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# taz.de -- Vorschlag der EU-Kommission: „Genpflanzen“ ins Essen schmuggeln
> Ein Entwurf der EU-Kommission sieht weitgehende Lockerungen für neue
> Gentechnikmethoden vor. Biobauern und Umweltschützer sind empört.
Bild: Genmanipulierter Weizen
Brüssel taz | Die EU-Kommission will die strengen europäischen
[1][Gentechnik]-Regeln lockern und die Kennzeichnung bei Lebensmitteln
aushebeln. Dies geht aus einem vorläufigen Entwurf der Brüsseler Behörde
hervor, der der taz vorliegt. Offiziell vorgestellt werden soll der Plan
erst am 5. Juli – doch schon jetzt gibt es massive Proteste.
„Der Entwurf der EU-Kommission ist unterm Strich desaströs für die mehr als
80 Prozent der Verbraucher*innen, die keine Gentechnik auf ihrem Teller
wollen. Er ist desaströs für das europäische Vorsorgeprinzip“, kritisiert
der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Das wäre das Aus
der gentechnikfreien, konventionellen und ökologischen Landwirtschaft“,
warnt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Die abzusehende
Patentierungswelle wird den Zugang zu genetischen Ressourcen für die
Züchter:innen noch weiter erschweren oder unmöglich machen. Kleinere und
mittlere ökologische und konventionelle Züchter:innen stehen damit vor
dem Aus.“
Konkret geht es um Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken (NGT) wie
der Genschere Crispr/Cas geschaffen wurden. Sie sollen von der
Risikobewertung ausgenommen werden, wenn die erzeugten Sorten auch durch
herkömmliche Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können.
„Solche Pflanzen würden behandelt wie herkömmliche Pflanzen und würden
keine Autorisierung, Risikobewertung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung
brauchen“, heißt es in dem Entwurf.
Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA habe festgestellt, dass NGT keine
neuen Risiken bedeuten. Außerdem gebe es in der EU und weltweit einen
„signifikanten Bedarf“ für NGT-Pflanzen etwa zur Anpassung an den
Klimawandel. Ob die NGT das besser als herkömmliche Züchtungstechniken
können, ist umstritten.
## Streit über Pestizideinsatz
Eine Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel aus NGT-Pflanzen
ist in dem Entwurf, der nach seiner offiziellen Vorstellung noch durch das
Europaparlament und den Rat der EU-Mitgliedstaaten muss, nicht vorgesehen.
Immerhin müsste Saatgut oder vermehrungsfähiges Material eindeutig
deklariert werden. Im Biolandbau sollen NGT-Pflanzen weiter nicht erlaubt
sein.
„Die Kommission und die Agrarindustrie argumentieren, dass der Einsatz von
NGTs zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen kann“, sagt der grüne
Europaabgeordnete Martin Häusling, der selber einen Biolandhof betreibt.
„Doch die Risiken für Biodiversität, Gesundheit, Züchtung und das
Ernährungssystem sind hoch.“
Der Entwurf kommt inmitten einer ohnehin schon aufgeheizten Debatte über
den Naturschutz und die Gentechnik. Am vergangenen Donnerstag konnte sich
der Umweltausschuss des EU-Parlaments nicht auf eine gemeinsame Position
zum geplanten Renaturierungsgesetz einigen – Konservative und
Rechtspopulisten lehnen den Entwurf ab.
Streit gibt es auch über den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft.
Brüssel plant eine Reduzierung, doch auch hier gibt es Widerstand.
„Konservative Politiker-*innen torpedieren die Pestizidreduktion und
fordern gleichzeitig die Deregulierung des Gentechnikrechts“, kritisiert
der BUND. Es drohe ein „politischer Kuhhandel“.
## SPD gegen Pläne zur Lockerung
Wie das Tauziehen ausgeht, hängt auch von der Bundesregierung ab. Denn
neben dem Europaparlament haben auch die 27 EU-Staaten noch ein Wörtchen
mitzureden. Wie sich die Bundesregierung positioniert, ist noch offen. Aus
dem grün geführten Agrarministerium hieß es, gentechnisch veränderte
Pflanzen sollten eine Risikoprüfung durchlaufen, gekennzeichnet werden und
rückverfolgbar sein.
Dagegen signalisiert das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium
grundsätzliche Unterstützung. „Wir sollten die enormen Chancen nutzen, die
in neuen Züchtungstechnologien stecken“, sagte Ministerin Bettina
Stark-Watzinger. Doch der dritte Partner der Berliner Ampelkoalition, die
SPD, steht auf der Bremse.
Der Vizechef der SPD-Fraktion im Bundestag, Matthias Miersch, spricht sich
klar gegen die Pläne zur Lockerung der Gentechnikregeln aus. Sollte der
bekannt gewordene Vorschlag Realität werden, wäre dies das Ende der
Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die
gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft, sagte er.
In einer repräsentativen Umfrage, die der Verband Lebensmittel ohne
Gentechnik in Auftrag gegeben hat, sprachen sich im Januar 58 Prozent der
befragten Deutschen gegen eine Absenkung der Gentechnik-Standards aus. 25,2
Prozent antworteten mit „Ja“, 16,8 Prozent waren unentschieden.
19 Jun 2023
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[1] /Schwerpunkt-Gentechnik/!t5010915
## AUTOREN
Eric Bonse
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Cem Özdemir
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