# taz.de -- Verletzung der Privatsphäre: Amt schaut Flüchtlingen unters Bett | |
> Flüchtlinge werfen Mitarbeitern des Landkreises Cuxhaven vor, | |
> unrechtmäßig in ihre Wohnungen eingedrungen zu sein. | |
Bild: Haben ein Recht auf Privatsphäre - es sei denn, sie wohnen in Cuxhaven: … | |
HAMBURG taz | Flüchtlinge werfen Mitarbeitern des Landkreises Cuxhaven vor, | |
ihre Privatsphäre verletzt zu haben. Sie sollen mit Zweitschlüsseln in die | |
Wohnungen der Asylsuchenden eingedrungen sein, auch wenn diese gar nicht zu | |
Hause waren, sollen Schränke geöffnet und private Dinge fotografiert haben, | |
berichtete der NDR. Sozialdezernent Friedhelm Ottens bestreitet die | |
Vorwürfe. | |
„Im Sommer letzten Jahres haben sich die Flüchtlinge an uns gewandt“, sagt | |
Karl-Heinz Zulkowski-Stüben vom Arbeitskreis (AK) Asyl in Cuxhaven. Eine | |
somalische Familie, die in einer Wohnung in Cuxhaven lebt, berichtete den | |
Unterstützern schriftlich von sehr häufigen unangekündigten Kontrollen. | |
Mehrmals im Monat hätten Mitarbeiter des Sozialamtes alle Räume | |
kontrolliert, in Kommoden und unter die Betten geschaut. „Wenn meine Frau | |
die Tür öffnete, gingen die Mitarbeiter ohne zu zögern und ungefragt in die | |
Wohnung“, schreibt der Mann. Manchmal hätten die Mitarbeiter auch selbst | |
die Tür aufgeschlossen und die Personalien von Gästen kontrolliert. | |
Von solchen Kontrollen und Schikanen hätten weitere Flüchtlinge berichtet, | |
sagt Zulkowski-Stüben. Der AK Asyl reichte deshalb im Mai 2014 eine | |
Beschwerde bei der Behörde ein. Deren Antwort bezieht sich auf das | |
Asylbewerberleistungsgesetz. Demnach gilt die Unterkunft als Sachleistung. | |
Mieter sei der Landkreis Cuxhaven und dessen Mitarbeiter „berechtigt, die | |
Wohnung zu betreten und in Augenschein zu nehmen“. | |
Sozialdezernent Friedhelm Ottens bestätigt, dass seine Mitarbeiter | |
Schlüssel zu den Wohnungen hätten. Sie würden dort zum Beispiel nachsehen, | |
ob etwas kaputt sei oder sich Schimmel gebildet habe. Das sei wichtig – | |
auch für die Gesundheit der Bewohner –, da sich viele Flüchtlinge mit der | |
Feuchtigkeit an der Küste nicht auskennen würden, sagt Ottens. | |
Zudem müssten die Mitarbeiter schauen, ob genügend Betten vorhanden seien, | |
wenn Asylbewerber in einer Wohnung untergebracht werden sollten. Die | |
Behörde kündige den Besuch aber vorher an. „Ich kann aber nicht | |
ausschließen, dass es manchmal zu Verständigungsproblemen kommt“, sagt der | |
Dezernent, der stets die Willkommenskultur des Landkreises betont. | |
Wegen wiederholter Beschwerden gab es bereits ein Gespräch zwischen | |
Flüchtlingen und der Behörde. Betroffene berichteten dabei von | |
Einschüchterungen und herabsetzenden Handbewegungen. Nach dem Treffen habe | |
sich die Situation der Flüchtlinge, die er kenne, zunächst verbessert, sagt | |
Zulkowski-Stüben. Wohl auch, weil Ottens mit seinen Mitarbeitern über | |
„Verhaltensregeln“ sprach. | |
Er beteuert, dass seine Mitarbeiter an der Tür klingelten und „in der | |
Regel“ nicht hineingingen, wenn keiner da sei. Den Vorwurf, seine Kollegen | |
hätten Schränke gefilzt, weist er zurück. Wegen der hohen | |
Asylbewerberzahlen und dem Druck, der auf den Kommunen laste, komme es | |
jedoch manchmal zu „Notsituationen“ – wie vor drei Wochen. | |
Da sollen Mitarbeiter des Sozialamtes das Schlafzimmer eines psychisch | |
kranken Bewohners aufgeschlossen haben, als dieser nicht zu Hause war, und | |
ein zusätzliches Bett hineingestellt haben. „Er war völlig von der Rolle, | |
weil er dachte, dass da jemand heimlich, still und leise in seinem Zimmer | |
war“, sagt Zulkowski-Stüben. | |
Für Rechtsanwalt Paulo Dias rechtfertigt ein fehlendes Bett keinesfalls das | |
Eindringen in die Privaträume eines Flüchtlings. „Was die Kommune da | |
gemacht hat, ist offenkundig rechtswidrig“, sagt er – möglicherweise ein | |
Hausfriedensbruch. Denn auch für Asylbewerber gelte die Unverletzlichkeit | |
der Wohnung. | |
Dass die Unterkunft eine Sachleistung sei, ändere daran nichts, sagt Dias, | |
der auf das Asylrecht spezialisiert ist. An einen Einzelfall im Landkreis | |
Cuxhaven glaubt er nicht: „Das ist ein flächendeckendes Problem.“ Es sei | |
daher wichtig, dass sich die Betroffenen juristisch gegen die Behörden | |
wehrten und ein Exempel statuierten. | |
27 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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