# taz.de -- Doping-Urteil gegen HSV-Profi Vušković: Die Macht der Zweifler | |
> Das DFB-Sportgericht sperrt Mario Vušković vom Hamburger SV für zwei | |
> Jahre. Der Protest ist groß. Über das Verhältnis von Fußball und Doping. | |
Bild: Glaube an das Gute: HSV-Fans bekunden ihre Solidarität mit dem gesperrte… | |
Würde man unter den Anhängern des Hamburger SV eine Umfrage erheben, ob ihr | |
geliebter Innenverteidiger Mario Vušković gedopt hat, wäre das Ergebnis | |
absehbar. Die Mehrheit würde vermutlich sagen: Das glaube ich nicht. Auch | |
das Urteil des DFB-Sportgerichts vom Donnerstag, laut dem die Analysen der | |
A- und B-Probe seiner Überzeugung nach mit „hinreichender Gewissheit“ | |
zeigen, dass sich im Urin des 21-jährigen Kroaten Epo befunden hat, wird | |
die Überzeugung der Fans kaum ins Wanken bringen. Am Fußball hängen die | |
Emotionen unzähliger Menschen. So werden die Debatten über Doping emotional | |
geführt. Die Wucht der Gefühle vermag es, dass selbst wissenschaftliche | |
Ergebnisse von Dopinglaboren auf der Ebene von Glaubensfragen verhandelt | |
werden. | |
Gewiss kann es auch im Fußball falsch-positive Proben geben. Es handelt | |
sich dabei aber um absolute Ausnahmefälle. Umso erstaunlicher ist es, | |
[1][mit welcher Eindeutigkeit der HSV für seinen Spieler Partei ergreift], | |
der nun für zwei Jahre gesperrt wurde. Der HSV-Vorstand Jonas Boldt | |
kündigte an, man werde vor dem DFB-Bundesgericht in Berufung gehen. Dabei | |
wäre eine vierjährige Sperre möglich gewesen. | |
Vor dem Richterspruch hatte Boldt gepoltert, es könne „eigentlich nur einen | |
Freispruch geben“. Wie die Vušković-Anwälte vor Gericht stellte er [2][die | |
Nachweismethode] von Epo grundsätzlich in Frage. Seit 2013 wird das | |
Wachstumshormon, das die Zahl der roten Blutkörperchen und den | |
Sauerstofftransport erhöht, mit einem speziellen Urintestverfahren | |
ausfindig gemacht. Dabei entsteht ein Bild, bei dem künstliches Epo vom | |
körpereigenen Epo per Augenschein unterschieden werden kann. | |
Weit über 400 Sportlerinnen und Sportler sind laut der Statistik der | |
Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) nach diesem Verfahren als Epo-Betrüger | |
enttarnt worden. Jonas Boldt vom HSV dagegen stellte vor den Mikrofonen des | |
TV-Senders Sky fest, dass man „leider auf einem Rücken eines jungen | |
Menschen einen Präzedenzfall“ habe. | |
## Spott über das Dopinglabor | |
Das Premierengefühl von Boldt entspricht dem Selbstverständnis in der | |
Fußballwelt. Doping ist immer nur anderswo. Der Fußball hat nichts damit zu | |
tun. Eine Grundhaltung, [3][die etwa Mehmet Scholl legendär verkörperte.] | |
In seinem Job als TV-Experte bei der ARD weigerte er sich, über das Thema | |
überhaupt nur zu sprechen. Jetzt, da sich dies mit Vušković und dem ersten | |
Epo-Fall im deutschen Profifußball nicht vermeiden lässt, wird aber gleich | |
das System in Frage gestellt – also das der Anti-Doping-Kämpfer. | |
Es sei „keine Verhältnismäßigkeit“, wenn das menschliche Auge entscheide… | |
ob ein Befund positiv oder negativ sei, erklärte Boldt. Die Nada-Analysten | |
der Vušković-Probe sprachen von einem eindeutigen Bild. Die vier vom HSV | |
und Vušković bezahlten Gutachter haben vor Gericht die Ergebnisse des | |
Labors in Kreischa dagegen als „falsch positiv“ deklariert. Boldt spottete | |
kürzlich, als er sich über eine vermeintlich falsche | |
Videobeweisentscheidung bei einem HSV-Spiel aufregte: „Ich weiß nicht, ob | |
sie da irgendwelche verschwommenen Doping-Bilder aus Kreischa eingeblendet | |
haben …“ | |
Das Säen von Zweifeln betreibt der HSV nicht exklusiv. Die Süddeutsche | |
Zeitung titelte etwa im Februar „Der Ruf der globalen Dopinganalytik steht | |
auf dem Spiel“. Geschrieben wurde zwar von einer Reihe anderer umstrittener | |
Dopingbefunde in der Vergangenheit, die Grundsatzfrage wurde aber gestellt, | |
nachdem das Fußballbusiness das Thema groß gemacht hatte. Konkrete Bedenken | |
von Experten wurden angeführt. Das Testbild könne etwa ungünstig verfälscht | |
werden, wenn zu viel Urin für die Probe verwendet wird. | |
Die Verteidiger von Vušković prangerten genau das an. Das Labor habe 20 | |
statt der maximal zulässigen 15 Milliliter Urin verwendet. Es wurden aber | |
lediglich 10 Milliliter genutzt, das bestätigt eine Recherche von Zeit | |
Online. Der Epo-Nachweis ist komplex, aber er ist es immer gewesen. | |
## Ein Befangenheits- und Strukturproblem | |
Angreifbar hat sich das DFB-Gericht in seinem Verfahren unbestreitbar | |
gemacht. So sitzt der Gutachter Jean-Francois Naud, der die Arbeit des | |
Labors in Kreischa überprüfte, in derselben Wada-Arbeitsgruppe wie Sven | |
Voss, der Laborleiter von Kreischa. Ein Befangenheitsproblem wollte das | |
Gericht nicht sehen. | |
In jedem Fall liegt ein strukturelles Problem vor. Es gibt außerhalb der | |
Wada nur wenige Wissenschaftler, die Epo-Analysen durchführen. Deshalb | |
konnte die Verteidigung von Vušković auch keinen Epo-Experten aufbieten, | |
was ihr zum Nachteil gereichte. Doch mit diesem Problem müssen sich | |
überführte Epo-Betrüger seit Jahren herumschlagen. | |
Über Doping und Fußball würde die DFB-Gerichtsbarkeit am liebsten nicht | |
mehr sprechen. Vušković wurde ein Deal angeboten. Strafmilderung, wenn er | |
zugeben würde, dass er gedopt habe. Die Akten hätten geschlossen werden | |
können. Einzelfall, fertig, aus. Doch Mario Vušković und seine Anwälte | |
willigten nicht ein. Es wird eine nächste Runde geben. Grundsätzliches wird | |
wieder verhandelt werden. | |
31 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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