# taz.de -- Zustände in Massen-Notunterkunft Tegel: „Ein Instrument der Absc… | |
> Bei einem Fachgespräch sind sich Betroffene und Experten einig, dass die | |
> Zustände in der Massenunterkunft Tegel unhaltbar sind. Oder gar gewollt? | |
Bild: Menschenunwürdige Unterbringung: In den Leichtbauhallen in Tegel ist Pla… | |
BERLIN taz | Die Zustände im „Ankunftszentrum Tegel“ verstoßen gegen die | |
Menschenrechte. Darin sind sich die Experten und Betroffenen einig, die am | |
Dienstag auf Einladung der Grünen- und der Linksfraktion im | |
Abgeordnetenhaus zum Fachgespräch über die Situation in Deutschlands | |
größter Notunterkunft zusammengekommen sind. Einig sind sie sich auch, dass | |
das vormalige „Ankunftszentrum“, in dem Menschen teils über ein Jahr leben, | |
schnellstmöglich geschlossen werden muss. Doch bis es so weit sei, sagt | |
Bettina Jarasch, die Grünen-Faktionschefin, „müssen dort Mindeststandards“ | |
gelten. | |
Die unhaltbaren Lebensumstände dort sind [1][seit Langem bekannt], einige | |
Beiträge brachten sie aber nochmal eindrucksvoll auf den Punkt. Anna | |
Mogilatenko zum Beispiel präsentierte ein Video, das herumlaufende Mäuse | |
zwischen Kinderbetten zeigte. „Das ist auf der Quarantänestation!“, betonte | |
sie, also dem Bereich für chronisch Kranke. Weiter zeigte sie Fotos von | |
schmutzigen Toiletten und schimmeligem Brot. Mogilatenkos Verein Sunflower | |
Care kümmert sich in ganz Deutschland um Geflüchtete mit Behinderungen. Sie | |
sagt: „Tegel gehört zu den schlimmsten Einrichtungen im ganzen Land.“ | |
Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat nahm den Faden auf. Wegen Schimmelbrot | |
habe ihr Verein schon vor eineinhalb Jahren eine Anzeige beim | |
Gesundheitsamt gestellt. Das Amt habe daraufhin eine Kontrolle in Tegel | |
gemacht, aber diese vorher angemeldet. „Wenig überraschend haben sie nichts | |
gefunden.“ | |
## „Nie können sie helfen“ | |
Auch einige Bewohner berichteten: „Das Personal behandelt uns wie Tiere“, | |
sagte ein Mann – dabei brauche man als Flüchtling eigentlich freundliche | |
Zusprache. Er verstehe auch nicht, wie man an diesem Ort Kinder leben | |
lassen könnte: „Dort werden Drogen verkauft“ – und die Mitarbeiter würd… | |
nichts dagegen tun. Ein anderer, der sich als Alexander vorstellte, | |
ergänzte, viele Mitarbeiter in Tegel seien „inkompetent“. „Nie wissen sie | |
etwas, nie können sie helfen“ – egal, ob man frage, wann die Toilette | |
repariert werde oder wann man einen Berater sprechen könne. Auch die | |
Gesundheitsversorgung sei mangelhaft: Über sechs Monate müsse man auf die | |
Krankenkassenkarte warten und könne so lange nicht zum Arzt gehen. Zwar | |
gebe es in Tegel auch einen Arzt, aber der behandele Geflüchtete nur in den | |
ersten drei Monaten ihres Aufenthalts. Vielsagend waren auch die zwei | |
Transparente, die die Geflüchteten im Saal des Abgeordnetenhauses vor der | |
Besprechung an Tische hängten. „Würden Sie wollen, dass dort ihr Kind | |
lebt?“, stand auf dem einen, auf dem anderen: „Wir wollen in der Schule | |
lernen und die Kita besuchen. Wir haben das Recht auf Bildung und | |
Entwicklung. Kinder von Tegel“. | |
Alexandra Bienert von der Allianz Ukrainischer Organisationen, die zuletzt | |
Mitte April in Tegel war und ebenfalls von den unhaltbaren hygienischen und | |
räumlichen Zuständen berichtete, fasste ihre Beobachtungen so zusammen: | |
„Dort gibt es ganz klare Menschenrechtsverletzungen.“ Allerdings passten | |
die Bilder von Betroffenen und Fachleuten offenbar nicht mit denen von | |
Politik und Verwaltung zusammen. Bienert berichtete von den Antworten des | |
Gesundheitsamts auf eine Anfrage, in der es um die verschmutzten und oft | |
kaputten Sanitäranlagen in Tegel ging. Das Amt habe erwidert, „es gibt | |
einen Hygieneplan, eventuelle Mängel werden schnell abgestellt“. Der Tenor: | |
alles in Ordnung. | |
Dass Politik und Verwaltung häufig abwiegeln, wenn es um die Probleme in | |
Tegel geht, könnte daran liegen, dass die schlechten Zustände gewollt sind. | |
„Tegel ist ein Instrument der Abschreckung“, lautet jedenfalls Barnickels | |
These. „Die Politik will Flüchtlinge nur noch am Rande“ – von Städten, … | |
Grenzen, von der EU. „Exterritoriale Gebiete“ seien Tegel und Tempelhof, | |
„aus den Augen, aus dem Sinn“, findet auch Afred Brömme, der Koordinator | |
des Senats für Flüchtlingsangelegenheiten, der für die Flüchtlinge von | |
Tegel neue Heime in den Bezirken bauen soll. | |
Am fehlenden Geld scheitere eine bessere Unterkunft jedenfalls nicht, | |
betont Jian Omar von den Grünen. 260 Euro koste ein Tag in Tegel pro | |
Person: „Dafür könnten sie auch im Luxusloft am Potsdamer Platz wohnen.“ | |
8 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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