| # taz.de -- Antisemitismusbeauftragter in Hamburg: Rücktritt wegen zu vieler A… | |
| > Hamburgs Antisemitismusbeauftragter tritt zurück. Als Gründe nennt er | |
| > antisemitische sowie persönliche Angriffe. Zuvor gab es Streit um seine | |
| > Besetzung. | |
| Bild: Unter Druck: Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel, hier bei … | |
| Der Hamburger Beauftragte für jüdisches Leben und die Bekämpfung von | |
| Antisemitismus hat sein Amt aufgegeben. Stefan Hensels Bestellung für eine | |
| zweite Amtszeit ist von einem nicht berücksichtigten Bewerber erfolgreich | |
| angefochten worden. Im Verfahren entstand der Eindruck, dass die zuständige | |
| Wissenschaftsbehörde Hensel unbedingt durchsetzen wollte, obwohl er das | |
| Vertrauen eines Teils der jüdischen Gemeinde verloren hatte. | |
| Hensel begründete seinen Schritt mit der Belastung durch sein Engagement. | |
| „Der zeitliche Aufwand und die anhaltende Konfrontation mit Hass und | |
| persönlichen Übergriffen sind im Rahmen eines Ehrenamts für mich nicht mehr | |
| vereinbar“, teilte er mit. Zukünftig wolle er sich den positiven Seiten | |
| jüdischen Lebens widmen. | |
| Die negativen Seiten hatte eine von Hensel angestoßene [1][Dunkelfeldstudie | |
| zu antisemitischen Vorfällen in Hamburg] beleuchtet, für die über | |
| 16-Jährige Mitglieder der jüdischen Gemeinde befragt wurden. Vier von fünf | |
| Mitgliedern gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten antisemitische | |
| Vorfälle erlebt zu haben. Jeder Zweite berichtete von „strafrechtlich | |
| relevanten Betroffenheiten“. 13 Prozent berichteten von körperlichen | |
| Übergriffen, Belästigung oder Verfolgung. | |
| ## Im Juni einem Übergriff ausgesetzt | |
| Auch Hensel war im Juni einem Übergriff ausgesetzt. Als er in der Nähe des | |
| Dammtorbahnhofs ein Lied in hebräischer Sprache gehört habe, sei er von | |
| einem Lieferwagenfahrer beschimpft worden. „Kindermörder“ und „Scheiß | |
| Israeli“ habe dieser ihn genannt und anschließend versucht, ihn von der | |
| Straße abzudrängen. Der Staatsschutz ermittelt in der Sache. | |
| Der Antisemitismusbeauftragte ist allerdings wegen seiner Amtsführung auch | |
| umstritten, wobei Verwerfungen innerhalb der jüdischen Gemeinde Hamburgs | |
| eine Rolle spielen. Da steht auf der einen Seite die Jüdische Gemeinde in | |
| Hamburg, die mehrheitlich orthodox ausgerichtet ist, sich aber als | |
| Einheitsgemeinde versteht. | |
| Unter ihrem Dach gibt es auch die liberale „Reformsynagoge Hamburg“. | |
| Unabhängig davon existiert aber auch der „Israelitische Tempelverband – | |
| Liberale jüdische Gemeinde in Hamburg“. Letzterer sieht sich als Erbe des | |
| Hamburger Tempelvereins von 1817/1818 und damit als „Muttergemeinde des | |
| weltweiten progressiven Judentums“. Den Reformern ging es darum, die | |
| religiöse Praxis mit der Teilhabe an der Gesellschaft zu vereinbaren. So | |
| wurde etwa die Liturgie gekürzt, Predigten wurden auf Deutsch gehalten und | |
| Orgeln zugelassen. | |
| Für seine erste Amtszeit war Hensel einvernehmlich von der Einheitsgemeinde | |
| und dem Tempelverband vorgeschlagen worden. Über die Jahre haben sich | |
| [2][Hensel und der Tempelverband aber entfremdet]. „Es ist so, dass wir | |
| schon kurz nach der offiziellen Benennung von Stefan Hensel im Amt des | |
| Antisemitismusbeauftragten verwundert waren über seine Haltung“, sagte Eike | |
| Steinig, der Zweite Vorsitzende der liberalen Gemeinde der taz. Hensel | |
| fühle sich der größeren, orthodox dominierten Gemeinde zugehörig. Steinig | |
| unterstellt ihm „eine Befangenheit zu unseren Ungunsten“. | |
| Als Beispiel nennt Steinig die Dunkelfeldstudie zum Antisemitismus, an der | |
| seine Gemeinde nicht beteiligt worden sei. All das wäre aus Steinigs Sicht | |
| nicht so schlimm, wenn Hensel nur Antisemitismusbeauftragter und nicht | |
| zugleich Beauftragter für jüdisches Leben in Hamburg wäre. Als solcher | |
| müsse er allen Juden Hamburgs gerecht werden. | |
| Wegen der Zweifel an Hensels Haltung machte der Tempelverband in Gestalt | |
| Steinigs einen Gegenvorschlag, als die Wiederbesetzung des Amtes anstand. | |
| Der Senat ignorierte das und bestellte Hensel erneut. [3][Steinig klagte | |
| dagegen und bekam vom Verwaltungsgericht Recht]: Der Senat muss das | |
| Stellenbesetzungsverfahren fortführen und Steinig dabei berücksichtigen. | |
| Ob es weitere Bewerbungen gibt, konnte die [4][Behörde für Gleichstellung] | |
| mit dem Hinweis darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele, | |
| nicht sagen. Es sieht so aus, als bliebe Steinig nach dem Rückzug Hensels | |
| der einzige Bewerber. Weitere haben zumindest öffentlich keine Ansprüche | |
| angemeldet. | |
| ## Liberale jüdische Gemeinde zweifelt | |
| An der [5][Eignung Stefan Hensels hatte es auch verwaltungsintern Kritik] | |
| gegeben: Die Kritik der liberalen jüdischen Gemeinde an der Personalie sei | |
| nachvollziehbar. Dass er seine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde | |
| nicht offengelegt habe, sei kritikwürdig. Er habe polarisierend gearbeitet, | |
| Stakeholder ausgegrenzt und sich zu wenig in der Bund-Länder-Kommission zur | |
| Bekämpfung von Antisemitismus engagiert. | |
| Die grüne Behördenleitung hielt trotzdem an Hensel fest. Senatorin Maryam | |
| Blumenthal dankte ihm für seinen engagierten Einsatz. Seine Arbeit werde | |
| der Stadt und dem Senat weiterhin Impulse geben. „Umso bedauerlicher ist | |
| es, dass ihn auch die zunehmende Konfrontation mit Hass und Hetze zu diesem | |
| Schritt veranlasst haben.“ | |
| 1 Oct 2025 | |
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| [2] /Kritik-an-Antisemitismusbeauftragtem/!6014445 | |
| [3] /Entscheid-zum-Antisemitismusbeauftragten/!6073470 | |
| [4] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bwfg | |
| [5] /Streit-um-Antisemitismusbeauftragten/!6104842 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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