# taz.de -- Vorsitz des Innenausschusses: Ausgrenzen – aber richtig | |
> Der Innenausschuss wird wohl ohne AfD-Vorsitz auskommen müssen: Die | |
> anderen Fraktionen wollen den AfD-Kandidaten nicht wählen. | |
Bild: Abgeordnete der AfD-Fraktion, allen voran Alice Weidel | |
BERLIN taz | Niemand will die AfD wählen: Es verdichten sich die Anzeichen | |
dafür, dass die demokratischen Abgeordneten im Innenausschuss des | |
Bundestags den AfD-Kandidaten für den Vorsitz durchfallen lassen werden. | |
Der Vorsitz steht der rechtspopulistischen bis extrem rechten Partei nach | |
der [1][Verteilung im Ältestenrat vergangene Woche formal zu], ebenso wie | |
bei den Ausschüssen für Gesundheit und Entwicklung. Allerdings wollen | |
Abgeordnete mehrerer Fraktionen vor allem im Innenausschuss einem | |
AfD-Vorsitz widersprechen und ihre Zustimmung verweigern. | |
Sicherheitspolitisch wäre ein AfD-Vorsitz im Innenausschuss brisant, weil | |
der Partei selbst eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz droht. Der | |
Vorsitzende plant und führt nicht nur Sitzungen durch, sondern soll auch | |
einen kurzen Draht zu Sicherheitsbehörden haben. | |
Für das Amt nominierte die AfD auf ihrer Fraktionssitzung am Dienstag | |
Martin Hess, einen ehemaligen Polizisten, der Linksextremismus für extrem | |
gefährlich hält und [2][die Gefahr rechtsextremer Netzwerke hingegen | |
relativierte]. Auch interessant: Er war in einer Polizeieinheit mit der vom | |
NSU ermordeten Michèle Kiesewetter, zusammen mit anderen Personen im Umfeld | |
des Uniter-Netzwerkes. Ebenfalls waren zwei Mitglieder dieser Böblinger | |
Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit 523 Mitglieder eines deutschen | |
Ablegers des Ku-Klux-Klans sowie der V-Mann „Corelli“, der sich im | |
NSU-Umfeld bewegte. | |
Trotz dieses Berufsumfelds hält Hess Gegenmaßnahmen und Aufklärung von | |
Rechtsextremismus in der Polizei für eine „Hexenjagd“. Den Vorsitz den | |
Innenausschusses wolle er neutral ausfüllen, behauptete er bei seiner | |
Vorstellung am Dienstag. Am Mittwoch tagt der Innenausschuss erstmals für | |
seine konstituierende Sitzung. | |
## Vize anderer Parteien können übernehmen | |
Schon zuvor sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene | |
Mihalic, der taz: „Die AfD hat das Vorschlagsrecht für den Vorsitz, mehr | |
nicht. Die Abgeordneten in den Ausschüssen sind frei, sich selber zu den | |
Personalvorschlägen zu positionieren.“ Sollte in einem der Ausschüsse dem | |
Vorschlag nicht entsprochen werden, würden laut Mihalic „zunächst“ die | |
Stellvertreter die Sitzung leiten. Wenn diese ebenfalls nicht bestimmt | |
werden könnten, würde die dienstälteste Abgeordnete übernehmen. | |
Die beiden anderen Ampelfraktionen äußerten sich ähnlich, womit bereits | |
eine Mehrheit gegen den AfD-Vorsitz bestünde: Von SPD-Mitgliedern im | |
Innenausschuss wurde kolportiert, dass diese keinen AfD-Vorsitzenden wählen | |
würden – [3][das sei „eine Prinzipienfrage“]. Der parlamentarische | |
Geschäftsführer der FDP, Johannes Vogel, sagte der taz: „Es besteht kein | |
verfassungsrechtlicher Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis im | |
Ausschuss.“ Letztlich entschieden die Ausschussmitglieder – mit Blick auf | |
die Kandidaten. | |
Jan Korte aus der Linksfraktion wurde etwas konkreter: „Die Linke | |
unterstützt oder wählt grundsätzlich keine Rechtsextremen und Faschisten.“ | |
Und auch die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz ließ keinen | |
Interpretationsspielraum: „Man kann den Vorsitz in diesem Ausschuss nicht | |
einer Partei geben, die selbst in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet | |
wird.“ Bestärkt wurde sie vom CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der | |
am Dienstag sagte: „Es ist undenkbar, dass ein AfD-Abgeordneter dem | |
Innenausschuss vorsitzt.“ Er begründete das mit der besonderen Rolle des | |
Innenausschusses – in anderen Ausschüssen sei es personenabhängig. | |
Bei der Wahl für die Ausschussvorsitze lässt sich zumindest für den | |
Innenausschuss vermuten, dass sich ein ähnliches Schauspiel zutragen könnte | |
wie bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten, bei der AfD-Kandidat*innen | |
mittlerweile reihenweise durchgefallen sind. Ein Eilantrag der AfD dagegen | |
beim Bundesverfassungsgericht [4][scheiterte] – für eine ähnliche | |
Organklage der AfD sieht es nicht besser aus: Denn die [5][Wahl der | |
Abgeordneten ist frei]. Heißt also: Formal steht der AfD ein Posten dort | |
zu, aber niemand kann die Abgeordneten dazu zwingen, AfD-Kandidat*innen | |
auch zu wählen. | |
Dass die AfD diesen Ausschuss überhaupt bekommt, haben insbesondere die | |
Grünen verbockt: Sie hatten Zugriffsrecht vor der AfD – wählten aber den | |
unwichtigeren Europa-Ausschuss – auch um Toni Hofreiter dort zum | |
Vorsitzenden zu machen, nachdem dieser kein Minister wurde. | |
## Alter Herr von Germania für Ausschuss | |
Zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses nominierte die AfD Jörg | |
Schneider. Der 57-Jährige ist Alter Herr der rechsextremen Burschenschaft | |
Germania und „freut sich schon auf die Auseinandersetzung mit dem | |
Gesundheitsminister“, wie er am Dienstag sagte. Die AfD hatte während der | |
Pandemie immer wieder Fakten verdreht und Verschwörungsideologien befeuert. | |
Dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sollte | |
Dietmar Friedhoff leiten, der für den Verfassungsschutz 2019 als Begründung | |
für die Einstufung als Prüffall herhalten musste. Laut einer von ihm | |
gehaltenen Rede müssten die Grünen und Angela Merkel „als allererste weg … | |
Das sind die, die unser Volk auflösen wollen, und deswegen müssen wir | |
radikal dagegen vorgehen.“ Merkel wolle das Volk auslöschen, behauptete er. | |
Interessant: Markus Frohnmaier aus dem völkischen Spektrum der Partei war | |
zuvor in mehreren hauchdünnen Wahlgängen als Vorsitzender des | |
Entwicklungsausschusses durchgefallen. Frohnmaier befürwortete die | |
russische Besetzung der Krim, besuchte russische Separatisten und | |
[6][arbeitete mit dem russischen Geheimdienst] zusammen. | |
14 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Innenausschuss-Vorsitz-geht-an-AfD/!5821433 | |
[2] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5577832 | |
[3] https://www.thepioneer.de/originals/hauptstadt-das-briefing/briefings/der-b… | |
[4] /Karlsruhe-zu-Bundestagspraesidium/!5788366 | |
[5] /Umgang-mit-der-AfD-im-Bundestag/!5788319 | |
[6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_85474992/afd-po… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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