# taz.de -- „Wrapped“-Marketingkampagne von Spotify: Nicht einwickeln lasse… | |
> Die „Wrapped“-Kampagne ist kein Grund zur Freude. Spotify macht damit aus | |
> kollektivem Musikgenuss individualisierte Playlists ohne Kontext. | |
Bild: Die Beerdigung von Genres: Spotify Wrapped in London | |
„The Internet Will Break My Heart“ heißt die neue Single von Chris Imler. | |
Veröffentlicht am Black Friday. Auch so ein Tag, an dem das Internet Herz | |
brechen kann. Verkürzte Kapitalismuskritik hier, penetrante | |
Rabattlockangebote dort. | |
Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren inoffiziellen Feiertag, an dem | |
ein schwedischer Internetstreamingdienst alles, wirklich alles aus den | |
Daten rausholt, die man ihm so gibt. [1][Sollte man den „Spotify | |
Wrapped-Day“ überhaupt feiern]? | |
Während die einen diese Marketing-Kampagne euphorisch in Social Media | |
teilen, merken andere – [2][vor allem Musiker:innen, wie schwindend gering | |
Einkünfte sind, die sie aus Streaming generieren. Kritik an diesem | |
Geschäftsmodell ist manchen User:Innen zwar bekannt], aber sie dringt | |
nicht bis zu jenen durch, für die Musikhören bedeutet, sich von irgendeiner | |
seelenlos zusammengestellten Playlist à la „Indie Brandneu“, oder „Songs… | |
Test Headphones With“ berieseln zu lassen. | |
## Unliebsamer Persönlichkeitstest | |
Was Spotify aus passivem Hörverhalten auswertet, liest sich auch nicht, als | |
würde sich dort jemand kritisch mit Musik auseinandersetzen. Eher wirkt es | |
wie das Ergebnis eines Persönlichkeitstests: [3][„Pink pilates princess | |
roller skating pop.“] | |
So fasst Spotify die Musikauswahl eines Bekannten zusammen. Scheinbar | |
clever vom Streaminganbieter, die übers Jahr gehörte Musik so zu | |
rubrizieren, dass man dieses krude Ergebnis teilen möchte. Wozu das Teilen | |
aber auf keinen Fall führen wird, ist, dass sich andere im Musikkonsum | |
einzelner User:Innen wieder erkennen. Es forciert lediglich die komplette | |
Individualisierung von Hörverhalten. Durch KI-generierte | |
Befindlichkeitszusammenfassungen werden somit Genres beerdigt. | |
Auch das ist praktisch für Streaminganbieter: Musik durch das Weglassen von | |
Hintergrund jeder Geschichte zu berauben und sich so vor allem die Hoheit | |
darüber zu sichern, sie zu empfehlen. Denn sollte man sich nun auf die | |
Suche danach machen wollen, aus welchen Genres und Bands sich | |
beispielsweise „Pink Pilates Princess Roller Skating Pop“ entwickelt hat, | |
man wäre heillos überfordert. | |
## Es bleibt immer weniger hängen | |
Was mir dabei wirklich das Herz bricht? Man kann noch nicht mal darauf | |
verweisen, Künstler:innen mit dem Kauf von Tickets zu unterstützen, auch | |
bei Konzerten bleibt zunehmend – vor allem bei kleineren Bands – weniger | |
hängen. | |
Außerdem: Musiker:innen, die sich extra bei Spotify bedanken, auf deren | |
Playlists gelandet zu sein. Das ist, als würden sich schlecht bezahlte | |
Untergebene bei ihrem Chef für einen Obstkorb bedanken, den er ihnen zur | |
Verfügung gestellt hat. Oder will wer für solch Geste freiwillig unbezahlte | |
Überstunden machen? | |
Zum Schluss bleibt festzuhalten: Songs wie „The Internet Will Break My | |
Heart“ von Chris Imler sind nicht mithilfe eines Streaming-Algorithmus zu | |
entdecken. „Wrap Yourself“, Spotify! | |
5 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Spotifygruender-investiert-in-Militaertechnik/!5820447 | |
[2] /Studie-zu-Spotify-Geschaeftspraktiken/!5613333 | |
[3] /Detlef-Diederichsen-Boese-Musik/!6003034 | |
## AUTOREN | |
Johanna Schmidt | |
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