# taz.de -- Zementfabrik in Norwegen: Klimafreundlicher Zement oder Greenwashin… | |
> In Brevik stellt Heidelberg Materials klimaschädlichen Zement her. Eine | |
> neue Anlage soll dessen Klimabilanz verbessern, aber Umweltschützer | |
> zweifeln. | |
Bild: Kritiker sehen in dem CO2-reduzierten Zement eine riesige PR-Show | |
Berlin taz | Am Mittwoch wurde im norwegischen Brevik die erste Anlage zur | |
CO2-Abscheidung in industriellem Maßstab eröffnet. Sie soll jährlich | |
400.000 Tonnen CO2 aus den Abgasen eines Zementwerks filtern, das dem | |
deutschen Baustoffhersteller Heidelberg Materials gehört. Das entspricht | |
etwa der Hälfte des CO2-Ausstoßes des Werks, meldet der Konzern. Die Fabrik | |
produziert jedes Jahr bis zu 1,2 Millionen Tonnen Zement. | |
„Der heutige Tag ist ein historischer Meilenstein und eine tektonische | |
Verschiebung in der Welt des Bauens“, sagte Dominik von Achten, | |
Vorsitzender des Vorstands von Heidelberg Materials, während der Zeremonie. | |
Die Einweihung von Brevik CCS sei eine „enorme technologische | |
Errungenschaft“, die als [1][Blaupause für ganze Industriezweige] auf dem | |
Weg zur Klimaneutralität dienen könne. | |
Die Herstellung vom Bindemittel Zement und dem daraus hergestellten | |
Baustoff Beton macht etwa sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. | |
Dieser enorme Ausstoß – durchschnittlich etwa 580 Kilogramm CO2 pro Tonne | |
Zement – stammt aus chemischen Prozessen bei der Herstellung. Die | |
verwendeten Brennstoffe zu dekarbonisieren, zum Beispiel das verwendete | |
Erdgas mit grünem Wasserstoff zu ersetzen, reicht deshalb nicht aus. | |
## Equinor, Shell und Total übernehmen CO2-Transport | |
Folgt man der Argumentation der Industrie, ist die CO2-Abscheidung und | |
Speicherung (CCS) daher die einzige Lösung für die hohen CO2-Emissionen bei | |
der Zementherstellung. Das am Werk Brevik aufgefangene CO2 wird | |
heruntergekühlt, auf spezielle Transportschiffe geladen und [2][in alten | |
Gasfeldern unter der Nordsee zwischengelagert]. | |
Dafür ist das Konsortium Northern Lights verantwortlich, das aus dem | |
norwegischen staatseigenen Öl- und Gas-Konzern Equinor sowie Shell und | |
TotalEnergies besteht. Wie Heidelberg Materials für die CCS-Anlage in | |
Brevik erhalten auch die drei Öl- und Gas-Riesen gigantische Fördergelder | |
von der norwegischen Regierung, [3][um Transport und Speicherung von CO2 in | |
industriell sinnvollem Maßstab möglich zu machen]. | |
Für die gesamte Kette von Abscheidung über Transport bis Speicherung | |
übernimmt die norwegische Regierung etwa zwei Drittel der 3,4 Milliarden | |
US-Dollar Kosten des Longship-Projekts, das neben Brevik auch andere | |
CCS-Projekte umfasst. | |
„Das ist ein Paradebeispiel für ökonomischen Irrsinn“, kritisiert deshalb | |
Karsten Smid von Greenpeace. „Die Kosten sind explodiert, das Projekt hat | |
sich jahrelang verzögert.“ Heidelberg Materials betreibe eine „riesige | |
PR-Show“ mit der CCS-Anlage in Brevik, und dann könne sie auch noch nur die | |
Hälfte des ausgestoßenen CO2 einfangen. | |
Die Milliarden, die die norwegische Regierung in CCS-Projekte steckt, | |
„dienen nur dazu, Norwegens Stellung als fossiler Exporteur | |
aufrechtzuerhalten“. Ziel sei es, weiterhin Gas in die EU zu exportieren | |
und einen Teil der bei dessen Verbrennung entstehenden Emissionen wieder zu | |
verpressen. | |
## CCS sei nicht alternativlos, kritisiert Greenpeace | |
Über die Hälfte der Exporte Norwegens sind Öl und Gas. „Die norwegische | |
Wirtschaft ist abhängig von der Gas-Industrie, und die treibt CCS voran“, | |
sagt Smid. Bei der Eröffnung der Breviker CCS-Anlage war neben dem | |
norwegischen Energieminister auch Kronprinz Haakon von Norwegen dabei. | |
Dass es keine Alternativen zu CCS bei der Zementherstellung gibt, | |
bezweifelt Smid. „Man kann Zement recyceln, eine breitere Palette von | |
Verfahren und Bindemitteln nutzen“, sagt er. Außerdem könne man weniger | |
Beton verbauen und stattdessen zum Beispiel Holz als Baustoff verwenden. | |
CCS sei eine „Technik-Illusion“, die enorme Kosten verursache. Die Anlage | |
in Brevik sei „ein halbherziger Versuch, der sich wirtschaftlich nicht | |
rechnet“. | |
Heidelberg Materials-Chef von Achten sagte der Financial Times, das Projekt | |
sei ohne die Unterstützung der norwegischen Regierung nicht möglich, „das | |
Risiko wäre zu hoch gewesen.“ | |
Wie viel der CO2-reduzierte Zement kostet, gibt Heidelberg Materials nicht | |
an, dem Guardian zufolge soll er vor allem an nachhaltige | |
Architektur-Firmen und Tech-Unternehmen vermarktet werden. Der einzige | |
bekannte Käufer ist bislang das neue Nobel-Center, das in Stockholm von der | |
Nobelpreis-Stiftung errichtet wird. | |
18 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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