung,
antisemitische Filme nicht mehr zu zeigen, Zensur.
Im Spiegel wiederum stand explizit nicht das Kurator:innenkollektiv
ruangrupa im Fokus der Vorwürfe, sondern die Verantwortlichen in
Deutschland. „Vielleicht wurde der globale Süden nur eingeladen, weil sich
ein paar Kunstleute aus Deutschland oder Großbritannien in ihrer Rolle als
Zündler gefallen“, schrieb Ulrike Knöfel, die bei vielen in der Kunstwelt
zudem eine Obsession mit der antiisraelischen Boykottinitiative BDS
konstatierte.
## Kolonialismus, Kolonisatoren und Kolonisierte
Jetzt waren die Antisemitismusvorwürfe kaum Thema, stattdessen ging es viel
um Kolonialismus, Kolonisatoren und Kolonisierte. Pirottes Argumentation
war mitunter schwer zu folgen, selbst die zwei Simultanübersetzer taten
sich schwer. Der Vortrag, der, wie er sagt, gemeinsam mit anderen nicht
genannten Autor:innen entstand, strotzt vor historischen Zitaten.
Einen Fokus setzte er auf die Sprache, das von ruangrupa geprägte
lumbung-Vokabular, auf die Machtverhältnisse, die sich in der Sprache des
„Empires“ ausdrückten. Pirotte meint wohl frühere Kolonialmächte, betont
fast anerkennend, dass Indonesien nach dem Ende der Kolonialherrschaft
nicht die niederländische Sprache übernommen hat.
Doch das „Empire“ ist bei ihm weiterhin präsent, synonym mit dem Westen,
der Nato, Europa (?), und wird auch von den Zuschauer:innen im Saal so
verwendet. Überhaupt gibt es in Kassel keine kritischen Fragen, affirmative
Dankbarkeit liegt den meisten Wortbeiträgen zugrunde. Lediglich der von
ruangrupa bemühte Slogan „Make friends, not art“ scheint für Unklarheit zu
sorgen.
Es komme darauf an, wie man Freundschaft definiere, meint Pirotte, bis 2020
Leiter der Städel-Kunsthochschule in Frankfurt am Main, auch Kunstwerke
könnten Freunde sein. Letztlich drücke der Slogan jedoch vor allem aus,
dass Kunst nicht in einem Vakuum entstehen soll, sondern zusammen mit
anderem, in einem Netzwerk. Als sei das anders je möglich gewesen.
21 Sep 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Julia Hubernagel
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