# taz.de -- Vor der Bundestagswahl: Kandidat:innen im Klimacheck | |
> Die Initiative #wählbar2021 durchleuchtet die Klima-Ambitionen aller | |
> potenziellen Abgeordneten. Das soll auch neue Allianzen im Bundestag | |
> fördern. | |
Bild: Demonstration vor der CDU-Parteizentrale in Berlin am 17. August 2021 fü… | |
BERLIN taz | Am 17. August steht Phillipp George mit etwa 1.000 | |
Demonstrierenden vor der CDU-Parteizentrale in Berlin. Um ihn herum wehen | |
die Fahnen und Plakate von Greenpeace und Fridays for Future oder | |
Extinction Rebellion. Die Menschen zeigen der Union die „rote Klimakarte“ | |
und propagieren eine „Klimawahl 2021“. | |
Wäre die Demonstration nur hier bei der CDU, dann wäre George gar nicht | |
gekommen. Doch ein weiterer Zug steht vor dem Willy-Brandt-Haus der SPD, | |
später trotten sie gemeinsam zur Zentrale der Grünen. George ist kein | |
Demonstrant. Er will informieren. Auf einer Bühne stellt er sein Projekt | |
[1][„#wählbar2021“] vor. | |
„Wir haben 19 Maßnahmenpakete, vom Tempolimit bis zur Bilanzierung von | |
Treibhausgasen in der Lieferkette und klimaschonender Landnutzung | |
erarbeitet“, erklärt er. Zu denen haben er und seine Mitstreiter:innen | |
alle Kandidat:innen für den Bundestag [2][um Stellungnahme gebeten]. | |
„Der Erfolg hat uns selbst überrascht“, sagt George. Schon mehr als die | |
Hälfte der befragten Politiker:innen hat mitgemacht. Das Ziel: Wer | |
sich fürs Klima interessiert, soll prüfen können, wen aus seinem Wahlkreis | |
er in den Bundestag schickt – und zwar genauer, als der Blick in die | |
Wahlprogramme der Parteien es zulässt. | |
## Laschet, Scholz und Lindner haben nicht geantwortet | |
Das Ganze beginnt mit den Spitzenkandidat:innen und einer kleinen | |
Enttäuschung: Armin Laschet für die CDU/CSU, Olaf Scholz für die SPD und | |
Christian Lindner für die FDP haben noch keine Antworten. Annalena Baerbock | |
für die Grünen und Janine Wissler für die Linken haben den Fragebogen | |
hingegen ausgefüllt. | |
Danach kann man entweder die ganze restliche Liste durchgehen oder per | |
Schnellsuche seinen HeimatkandidatInnen auf den Zahn fühlen. Es geht dabei | |
ins Detail: Die 19 Thesen etwa [3][zu CO2-Preis], Klimabildung in Schulen, | |
Tempolimit, Industriepolitik, Wasserstoff, Klimaschutz als Rechtspflicht | |
des Staates, Kreislaufwirtschaft oder Abbau von Subventionen enthalten | |
jeweils noch mehrere konkrete Forderungen. | |
Kandidat:innen, die noch nicht geantwortet haben, sind dennoch aufgeführt – | |
und per Knopfdruck können Wähler:innen eine vorformulierte E-Mail an | |
diejenigen erstellen und zum Mitmachen auffordern. | |
Hinter der Aktion steht der Verein „CO2-Abgabe e. V.“. Dessen | |
Geschäftsführer Jörg Lange arbeitet in einem Ingenieurbüro und hat auch mit | |
Umwelt- und Klimapolitik zu tun. „Dabei bin ich immer wieder auf | |
bürokratische Hindernisse gestoßen“, sagt er. Seine Erkenntnis: | |
Klimapolitische Veränderung geht nur in den Parlamenten. Und wie die | |
kommenden Abgeordneten im Bundestag handeln, sei entscheidend. | |
„Klimapolitik muss im nächsten Bundestag parteiübergreifend gelingen“, sa… | |
Lange. So entstand die Idee, an alle potenziellen Abgeordneten einzeln zu | |
schreiben, um Gemeinsamkeiten unabhängig der Parteizugehörigkeit zu finden. | |
Gefragt wurden die Parteien aus dem Bundestag, aber auch kleinere Bewerber | |
wie die ödp oder „die Basis“. Die AfD haben die Organisatoren weggelassen. | |
„Da die Partei Klimapolitik insgesamt ablehnt, macht es keinen Sinn, sie zu | |
fragen“, sagt Lange. | |
Nach aktuellem Stand haben von den großen Parteien 243 Grüne (80 Prozent | |
der Befragten), 177 Sozialdemokrat:innen (59 Prozent), 170 Linke (58 | |
Prozent), 134 Liberale (45 Prozent) und 13 Christdemokrat:innen (4 | |
Prozent) mitgemacht. Sie haben den Maßnahmen zugestimmt oder geschrieben, | |
unter welchen Bedingungen sie den Paketen zustimmen würden, und erklärt, | |
warum sie nicht oder anders an die Themen herangehen würden. | |
## Unerwartete Gleichgesinnte ausfindig machen | |
Das Ziel der Organisation ist, die einzelnen Kandidierenden gemäß ihrem | |
Gewissen zu befragen. Jede:n einzeln also. Viele Grüne, vor allem die | |
Top-Leute, haben trotzdem eine gemeinsame Antwort formuliert. „Wir GRÜNE | |
wollen die Emissionen im Gütertransport deutlich senken“, schreiben zum | |
Beispiel gleich mehrere wörtlich. | |
Was Lange noch auffällt: Kandidierende der CDU/CSU positionieren sich kaum. | |
Die Union habe eine gemeinsame Antwort angeboten, allerdings mit | |
selbstbestimmten Schwerpunkten, sagen die Initiatoren. „Dabei hoffen wir“, | |
sagt Jörg Lange, „dass sich gerade auch die Kandidierenden der Union selbst | |
positionieren und nicht auf die Parteiposition zurückziehen.“ | |
Zwei allerdings stechen heraus: Philipp Albrecht aus Oldenburg und Diana | |
Stöcker aus Lörrach. Beide sind progressiv eingestellt, Letztere schließt | |
sogar ein Tempolimit nicht aus. Von ihren für die Union untypischen | |
Gemeinsamkeiten erfuhren sie durch das Projekt. Denn so soll es gerade nach | |
der Wahl laufen: Abgeordnete, die eigentlich ähnliche Meinungen haben, aber | |
nichts voneinander wissen, sollen zueinander finden. | |
Denn nach der Wahl soll die Arbeit erst richtig losgehen. Dann wollen Lange | |
und seine Mitstreiter:innen sämtliche Antworten auswerten, sortiert | |
nach den letztlich gewählten Bundestagsabgeordneten. „Wir werden nach | |
Mehrheiten für geeignete Maßnahmen suchen“, erklärt Lange. Sofern | |
vorhanden, werde man die jeweiligen Politiker:innen dann darauf | |
hinweisen: ein Service fürs Netzwerken, um klimapolitisch komplexe Themen | |
vielleicht auch über Parteigrenzen hinweg zu bearbeiten. | |
Zusammengestellt hat die Maßnahmen Lange selbst. „Man könnte sich mit jedem | |
einzelnen Paket tagelang beschäftigen“, sagt er. Er sagt, er habe das | |
Fachwissen vieler seiner Unterstützer:innen gebündelt. Dazu zählen | |
etwa Monika Griefahn, Greenpeace-Mitgründerin und ehemalige | |
SPD-Umweltministerin von Niedersachsen, die Ökostrom-Unternehmerin Ursula | |
Sladek, der Umweltwissenschaftler Ernst von Weizsäcker. | |
Bei der „Klimawahl“-Demo in Berlin kommt die Idee von #wählbar 21 gut an: | |
„Wählbar ist eigentlich niemand wirklich“, sagt Helen. Trotzdem findet sie, | |
dass es eine „Klimawahl 2021“ wird, wie ihr Schild Auskunft gibt. „Weil | |
diese Regierung als eine der letzten noch wirklich etwas verändern kann.“ | |
Auch Sophie, 21 Jahre alt und Erstwählerin, ist von den regierenden | |
Parteien enttäuscht. Von #wählbar2021 denkt sie, dass es wirklich ein | |
Mittel sein könnte, um die einzelnen Abgeordneten besser einschätzen zu | |
können. | |
Die Initiator:innen wünschen sich nicht nur mehr Mitarbeit in der | |
Politik – sondern auch bei den Menschen an den Wahlurnen. „Es machen noch | |
nicht so viele Wähler:innen mit, wie wir uns das wünschen würden“, sagt | |
Lange. Das sieht auch sein Mitarbeiter Philipp George so, der bei der Demo | |
wirbt: „Wir sind sozusagen wie der Wahl-O-Mat, nur mit einem | |
klimapolitischen Fokus.“ Damit jede:r weiß, wer eigentlich wählbar ist. | |
Und dass Klimapolitik alle angeht. | |
31 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://waehlbar2021.de/ | |
[2] https://waehlbar2021.de/bewertungen-vergleichen/?mpage=4 | |
[3] /Kosten-von-Klimapolitik/!5792299 | |
## AUTOREN | |
Adrian Breitling | |
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