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# taz.de -- Vogeltod durch Kollision mit Glas: Fatale Flugunfälle am BER
> NaturschützerInnen klagen über die vielen Vögel, die an den üppigen
> Glasfassaden des BER verenden. Die Flughafengesellschaft will
> nachbessern.
Bild: Abbild eines Zusammenpralls: Taube kollidiert mit Glas am BER
Berlin/Schönefeld taz | Sie muss mit Höchstgeschwindigkeit gegen die
Glaswand am [1][BER-Terminal T1] geprallt sein: Der Abdruck, den die Taube
hinterlassen hat, lässt erahnen, wie dramatisch eine solche Kollision aus
vollem Flug ist. Schwingen, Rumpf und Kopf sind deutlich zu erkennen, Fett
und Staub im Gefieder wurden mit Wucht auf die glatte Oberfläche gepresst.
Nach unten gehen vom Körper zwei getrocknete Kotspritzer aus. Der Vogel ist
offensichtlich regelrecht geplatzt.
Kein ungewohntes Bild für Claudia Wegworth, Ornithologin beim Berliner
Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Sie befasst sich
seit etlichen Jahren [2][mit dem Thema „Vögel und Glas]“ und hat seit dem
vergangenen Jahr auch den BER verstärkt im Blick. Wie bei vielen in
jüngster Zeit errichteten Großgebäuden bestehen große Teile der neuen
Fassaden in Schönefeld aus Glasscheiben. Vögeln wird das oft zum
Verhängnis.
„Es gibt zwei Probleme“, erklärt Wegworth bei einem Vorort-Termin am BER,
„Reflexion und Transparenz“. Soll heißen: Entweder knallen Vögel gegen
Scheiben, weil sich darin Landschaftselemente wie Bäume spiegeln, die die
Tiere als reale Objekte wahrnehmen und anfliegen wollen. Oder aber sie
sehen hindurch und nehmen das Glas gar nicht wahr. Bei der Taube lässt sich
leicht nachvollziehen, dass Letzteres der Fall war. Die Glaswand gehört zu
einem Übergang vom T1 zu den benachbarten Parkhäusern und steht quasi frei
herum.
Gebäudebrüter wie Tauben, aber auch die Dohlen, die hoch oben am
Terminaldach nisten, haben ein ambivalentes Verhältnis zu Bauwerken wie dem
Flughafenterminal: Sie werden zwar immer wieder zu deren Opfer, nutzen sie
aber auch als Lebensraum. Anders verhält es sich mit vielen anderen
Vogelarten, die einfach nur vorbeikommen, als einzelnes Tier, aber auch als
Zugvogel im Schwarm.
„Im Jahr 2019 haben uns Bilder von Dutzenden Singdrosseln erreicht, die tot
vor den Gebäuden lagen“, berichtet Wegworth. Die Zugvögel hatten den BER
auf dem Weg ins Winterquartier gekreuzt. Fotografisch dokumentiert sind
aber auch Rotkehlchen und sogar ein Eisvogel – den entdeckte der Autor
David Wagner bei einer Begehung des Flughafens [3][im Auftrag der Zeit]. Er
bezeichnete den BER im Text dann als „Vogeltotenhaus“.
## Genaue Zahl unklar
Wegworth geht davon aus, dass eine große Menge Vögel an BER-Scheiben
verendet, eine genaue Zahl sei aber sehr schwer zu ermitteln: „Viele Opfer
werden bald von Greifvögeln, Krähen oder Füchsen abgeräumt, und kleine,
leichte Singvögel hinterlassen kaum Spuren auf dem Glas.“ Bei den Tauben
ist das anders, hier sind gerade auch in größerer Höhe etliche Aufprallorte
zu erkennen. Im Übrigen, so Wegworth, verlaufe die Kollision in vielen
Fällen nicht sofort tödlich. Der Vogel fliehe, vereende aber meist später
an inneren Verletzungen.
Auf Anfrage teilt die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) mit,
man kenne das Problem und nehme es sehr ernst. Seit Eröffnung des BER seien
aber kaum noch Vogelkollisionen aufgetreten: „Uns ist seit November 2020
kein Fall eines Vogelschlags an den Fassaden oder in den Lichthöfen bekannt
geworden“, so Sprecherin Sabine Deckwerth. Das könne am aufgenommenen
Flugbetrieb liegen, „aber auch daran, dass bereits umgesetzte Maßnahmen
Wirkung zeigen“.
Zu diesen Maßnahmen gehört einerseits die Installation von Spikes oder
Netzen, die das Nisten am Gebäude ausschließen sollen. Andererseits, so
Deckwerth, seien bestimmte Flächen an der Fassade des Terminal 1 zu
Testzwecken mit Vogelschutzfolien beklebt worden. Verlaufe die Testphase
erfolgreich, würden die Glasflächen sukzessive mit einer solchen Folie
ausgerüstet.
Claudia Wegworth meldet Zweifel an diesem Zwischenergebnis an: Sie habe
auch in den Wintermonaten immer wieder frische Kollisionsspuren gesichtet,
zudem gehe die Zugsaison erst jetzt wieder langsam los. Was die Folien
angeht, seien diese viel zu kleinteilig aufgebracht worden, um irgendeine
Aussage über ihre Wirksamkeit zu erlauben.
Tatsächlich bedeckt die Folie mit geometrischen Linien nur wenige
Quadratmeter an einer vorderen Kante des riesigen Baukörpers. Fotos der FBB
zeigen auch eine Ecke der derzeit geschlossenen Aussichtsterrasse, wo eine
freistehende Glaswand per Klebefolie mit feinen Streifen überzogen wurde.
Es handelt sich also tatsächlich eher um punktuelle Maßnahmen.
## Folien, aber nur die richtigen
Grundsätzlich können Folien durchaus eine Lösung des Problems sein. Sie
müssen allerdings bestimmte Elemente wie relativ enge Linien oder
Punktraster aufweisen, die bei GebäudedesignerInnen nicht gerade auf
Begeisterung stoßen. In einem kürzlich im Deutschen Architektenblatt
veröffentlichten Beitrag erläutert Klemens Steiof, Artenschutzexperte in
der Senatsumweltverwaltung, wie solche Folien aussehen müssen – und dass
die heute noch verbreiteten Greifvogelsilhouetten absolut unwirksam sind.
„Die Vögel sehen darin keinen gefährlichen Beutegreifer, sondern
bestenfalls das schwarze oder farbige Hindernis, dem sie ausweichen
wollen“, so Steiof. Man könne beobachten, dass Kollisionen oft schon wenige
Zentimeter daneben stattfänden. Der Fachmann zitiert eine Hochrechnung von
Länderfachbehörden aus dem Jahr 2017, derzufolge jährlich über 100
Millionen Vögel in Deutschland „am Baustoff Glas“ sterben, und er
empfiehlt, bei Neubauprojekten gleich durch Sandstrahl oder Ätzung
markiertes Glas zu verwenden. Das sei im Übrigen auch deutlich billiger als
nachträglich Folien aufzubringen, deren Haltbarkeit begrenzt sei. Noch
besser: „Lochfassaden“ mit herkömmlichen Fenstern unter 1,5 Quadratmetern
Fläche.
Das gesamte Thema dringt Claudia Wegworth zufolge erst langsam ins
Bewusstsein von PlanerInnen und BauherrInnen, „vor allem auch, weil die
Naturschutzbehörden in Berlin das Thema inzwischen doch immer öfter auf den
Tisch bringt“. Ihr seien aber bislang in Berlin nur ein Dutzend Objekte
bekannt, wo nachgerüstet wurde. Sie selbst führt im Frühjahr ein Monitoring
an der frisch sanierten Neuen Nationalgalerie durch.
Die Flughafengesellschaft ist bislang noch nicht auf den BUND zugekommen,
wobei sich das Unternehmen laut seiner Sprecherin sowohl von eigenen
Fachleuten als auch von externen Experten und Organisationen beraten lässt.
Wegworth ist skeptisch: „Eigentlich müsste ich diese Experten kennen“, sagt
sie. Auf ein konkretes Gesprächsangebot, dass der BUND der FBB gemacht
habe, sei diese bislang jedenfalls nicht eingegangen.
24 Feb 2021
## LINKS
[1] /Flughafen-BER-ist-eroeffnet/!5724816
[2] /Vogelschlag-an-Glasfassaden/!5521247
[3] http://www.zeit.de/2020/42/berliner-flughafen-ber-eroeffnung-brandenburg-ge…
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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