# taz.de -- Verkehrswende in Städten: Gemeinsam zur Arbeit pendeln | |
> Keine Rushhour, das Klima schützen und trotzdem nicht auf das Auto | |
> verzichten. Mit einer App möchte der ADAC genau das jetzt fördern. | |
Bild: Da hätten ein paar Fahrgemeinschaften vielleicht für Entlastung gesorgt | |
BERLIN taz | Wie sähe eine Straße in der Rushhour ohne die Autos um die | |
Menschen aus? Vermutlich so: lauter einzelne Personen, die sich mit | |
immensem Abstand voneinander die Straße entlangbewegen. 1,2 Menschen sitzen | |
im Schnitt im [1][Berufsverkehr in den Autos] – [2][verhältnismäßig ist das | |
nicht]. | |
Um das zu ändern, will der Autofahrerclub ADAC nun Fahrgemeinschaften | |
fördern, vor allem unter [3][Pendler:innen]. Dafür hat er die App „ADAC | |
Pendlernetz“ entwickelt und kooperiert dafür mit dem Unternehmen Schwarz | |
Mobility Solutions. Dieses betreibt seit 2020 eine Plattform für | |
Mitfahrgelegenheiten durch die App twogo. | |
Ziel der Pendlernetz-App sei es, „Autofahrten zu verringern, Kosten zu | |
senken und Umweltbelastungen zu reduzieren“, sagt ADAC-Vorstand Dieter | |
Nirschl. Außer für Berufspendler:innen komme das Angebot auch für | |
Schüler:innen oder Studierende in Frage – gerade außerhalb der Städte. | |
„Auf dem Land ist Mobilität ohne Auto bisher kaum möglich. Hier sehen wir | |
erhebliches Potenzial, andere Menschen mitzunehmen oder selber bei einem | |
passenden Angebot mitzufahren. Sei es zum Einkaufen, zum Stadtbummel oder | |
Arztbesuch“, sagte ein ADAC-Sprecher der taz. | |
Stephan Tschierschwitz leitet den Bereich Mobilitätslösungen der Schwarz | |
Mobility Solutions. Er erklärt, wie die App funktioniert: Nutzer:innen | |
können ihr Fahrtziel angeben und bekommen im Idealfall eine passende | |
Mitfahrgelegenheit angezeigt. Die App ermittelt dann die Kosten für die | |
Fahrt und teilt sie fair unter den Mitfahrer:innen auf. Dabei schlägt | |
sie 30 Cent pro Kilometer vor, was der Kostenbeteiligung des | |
Bundesreisekostengesetzes entspricht. Je mehr Personen im Auto sitzen, | |
desto günstiger wird die Fahrt also. | |
## Potenzial zum Gamechanger | |
Lisa Ruhrort vom Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für | |
Urbanistik hält Apps, die Fahrgemeinschaften vermitteln, für einen guten | |
Ansatz, um die Verkehrswende zu unterstützen. Bisher hätten die meisten | |
Versuche, solche Fahrgemeinschaften in Deutschland zu etablieren, wenig | |
Reichweite. Wegen der großen Mitgliederschaft des ADAC könne das neue Tool | |
aber so etwas wie ein Gamechanger werden. | |
Nach Angaben des Automobilclubs werden bei einer Strecke über 10 Kilometer | |
schon 1,5 Kilogramm CO2 eingespart, wenn sich zwei Personen das Auto | |
teilen, auf 100 Kilometer gerechnet wären das 15 Kilogramm CO2 weniger – | |
und der:die Fahrer:in bekommt 30 Euro von der:dem Mitfahrenden. | |
Nutzen mehrere Personen das Auto mit, ist der Mehrwert entsprechend größer. | |
Das sind gute Argumente, meint der ADAC-Sprecher – aber es müssten eben | |
auch viele Menschen gewonnen werden, andere mitzunehmen oder bei anderen | |
einzusteigen. „Das Grundproblem ist, dass der Anreiz für Fahrer:innen | |
nicht besonders groß ist“, sagt Ruhrort. Gemessen an dem empfundenen | |
Aufwand seien die 30 Cent pro Kilometer wenig. | |
Um Fahrgemeinschaften attraktiver zu machen, müssten nichtmonetäre Anreize | |
geschaffen werden, also Vorteile für Pendler:innen, die gemeinsam fahren, | |
sagt Ruhrort. So könnten etwa Unternehmen privilegierte Parkplätze für | |
Fahrgemeinschaften anbieten. | |
Die App GoFlux, die ebenfalls Fahrgemeinschaften vermittelt, kooperiert mit | |
dem Verkehrsbund Rhein-Sieg und arbeitet mit Kommunen und großen | |
Unternehmen zusammen, etwa dem Universitätsklinikum Bonn. Laut der | |
GoFlux-Website vermieden die Fahrgemeinschaften der Mitarbeitenden des | |
Klinikums von September 2022 bis Juni 2023 30.000 Fahrkilometer und mehr | |
als 8.500 Kilogramm CO2. | |
## Mehr Anreize | |
Aber auch Städte und Kommunen müssten Anreize schaffen und bereit sein, | |
dafür womöglich andere einzuschränken, sagt Ruhrort. Würden sich | |
Fahrgemeinschaften stärker etablieren, seien Städte schließlich auch die | |
zentralen Nutznießer. Die twogo-App, die mit dem ADAC kooperiert, habe in | |
Deutschland derzeit rund 30.000 registrierte Nutzer:innen, „Tendenz stark | |
steigend“, sagt Tschierschwitz von Schwarz Mobility Solutions. | |
Besonders groß sei die Nachfrage in großen Ballungsgebieten wie Berlin, | |
Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart und München. Ziel der Kooperation | |
sei es aber, das Mitfahren flächendeckend in Deutschland zu etablieren – | |
und dabei eben auch die Mobilität auf dem Land zu stärken. | |
18 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hanna Koban | |
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