# taz.de -- Wie die Krisen zusammenhängen: Klimakiller Artensterben | |
> Der globale Verlust an Biodiversität und der Klimawandel sind nicht | |
> getrennt voneinander zu sehen. Im Gegenteil: Die Krisen verstärken sich | |
> gegenseitig. | |
Bild: Schmetterlingspräparate in der Ausstellung „Mensch und Natur“ | |
BERLIN taz | Die Klimakrise ist nicht allein. „Wir sprechen von einer | |
Triplekrise – Klimawandel, Artensterben und die Pandemien, das ist alles | |
eins“, sagt Christian Wirth, Professor für Botanik und [1][Biodiversität] | |
an der Uni Leipzig. Zudem verstärkten sich die Krisen gegenseitig. Ein | |
klassisches Beispiel dafür sei das Eschentriebsterben. „Seit den 2000er | |
Jahren wandert aus Südosteuropa ein Pilz nach Norden, der den Laubbaum | |
befällt und junge Triebe abtötet“, sagt Wirth. „Die Trockenheit von 2018 | |
und 2019 hat [2][den geschädigten Eschen den Rest gegeben], der Borkenkäfer | |
hatte leichtes Spiel.“ | |
Der Leipziger Auwald etwa besteht zu 40 Prozent aus Eschen, die nun | |
Trockenheit, Pilz und Käfern zum Opfer gefallen sind. „Die auf Eschen | |
spezialisierten Pilz- und Insektenarten sind dann auch weg“, sagt Wirth. | |
Nun bleibe nur, in Schadgebieten resistente Eschen zu finden und diese | |
Individuen zu vermehren. Auf diese oder ähnliche Weise verlieren wir etwa | |
alle fünf bis zehn Jahre ein Baumart – und so viele haben wir in | |
Deutschland nicht. | |
Laut dem [3][Weltbiodiversitätsrat IPBES], quasi der IPCC für die | |
Artenvielfalt, trägt der Klimawandel zu etwa 15 Prozent zum Verlust der | |
biologischen Vielfalt bei und steht damit an dritter Stelle. Oben rangiert | |
die Landnutzung, die Rodung von Urwäldern am Äquator, bei uns vor allem der | |
Umbruch von natürlichen zu eingesäten Wiesen und Ackerland. An zweiter | |
Stelle stehen Fischerei und Wilderei. „Mit zunehmender Temperatur werden | |
die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Artenvielfalt zunehmen“, sagt | |
Wirth. | |
## Temporär kann es mehr Vielfalt geben | |
„Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur in Deutschland um | |
fast zwei Grad gestiegen, das kann nicht ohne Einflüsse auf die biologische | |
Vielfalt bleiben“, so der Biologe. 2050 könne in London in etwa das heutige | |
Klima von Barcelona herrschen. „Die Schnittmenge von Arten zwischen den | |
beiden Regionen ist derzeit vergleichsweise gering“, sagt Wirth, „es wird | |
also zu massiven Verschiebungen und Verlusten kommen.“ | |
In einer Übergangszeit, wenn einige Arten schon angekommen, andere aber | |
noch nicht weg seien, könnte sich die Diversität temporär erhöhen. Häufig | |
würden fremde Arten aber schnell dominant und unterdrückten dann Vielfalt, | |
sagt Wirth. In ihrer neuen Umgebung fehlten etwa Fressfeinde und | |
Krankheitserreger. Das führe zu einer Homogenisierung. [4][Die Ökosysteme | |
würden sich weltweit ähnlicher]. | |
Doch gerade in Zeiten der Klimakrise ist Artenvielfalt wichtig. Die | |
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält ihre Jahrestagung an | |
diesem Wochenende unter dem Thema „Biodiversität und die Zukunft der | |
Vielfalt“ ab, Wirth ist einer ihrer Sprecher. „Artenreiche Ökosysteme | |
können mit Veränderungen und Störungen besser umgehen“, sagt er. | |
So stärke die Vielfalt des Amazonasgebietes den Regenwald und verhindere | |
bislang, dass er sich in ein Savannenland mit hohem Grasanteil umwandele. | |
Die Vielfalt der Bäume und ihrer Eigenschaften stabilisierten den Wald, | |
eine Monokultur breche schneller zusammen. | |
24 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schutz-der-biologischen-Vielfalt/!5742712 | |
[2] /Invasiver-Pilz-gefaehrdet-Eschen/!5359615 | |
[3] https://ipbes.net/ | |
[4] /Weltweites-Artensterben/!5592689 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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