# taz.de -- CCS-Technologie: Nordsee soll ein großer CO2-Speicher werden | |
> Das Kabinett beschließt die Speicherung von Kohlenstoffdioxid unter dem | |
> Meeresboden. SPD, Grüne und Umweltschützer üben Kritik am Ausmaß. | |
Bild: Norwegen macht es vor: CO2-Speicheranlage in Bergen | |
Die Bundesregierung will die Speicherung von CO2 unter dem Meer erlauben. | |
Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, den das Kabinett am Mittwoch | |
verabschiedet hat. Bislang sind die Abscheidung von CO2-Emissionen, ihr | |
Transport und ihre Speicherung in Deutschland verboten. | |
Beim sogenannten Carbon Capture and Storage (CCS) werden die CO2-Abgase von | |
Fabriken und Kraftwerken an der Quelle aufgefangen, per Pipeline und Schiff | |
zu Speicherstätten gebracht und dort meist unter dem Meer in alten Öl- und | |
Gasfeldern im Gestein verpresst. Bislang wird die Technologie vor allem | |
eingesetzt, um mehr Öl und Gas zu fördern. CCS gilt vielen | |
Klimawissenschaftler*innen aber auch als nötig, damit schwer | |
vermeidbare CO2-Emissionen nicht die Erde weiter erhitzen. | |
„Die Nutzung von CCS ist für diejenigen CO2-Emissionen sinnvoll, die nicht | |
durch eine Umstellung auf erneuerbare Energien vermieden werden können“, | |
sagte Klaus Wallmann, Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung | |
Kiel. „Das sind im Wesentlichen Emissionen aus drei Sektoren: der Zement- | |
und Kalkindustrie sowie der Müllverbrennung.“ Dort entstehen die | |
CO2-Emissionen nicht durch fossile Brennstoffe, sondern durch chemische | |
Prozesse, die bislang nicht zu vermeiden sind. | |
## Widerstand aus der SPD | |
Der Gesetzesvorschlag von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), der | |
maßgeblich auf einer Vorlage ihres Vorgängers Robert Habeck (Grüne) beruht, | |
geht aber deutlich weiter: Verboten ist nur, CCS-Anlagen an Kohlekraftwerke | |
anzuschließen. Für die Stahlherstellung, die Chemie-Industrie und sogar | |
Gaskraftwerke ist die CO2-Abscheidung erlaubt. Reiche sagte zwar, das | |
Gesetz sei notwendig, um „industrielle Prozesse, wo sich Emissionen nicht | |
vermeiden lassen, trotzdem schrittweise zu dekarbonisieren“. Später gab sie | |
jedoch zu, wer CCS nutzen dürfe, sei „bewusst breit formuliert“. | |
Der Errichtung von CO2-Pipelines wird darüber hinaus im Gegensatz zu | |
Habecks Entwurf ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugesprochen, | |
sodass sie – außerhalb von Meeresschutzgebieten – nicht die üblichen | |
Umweltschutz- und Beteiligungsprozesse durchlaufen müssen. | |
An dieser Stelle kann Reiche Widerstand aus der SPD-Fraktion erwarten: | |
„Beim überragenden öffentlichen Interesse müssen wir sehr genau prüfen, w… | |
Vorrang hat. Meeresschutz darf nicht in den Hintergrund rücken, nur weil | |
wir CO2 schnell speichern wollen“, sagte Jakob Blankenburg der taz. Er ist | |
klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Auch die Erlaubnis für | |
Gaskraftwerke, CCS zu verwenden, sieht er kritisch: „Wenn es um CCS in der | |
Energieversorgung geht, müssen wir genau hinsehen. Neue Gaskraftwerke | |
dürfen nicht als klimaneutral gelten, nur weil ihre Emissionen abgeschieden | |
werden sollen.“ | |
## Grüne: „Freifahrtschein“ | |
Die Grünen begrüßen, dass die Bundesregierung CCS erlauben will. Lisa | |
Badum, klimapolitische Sprecherin der Fraktion, kritisierte gegenüber der | |
taz jedoch, dass im Gesetz der Verringerung von CO2-Emissionen kein Vorrang | |
vor der Abscheidung eingeräumt wird: „Das ist ein Freifahrtschein für viele | |
Industrien.“ Besser wäre es zudem, eine Obergrenze für gespeicherte | |
Restemissionen festzulegen und mit der Zeit zu senken. „Die | |
Energiewirtschaft sollte von der Nutzung von CCS ausgeschlossen werden.“ | |
Noch ist CCS-Technologie nicht wirtschaftlich. Nur mit Einsatz | |
milliardenschwerer Subventionen [1][konnte eine Abscheidungsanlage an ein | |
Zementwerk in Norwegen angeschlossen werden], das seinen Beton seitdem als | |
Premiumprodukt verkauft. Dort wird nur etwa die Hälfte der Emissionen | |
abgeschieden. Die meisten Prognosen gehen davon aus, dass nur zwischen 70 | |
und 90 Prozent der Emissionen abgeschieden werden können. CCS macht also | |
keine Fabrik vollständig klimaneutral. | |
Karsten Smid, Energie-Experte bei Greenpeace, ist grundsätzlich gegen die | |
Förderung der Technologie: „CCS ist eine teure Scheinlösung, die ein | |
fossiles ‚Weiter so‘ für Industrie und Gas bedeutet“, sagte er der taz. | |
Smid ist der Auffassung, durch andere Baumaterialien wie Holz und mehr | |
Recycling sowie neue Technologien sei sogar in der Baustoff-Industrie CCS | |
überflüssig. Er kritisiert zudem, dass die Bundesregierung [2][mit zu hohen | |
Speicherpotenzialen rechne]. Wenn sich die Speicher in der Nordsee als zu | |
klein herausstellen, könne die Speicherung an Land durch das Gesetz möglich | |
werden, fürchtet Smid. | |
Austretendes CO2 ist für Menschen nur tödlich, wenn es sich zum Beispiel | |
bei ungünstigem Wind in großen Mengen in Tälern sammelt. Pipeline-Lecks | |
führten bisher selten zu gesundheitlichen Schäden. | |
6 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Zementfabrik-in-Norwegen/!6095075 | |
[2] https://www.greenpeace.de/publikationen/20250502-greenpeace-studie-ccs-risi… | |
## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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