# taz.de -- Weltweite Klimaschutzbemühungen: „Zu wenig“ | |
> Drei Berichte zum Start der Weltklimakonferenz COP 27 haben eines | |
> gemeinsam: In ihrer Überschrift findet sich das Wort „Gap“ – englisch … | |
> „Lücke“. | |
Bild: Kenia, Mai 2020: Ein Mann schleppt sein Sofa aus seinem überfluteten Hau… | |
BERLIN taz | Die Zahlen sollen der Orientierung der Klimadiplomaten dienen: | |
Bevor am Sonntag die 27. Auflage der Weltklimakonferenz (COP27) in Ägypten | |
startet, haben die Vereinten Nationen gleich mehrere Berichte vorgelegt, | |
die die Ausgangssituation drastisch illustrieren. Da ist zunächst der | |
[1][„Adaptation Gap Report“] zu den weltweiten Bemühungen um Anpassungen an | |
die Erderhitzung, den das Umweltprogramm UNEP am Donnerstag in Nairobi | |
präsentierte. Seine Aussage ließe sich so zusammenfassen: „zu wenig, zu | |
langsam“. | |
Die globalen Bemühungen in der Anpassungsplanung, -finanzierung und | |
-umsetzung halten nicht mit den wachsenden Risiken Schritt: „Der | |
Finanzbedarf in den Entwicklungsländern wird allein für die Anpassung bis | |
2030 auf bis zu 340 Milliarden US-Dollar pro Jahr explodieren“, erklärte | |
UN-Generalsekretär António Guterres. Die Industrieländer hätten bis Mitte | |
des Jahrhunderts aber lediglich eine Verdopplung auf 40 Milliarden | |
US-Dollar zugesagt. | |
Zur Geschichte: Auf der Klimakonferenz in Kopenhagen hatte sich der globale | |
Norden verpflichtet, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar in den | |
Süden zu transferieren. Das soll den Ländern dort helfen, sich an jene | |
Schäden anzupassen, die die Länder aus dem Norden verursachen. Tatsächlich | |
gibt es aber noch nicht einmal verbindliche Regeln, wie dieses Geld erhoben | |
und angerechnet wird. | |
Nach Angaben der Industrieländerorganisation OECD lagen die Transfers 2020 | |
insgesamt bei rund 83,3 Milliarden Dollar. Der „Adaptation Gap Report“ | |
spricht diplomatisch von „Geberländern“, nicht von „Schuldigen“. Und er | |
vermeldet für 2020 einen Anstieg von 4 Prozent zum Vorjahr: Demnach | |
überwiesen die Industriestaaten für Anpassung 29 Milliarden US-Dollar in | |
den Süden. | |
## Deutsche Klimaschuld | |
Die Ampelkoalition in Berlin ist dabei Teil des Problems, nicht der Lösung. | |
Zwar hatte schon die vorige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagt, | |
den deutschen Beitrag für die internationale Klimafinanzierung bis 2025 von | |
4 auf 6 Milliarden Euro aufzustocken. Und die Ampel hatte das zum Beginn | |
ihrer Regierungszeit ebenfalls bekräftigt. | |
Im aktuellen Haushaltsgesetz für das Jahr 2023 sind aber lediglich 4,17 | |
Milliarden vorgesehen und in der mittelfristigen Haushaltsplanung ist keine | |
Aufstockung geplant. Dabei gelte für 6 Milliarden Euro schon, dass sie | |
„nicht angemessen“ sind, meinen Nichtregierungsorganisationen. Sabine | |
Minninger von Brot für die Welt etwa sagt: „Angesichts der Klimaschuld und | |
unseres Reichtums wären 8 Milliarden angemessen.“ | |
Bis Mitte des Jahrhunderts wird der Bedarf der Länder des globalen Südens | |
sogar auf 500 Milliarden Dollar anwachsen. Das zeigt der zweite Bericht, | |
der den Klimadiplomaten auf den Verhandlungstisch gelegt wird: Der | |
„Emission Gap Report“ hat nachgerechnet, was die freiwilligen | |
Klimaschutzpläne der Länder wert sind. Ergebnis: Würden sich – anders als | |
bei den Finanzzusagen – alle Länder an ihre Pläne halten, würde die globale | |
Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 Grad ansteigen. Im | |
Abkommen von Paris hatten sich die 194 Vertragsstaaten aber verpflichtet, | |
Anstrengungen zu unternehmen, „um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad | |
Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“. | |
Notwendig dafür wäre eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2030, | |
tatsächlich aber ist der Ausstoß von Klimagasen im vergangenen Jahr | |
[2][nach Erhebung der Internationalen Energieagentur IEA um 6 Prozent | |
angestiegen] – auf rund 36,3 Milliarden Tonnen. Es war der höchste Anstieg | |
binnen eines Jahres, den es jemals gab. | |
## Schnell über 1,5 Grad | |
80 Prozent der Treibhausgase stammen aus den 20 größten Industriestaaten, | |
laut Prognose der Weltwetterorganisation WMO besteht das Risiko, dass die | |
Jahres-Durchschnittstemperatur der Welt schon bis 2026 erstmals mehr als | |
1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt. | |
Das könnte auch an der Qualität der Klimaschutzpläne liegen, die die Länder | |
beim Weltklimasekretariat UNFCCC eingereicht haben: Viele Staaten wollen | |
Klimaschutz dadurch betreiben, dass sie Treibhausgas-Senken aufbauen, | |
beispielsweise indem sie aufforsten. Mit solchen Praktiken hat sich der | |
Land Gap Report befasst, der in dieser Woche in Melbourne, Australien, | |
vorgestellt wurde: Demnach werden fast 1,2 Milliarden Hektar Gesamtfläche | |
benötigt, um die nationalen Klimaschutzverpflichtungen zu erfüllen, was der | |
derzeitigen globalen Ackerfläche entspricht. Entweder wollen die | |
Regierungen also die Menschen verhungern lassen und die Äcker in Wald | |
umbauen – oder ihre Klimaversprechen sind unrealistisch. | |
Ganz und gar realistisch ist dagegen die Schärfe, mit der Gastgeber Ägypten | |
gegen jede Form von nicht staatlich genehmigtem Klimaprotest vorgeht: Wie | |
der britische Guardian berichtet, wurde der indische Klimaaktivist Ajit | |
Rajagopal festgenommen, der sich in Ägyptens Hauptstadt Kairo zum | |
Protestmarsch in den Küstenort Scharm al-Scheich aufgemacht hatte. Zum | |
ersten Mal wird dort eine COP zusammentreffen, ohne dass [3][eine kritische | |
Zivilöffentlichkeit des Gastgeberlandes] die Verhandlungen begleitet. | |
3 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.unep.org/resources/adaptation-gap-report-2022 | |
[2] /Bericht-der-Energieagentur-IEA/!5887391 | |
[3] /Petersberger-Klimadialog/!5869212 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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