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# taz.de -- Wahlkampf in Berlin: Giffey will es grau
> Wieder wird ein Gesetz von Rot-Rot-Grün durch Giffey gestoppt. Doch in
> der SPD erwacht die Kritik an ihrem Kurs Richtung CDU und FDP.
Bild: Bauen, bauen, bauen. Die ganze SPD ist jetzt eine Betonfraktion. Die ganz…
Berlin taz | Beton. Das war einmal der liebste Werkstoff der
Sozialdemokraten. Mit Beton wurde die Kahlschlagsanierung im Wedding und in
Kreuzberg vorangetrieben, mit Beton verdienten sich die von der SPD
protegierten Baulöwen goldene Hände, und wer in der SPD was werden wollte,
zählte sich natürlich zur Betonfraktion.
Zwar schienen die Berliner Sozialdemokraten in den vergangenen zwei
Jahrzehnten etwas bunter geworden zu sein. Doch nun mehren sich die
Anzeichen, dass ihre [1][Spitzenkandidatin Franziska Giffey] die Partei
wieder auf die traditionelle Farbe einschwören will – grau.
Jüngstes Beispiel ist die Berliner Bauordnung. Zwei Jahre lang haben
Sozialdemokraten, Linke und Grüne an einer Novelle des Regelwerks
gearbeitet, es sollte noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden.
[2][Mit der neuen Bauordnung] wären Dächer und Fassaden grüner geworden.
Das Bauen wäre erleichtert worden, der alternden Gesellschaft wäre mit mehr
Barrierefreiheit Rechnung getragen worden. Doch am Montag teilte die
SPD-Vertreterin Iris Spranger Grünen und Linken mit, dass die Gespräche
beendet seien. Dem [3][Tagesspiegel] verriet Spranger, diese Kehrtwende sei
mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey abgestimmt.
Neben dem [4][Mobilitätsgesetz] ist die Bauordnung das zweite Vorhaben aus
dem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, das kurz vor Ende der Legislatur
platzt. „Ein starkes Stück“, nennt das der grüne Bauexperte Andreas Otto,
der den Entwurf mit seinen Kollegen Daniel Buchholz (SPD) und Michail
Nelken (Linke) ausgehandelt hat. „Es gab eine Beteiligung der Verbände und
der Bezirke, vor allem aber gab es einen Senatsbeschluss, dem auch der
Regierende Bürgermeister Michael Müller zugestimmt hat“, ärgert sich Otto.
„Und jetzt plötzlich zieht die SPD die Notbremse.“ Für Otto ist die Sache
klar: „Das ist die Giffey-Linie. Die wollen jetzt eine andere Koalition.“
## BBU diktiert Giffeys Agenda
Tatsächlich gab es kaum inhaltliche Bedenken, die nicht aus dem Weg geräumt
hätten werden können. Der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen
BBU etwa hatte kritisiert, dass die Quote der barrierefreien Wohnungen im
Neubau von 50 auf 66 Prozent erhöht werden solle. Das sei eine Neubauhürde,
weil diese Wohnungen bis zu 15 Prozent mehr kosten.
„Sollte die Novellierung so beschlossen werden“, hieß es in einer
[5][Pressemitteilung des BBU] vom 18. August, „wäre das ein weiterer harter
Schlag gegen bezahlbaren Wohnraum in Berlin.“ Im BBU sind nicht nur die
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften organisiert, sondern auch private
wie die Deutsche Wohnen. Sie diktieren jetzt offenbar der SPD die Agenda.
In einer letzten Runde hatten sich die drei Fraktionen nach der Kritik des
BBU allerdings darauf verständigt, es bei 50 Prozent barrierefreien
Wohnungen zu belassen. Der einzige Kritikpunkt, den Iris Spranger noch
vorbringen konnte, war deshalb die mangelnde Ausstattung der Bezirke, die
neue Ordnung umzusetzen. „Wenn das jetzt das Kriterium ist, ausgehandelte
Vorhaben platzen zu lassen, kann man die Arbeit gleich einstellen“, sagt
dazu ein Sozialdemokrat.
Auch SPD-Mann Buchholz ist überrascht. Noch vor ein paar Tagen hat der
Umweltexperte der Fraktion mit Franziska Giffey in der Wilmersdorfer Straße
Wahlkampf gemacht. Nach dem Aus für die Bauordnung fragt er sich nun: „Wie
wollen wir die Absenkung des CO2-Ausstoßes um 70 Prozent bis 2030 ohne
Maßnahmen im Gebäude-Sektor bewerkstelligen?“ Für Buchholz ist Klimaschutz
nicht nur ein Lippenbekenntnis. „Man kann doch nicht immer über Klimaschutz
reden, ihn aber da, wo er beschlossen ist, wieder kippen.“
Andere Sozialdemokraten werden noch deutlicher. Gegenüber der taz
kritisiert ein Genosse, dass nun auch dem letzten klar werden müsse, mit
wem Giffey koalieren wolle, nämlich mit CDU und FDP in einer
Deutschlandkoalition.
## Mieterberatung gegen Mietenwahnsinn
Tatsächlich macht Giffey aus ihren Vorstellungen zur Stadtentwicklungs-,
Verkehrs- und Mietenpolitik keinen Hehl mehr. In einem [6][Namensbetrag im
Tagesspiegel] vom Samstag breitete sie ihre mietenpolitische Agenda aus.
Die besteht in der Bestandspolitik lediglich aus einer etwas passgenaueren
Mietenbremse. Ansonsten verweist sie auf mehr Angebote bei der
Mieterberatung. Über Maßnahmen gegen Umwandlung in Eigentumswohnungen oder
Luxusmodernisierung verliert Giffey kein Wort. Mieterberatung gegen
Mietenwahnsinn: Bei solchen absurden Vorschlägen muss sich Giffey nicht
wundern, wenn der Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen am Ende
erfolgreich ist.
Das seien Vorschläge, die noch hinter die Politik der SPD-Bausenatoren
Müller und Geisel zurückfallen, sagt ein Sozialdemokrat der taz, der davon
spricht, dass Giffey nun den Bogen überspannt haben könnte. In einem aber
blieb sie sich treu. 20.000 Wohnungen pro Jahr will Giffey bauen – und
gleich nach der Wahl damit starten.
Da ist er wieder, der Beton. Im Gründe ist er das Ende der rot-rot-grünen
Koalition. Nicht nur bis zum Wahlabend, sondern darüber hinaus. Denn grau
können CDU und FDP besser. Und auch dem Grauen wird kein Einhalt geboten.
Auch Steingärten sollten in der Bauordnung verboten werden. Jetzt sind die
Gärten des Grauens wieder en vogue, Franziska Giffey sei Dank.
31 Aug 2021
## LINKS
[1] /Wahlkampf-in-Berlin/!5792550
[2] /Novelle-der-Berliner-Bauordnung/!5770810
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/gruene-sprechen-von-der-aera-giffey-berl…
[4] /Giffeys-Liebe-zum-Auto/!5791599
[5] https://bbu.de/presse-medien/pressemitteilungen?r=%2Freader%2Fajax%2F47940
[6] https://plus.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/gastbeitrag-von-franzisk…
## AUTOREN
Uwe Rada
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