# taz.de -- Wahlkampf mit Franziska Giffey: Wie bunt darf Berlin sein? | |
> Die SPD in Mitte will mehr legale Graffitiflächen. Beim Ortstermin zeigt | |
> sich: Spitzenkandidatin Giffey hält Sprayer*innen eher für | |
> Störenfriede. | |
Bild: Die SPD macht den Street-Credibility-Check | |
Zu den offenen Fragen dieses Wahlkampfes gehört, ob der Kleidungsstil der | |
Kandidat*innen – oder besser: Kandidatinnen – thematisiert werden darf. | |
Als zuletzt die Berliner Grünen ein Plakat posteten mit Bettina Jarasch und | |
dem Satz: „Politik, die sich in kein Kostüm zwängen lässt“, da beklagten | |
vor allem SPDler*innen in den Sozialen Medien diesen angeblichen | |
Sexismus. Andere hielten den Spruch eher für harmlos, zumal auch die | |
SPD-Kandidatin in Kreuzberg Hannah Lupper mit dem Satz „Rot bis in die | |
Haarspitzen“ für sich wirbt – ein eindeutiger Bezug auf ihre Haarfarbe. | |
Nun kann mensch sich kaum einen Termin vorstellen, bei dem das | |
Erscheinungsbild von Franziska Giffey – denn um sie geht es im Wesentlichen | |
in dieser Debatte – weniger widersprüchlich wäre als der zum | |
„Graffiti-Wahlplakat-Sprühen“, zu dem die SPD am Dienstagvormittag einlud. | |
Fette Beats, derber Gestank nach Lösungsmitteln und dazwischen [1][die | |
SPD-Spitzenkandidatin], deren Kleidungsstil schon in der U-Bahn auffällig | |
ist? | |
Auf die Musik verzichtet die SPD-Mitte schon mal. Und auch das | |
Graffitiplakat ist bereits vorbereitet worden von der Künstlerin Sophia | |
Melone: Viele bunte Gesichter, der Fernsehturm mittendrin, am Rand ein | |
kleines SPD-Logo. Und doch gerät dieser Dienstagmorgen zur Herausforderung | |
für Franziska Giffey. Weniger, was die Klamotten anging, sondern | |
inhaltlich. | |
## Wieder mehr Freiräume | |
Zu dem Termin am Nordbahnhof ist auch Jurij Paderin gekommen. Der | |
41-Jährige hat [2][die Berliner Graffiti-Lobby mitgegründet;] sie wirbt für | |
mehr legale Flächen für Sprayer*innen in Berlin. Gerade mal drei gebe es | |
aktuell in Berlin, alle im einstigen Ostteil, davon zwei in Pankow. „Dabei | |
ist der Umgang mit Graffiti auch ein Gradmesser für die Freiheit einer | |
Gesellschaft“, betont Paderin, der in der Sowjetunion geboren wurde. Man | |
brauche in Berlin wieder mehr Freiräume. | |
Bei der SPD in Mitte, von der unter anderem die Kandidatinnen für Bundestag | |
und Abgeordnetenhaus vor Ort sind sowie Mitglieder der | |
Bezirksverordnetenversammlung, stößt er damit auf offene Ohren. So bemerkt | |
etwa Bundestagskandidatin Annika Klose, dass Grafitti eine Kunstform ist, | |
die man gerade auch in Coronazeiten bewundern konnte – weil sie im | |
öffentlichen Raum stattfindet. Und die SPD im Bezirk setzt die Forderung | |
nach legalen Sprayorten am Nordbahnhof gerade um. | |
Franziska Giffey hinterlässt – im übertragenen Sinne – ganz andere Tags. | |
Zwar schreibt sie, etwas ungelenk wie das so ist beim ersten Ausflug in die | |
Sprayer*innenszene, das Wort „kreativ“ unter den SPD-Slogan „Ganz sicher�… | |
Schließlich könne man, wie sie selbst sagt, „bei Kunst nichts falsch | |
machen“. In der Folge betont sie aber vor allem den Sauberkeitsaspekt. „Für | |
mich ist wichtig, dass nicht neue Parks und Wohnanlagen beschmiert werden“, | |
sagt Giffey. Ihr Lösungsansatz für das Problem: Man müsse aufeinander | |
zugehen, miteinander reden. Konkreter wird es nicht. Der Termin zeigt: Es | |
muss nicht um Kostüme in diesem Wahlkampf gehen, die Auseinandersetzung um | |
Inhalte reicht aus. | |
Ein kleiner Trost für die Graffitiszene: Immerhin das Wahlplakat der SPD | |
ist zur Übermalung freigegeben. Wobei die Künsterlin Sophia Melone hofft, | |
dass es noch ein paar Tage erhalten bleibt. Viel Hoffnung sollte sie nicht | |
haben. Laut Jurij Paderin bleibt neuen Werken an den legalen Wänden | |
lediglich ein paar Stunden, bis sie wieder übersprayt werden, so groß sei | |
die Szene inzwischen. | |
7 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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