| # taz.de -- Versorgung von Geflüchteten: Ein Amt ist verzweifelt | |
| > Die Versorgung von Geflüchteten mit Unterkünften wird immer schwieriger. | |
| > Die Hangars in Tempelhof werden ab Freitag wieder Notunterkunft. | |
| Bild: Registrierung von Geflüchteten | |
| Berlin taz | Es ist ein Akt der Verzweiflung und gleichzeitig ein Zeichen, | |
| dass ein neuer Wind weht: Wenige Tage vor Weihnachten lädt die neue Chefin | |
| des Landesamts für Flüchtlingsunterbringung (LAF) Carina Harms zur | |
| gemeinsamen Pressekonferenz mit den bekannten Flüchtlingshilfsinitiativen | |
| der Stadt. Moabit hilft, Schöneberg hilft, Flüchtlingsrat, | |
| Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf sind teils die schärfsten | |
| Kritiker*innen des Amtes. | |
| Aber Harms braucht sie, wieder einmal, wie schon Anfang März, als der | |
| Ukrainekrieg losging und Tag für Tag tausende Flüchtlinge in die Stadt | |
| kamen – und Berlin sie nur dank tausender privater Gastgeber*innen | |
| unterbringen konnte. „Wir schaffen es nicht alleine, wir brauchen die | |
| Stadtgesellschaft, die Initiativen“, sagt Harms am Montag. | |
| Für was genau, sagt sie nicht, aber im Verlauf des Gesprächs wird klar: Die | |
| Initiativen sollen helfen, die schlechten Umstände, unter denen nun | |
| Geflüchtete untergebracht werden (müssen), so erträglich wie möglich zu | |
| machen. Mit der Organisation von Kleiderspenden, Bildungsangeboten, | |
| Beratungen – und der Organisation möglichst vieler privater Unterkünfte. | |
| Hintergrund des verklausulierten Hilferufs sind die rasant steigenden | |
| Zugangszahlen: Täglich kommen rund 70 Asylbewerber*innen nach Berlin | |
| sowie etwa 100 Ukrainer*innen, die kein Asyl beantragen müssen. In den | |
| regulären Unterkünften des LAF – 30.000 Plätze gibt es inzwischen (ein Jahr | |
| zuvor waren es noch 6.000 weniger) – ist quasi nichts mehr frei, darum | |
| braucht die Stadt immer mehr Notunterkünfte. Rund 3.500 sind es schon im | |
| Ankunftszentrum Tegel, bis Jahresende sollen dort noch einmal 3.200 in | |
| „Leichtbauhallen“, etwas besseren Zelten, entstehen. | |
| Und am 23. Dezember, diesen Freitag, sollen auch die Hangars 2 und 3 in | |
| Tempelhof wieder als Notunterkunft in Betrieb genommen werden. 850 Plätze | |
| werde es dort geben, so Harms, „etwas besser als 2015/16“, weil dieses Mal | |
| in den riesigen Hallen Container aufgestellt werden, wo je zwei | |
| Doppelstockbetten reinkommen. Dann hätten die Menschen wenigstens „etwas | |
| Privatsphäre“, hofft Harms. Die eigentliche Hiobsbotschaft geht dabei etwas | |
| unter: dass nämlich Notstrukturen wie Tempelhof und Tegel fürs Erste zur | |
| Dauereinrichtung werden, wo Menschen nicht nur wenige Tage, sondern Wochen | |
| und Monate leben werden – weil es nichts anderes für sie gibt. | |
| ## „Karren aus dem Dreck“ | |
| Dabei hagelt es schon jetzt Kritik an den Zuständen in Tegel. Georg Classen | |
| vom Flüchtlingsrat berichtet von einer Frau mit krankem Kind, die seit acht | |
| Wochen in einem Zelt vor Terminal C lebe – ohne Privatsphäre, ohne Hilfe, | |
| bei Kälte und Enge. Nicht einmal besuchen könne man sie, alle Zugänge zum | |
| Gelände seien gesperrt: „ein Nicht-Ort, wo Zivilgesellschaft keinen Zutritt | |
| hat“, moniert er. Harms hört zu, nickt. | |
| Eine andere Kritik formuliert Diana Henniges von Moabit hilft: Es sei | |
| schön, dass man wieder ins Gespräch komme, aber die Initiativen wollten | |
| nicht wieder nur den „Karren aus dem Dreck“ ziehen. Sie fordert einen | |
| festen Ansprechpartner beim LAF für die Initiativen, die tausende | |
| Geflüchtete in allen Lebenslagen „betreuen, weil die Behörden das nicht | |
| können“. Damit man akute Fragen – etwa ein Wohnungsangebot, das weg ist, | |
| wenn das Amt nicht schnell zustimmt – unbürokratisch ösen könne. | |
| Einig waren sich alle Initiativen, dass Berlin zu wenig tut, um private | |
| Gastgeber*innen zu unterstützen – und bei der Stange zu halten. „Warum | |
| gibt es keine Energiekostenpauschale für Hosts? Andere Städte haben das“, | |
| fragt etwa Anne-Marie Braun von Schöneberg hilft. Private | |
| Gastgeber*innen hätten zudem große Probleme, Mietkostenübernahmen zu | |
| bekommen oder überhaupt bei Ämtern Gehör zu finden. „Immer mehr springen | |
| ab, dabei ist alles besser als Zelte und Hangars.“ Harms nickt wieder. | |
| Aber ob sie das ändern kann? | |
| 19 Dec 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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