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# taz.de -- Versöhnung von ARD und Mehmet Scholl: Nur Feiglinge schweigen
> Scholl wollte bei einer Confed-Cup-Sendung nicht über Doping sprechen –
> und floh. Dass er zurückkommen darf, ist ein Armutszeugnis für die ARD.
Bild: Ein Feigling?
Mehmet Scholl darf in der ARD weiter expertieren. Am 14. August wird er bei
der Live-Übertragung des Erstrundenspiels im DFB-Pokal zwischen Hansa
Rostock und Hertha BSC wieder sagen, was ihm zu dem Spiel einfällt. Die ARD
und ihr gut bezahlter Fußballexperte mögen sich wieder, nachdem sie sich im
Juni während des [1][Confederations Cups in Russland] gestritten hatten.
Da wurde heiß diskutiert, dass die russische WM-Mannschaft von 2014 Teil
des groß angelegten staatlichen Dopingplans war, [2][wozu Scholl partout
nichts sagen wollte.] Weil die ARD auf eine Berichterstattung darüber nicht
verzichten wollte, ist Scholl einfach abgehauen. Jetzt darf er wieder so
tun als wäre nichts gewesen. Von Chefs, wie es sie bei der ARD gibt,
dürften viele ArbeitnehmerInnen träumen.
Da reist einer einfach ab, der dafür bezahlt wird, dass er seine Meinung
sagt, weil er keine Lust hat, seine Meinung zu einem Thema zu äußern, das
ihm nicht passt – und kommt damit auch noch durch. Scholl erinnert sich an
den Tag seines Abgangs ganz genau. Zur Redaktion will er gesagt haben: „Ich
möchte, dass diese Story für diesen schönen Tag draußen bleibt.“
War das Wetter zu schön für eine kleine Anmerkung zum Thema Doping im
Fußball? War der ganze Confed Cup zu toll, das deutsche C-Team, das als
Nationalmannschaft spielen durfte, zu geil, Chiles Arturo Vidal zu gut
frisiert und die Glatze von Fifa-Chef Gianni Infantino zu glatt poliert für
ein paar Worte über leistungssteigernde Mittel?
Doping gehört zum Fußball, genauso wie Wettbetrug, Fanrandale und
Steuerhinterziehung. Wenn ein Experte dazu nichts sagen will, dann ist er
ungeeignet für den Job. Und wenn er das Studio fluchtartig verlässt, dann
sollte der Sender tunlichst dafür sorgen, dass er es nie wieder betritt.
## Ein Halbwitz hätte genügt
Doping im russischen Fußball – dazu hätte Scholl viel sagen können: Dass
ihm das egal ist zum Beispiel, weil die Mannschaft bei der WM vor drei
Jahren sowieso nichts gerissen hat und in der Vorrunde ausgeschieden ist.
[3][Oder dass Doping im Fußball nichts bringt.] Das hat er schon mal
gesagt, als bekannt wurde, dass die Uni Freiburg dem VfB Stuttgart und dem
SC Freiburg ihr Wissen über pharmazeutische Leistungssteigerung zur
Verfügung gestellt hat.
Scholl wäre wahrlich nicht der Einzige, der so etwas von sich gibt. Er
befände sich in guter Gesellschaft. Witali Mutko, der Präsident des
russischen Fußballverbands und Sportminister, als das Dopingprogramm noch
auf Hochtouren lief, ist dieser Meinung. Doch Scholl hatte offenbar nicht
den Mumm, sich mit dieser Meinung ein paar Watsch’n einzufangen.
Scholl hätte auch ganz einfach einen seiner bekannten Halbwitze reißen
können: Russische Fußballer sollen gedopt haben – womit, eigentlich, mit
Bremsflüssigkeit? In russischen Medien kursiert der Gag seit Wochen. Und er
hätte es sich ganz einfach machen können, indem er irgendetwas von
„schlimm, schlimm, dieses Doping“ gesagt hätte, von schwarzen Schafen, die
im Sport nichts verloren hätten, das übliche Moralgesäusel eben. Aber er
wollte all das nicht, er wollte verhindern, dass über Doping gesprochen
wird. Das Thema war ihm zu unschön.
Dass er jetzt ans Expertenmikrofon zurückkehren darf, ist ein
journalistisches Armutszeugnis für die ARD, der die Präsentation von
Sportevents, deren Übertragungsrechte sie teuer eingekauft hat, am Ende
wieder einmal wichtiger ist als kritische Berichterstattung.
Scholl ist ja vor allem deshalb Experte, weil er eine ganz ordentliche
Spielerkarriere hingelegt hat. 15 Jahre hat er für den FC Bayern München
gekickt. Dabei hat er nicht nur jede Menge Titel gewonnen, sondern auch
jede Menge Verletzungen erlitten. Ins Champions-League-Finale von 2001 ging
er trotz Kapselriss, Innenbandriss, Außenband- und
Syndesmoseband-Teilabriss. Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt
hatte ihn irgendwie fit gekriegt. Über den Einsatz von Medikamenten im
Fußball hat einer wie Scholl, weiß Gott, mehr zu sagen als nichts. Also,
raus mit der Sprache oder raus!
9 Aug 2017
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## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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