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# taz.de -- Verbrechen der Colonia Dignidad in Chile: Keine Aufarbeitung vor Ge…
> Die Verbrechen der Colonia Dignidad werden wohl nicht vor Gericht kommen.
> Gegen einen in Chile verurteilten Mann reiche der Tatverdacht nicht aus.
Bild: Vergeblicher Protest: Opferangehörige demonstrieren 2013 vor Hopps Haus …
Berlin taz | Beteiligung an Mord, Körperverletzung und Beihilfe zu
sexuellem Missbrauch – so lauten die Vorwürfe von Opfern der Colonia
Dignidad gegen Hartmut Hopp. Er war der Leiter des Krankenhauses jener 1961
in Chile gegründeten deutschen Sektensiedlung, in der unbezahlte
Zwangsarbeit, sexualisierte Gewalt und zwangsweise Verabreichung von
Psychopharmaka an der Tagesordnung waren.
Hopp war enger Vertrauter des Sektenchefs Paul Schäfer und galt als
Verbindungsmann zum chilenischen Geheimdienst DINA, der während der
[1][Pinochet-Diktatur] auf dem Gelände der Colonia Dignidad hunderte
politische Gefangene folterte und dutzende von ihnen ermordete.
Die Staatsanwaltschaft Krefeld stellte die strafrechtlichen Ermittlungen
gegen Hopp im Mai 2019 ein. Nun lehnt auch die Generalstaatsanwaltschaft
Düsseldorf eine Wiederaufnahme dieser Ermittlungen ab. Es waren die letzten
noch laufenden Ermittlungen zur Colonia Dignidad in Deutschland.
In Chile wurde Hartmut Hopp [2][2013 vom Obersten Gerichtshof rechtskräftig
verurteilt]: zu einer Haftstrafe von fünf Jahren wegen Beihilfe zu
sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern durch Paul Schäfer.
## Kein hinreichender Tatverdacht
Doch Hopp entzog sich dieser Strafe, indem er sich 2011 nach Deutschland
absetzte. Seitdem lebt er unbehelligt in Krefeld. Als deutscher
Staatsangehöriger wird er nicht nach Chile ausgeliefert. Ein Antrag Chiles,
wonach er seine Haftstrafe in Deutschland verbüßen sollte, wurde 2018
abgelehnt.
Nach einer Anzeige der Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf, die mehrere Opfer
vertritt, leitete die Staatsanwaltschaft Krefeld 2011 ein
Ermittlungsverfahren unter anderem gegen Hopp ein. Die Vorwürfe:
Beteiligung an Mord in Form von Verschwindenlassen von politischen
Gefangenen auf dem Gelände der Colonia Dignidad, Körperverletzung in Form
von zwangsweiser Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische
Indikation sowie Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Kindern.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren 2019 ohne Anklageerhebung ein.
Schlagenhauf betonte jedoch, mehrere von ihr angebotene Zeugen seien nie
vernommen worden, und legte Beschwerde gegen die Einstellung der
Ermittlungen ein.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf als nächsthöhere Instanz lehnt
diese Beschwerde nun ab und erklärt, ein „hinreichender Tatverdacht gegen
den Beschuldigten“ könne nicht begründet werden. „Beweismittel oder
erfolgversprechende Ermittlungsansätze“, mit denen eine Beteiligung des
Beschuldigten etwa am Mord an drei Oppositionellen in Chile im Jahr 1976
nachgewiesen werden könnten, lägen auch nach erneuter Prüfung nicht vor.
## Deutschland ein „sicherer Hafen“?
„Die Ermittlungen sind nie mit der notwendigen Tiefe und Energie geführt
wurden, dass sie überhaupt eine Entscheidung ermöglichen, ob am Schluss
eine Anklage gerechtfertigt ist“, kritisiert Anwältin Schlagenhauf
hingegen. Mehrere Täter flüchteten sich inzwischen in den „sicheren Hafen
Deutschland“, [3][um der chilenischen Justiz zu entgehen].
Insgesamt habe die deutsche Justiz vor den Verbrechen der Colonia Dignidad
versagt und „nicht begriffen, in welcher Dimension diese stattgefunden
haben“. Für die Aufklärung hätte „sehr tief und sehr aufwändig und aus
eigener Initiative“ recherchiert und ermittelt werden müssen. „Diese
Bereitschaft habe ich nicht gesehen“, so Schlagenhauf.
Den Ermittlungsbehörden fehle es an dem nötigen Verständnis für die
Komplexität des Systems Colonia Dignidad, erklärte das European Center for
Constitutional and Human Rights (ECCHR) in einer Stellungnahme. Für eine
Gesamtbetrachtung müsse die ganze Struktur – und nicht nur der Einzelfall –
ermittelt werden.
Den Betroffenen bleibe nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde, der Versuch eine
Klage gegen Hopp zu erzwingen, später vielleicht auch der Gang zum
Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte, so das ECCHR.
## Justiz müsse sich der Aufklärung widmen, so Angehörige
Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika
(FDCL) hat für seine Doktorarbeit alle Ermittlungsverfahren der deutschen
Justiz gegen die Colonia Dignidad in den vergangenen 60 Jahren untersucht.
„Sie wurden alle mit der Begründung eingestellt, es habe kein dringender
Tatverdacht vorgelegen. In keinem Fall wurde Anklage erhoben“, erklärt
Stehle. Das Signal der Entscheidung: Deutschland sei ein „sicherer Hafen“
für Täter. Hier könnten sie straflos bleiben.
Dabei hatte der Bundestag 2017 beschlossen, die Bundesregierung solle die
Verbrechen der Colonia Dignidad aufklären und alles Mögliche auch zur
Unterstützung der juristischen Aufklärung tun. Die Angehörigen der
verschwundenen Gefangenen jedenfalls fordern seit Jahren, die deutsche
Justiz solle zur Aufklärung des [4][Schicksals ihrer Liebsten] beitragen.
12 Dec 2020
## LINKS
[1] /Zum-30-Jahrestag-des-Abtritts-Pinochets/!5670432
[2] /Proteste-gegen-deutschen-Arzt/!5070683
[3] /Verbrechen-unter-Pinochet-in-Chile/!5674013
[4] /Elke-Gryglewski-ueber-Shoah-Gedenken/!5705762
## AUTOREN
Ute Löhning
## TAGS
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