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# taz.de -- Vattenfall stößt Stromnetz ab: Berlin fischt sich das Netz
> Vattenfall will seine Tochter Stromnetz Berlin überraschend dem Land
> verkaufen – offenbar das Ergebnis langer Verhandlungen im Hintergrund.
Bild: Objekt der Begierde: die Stromnetz Berlin GmbH, zurzeit noch Teil des Vat…
Berlin taz | Die Nachricht am Freitagmorgen kam überraschend: Der
Vattenfall-Energiekonzern will dem Land sein [1][Tochterunternehmen
Stromnetz Berlin GmbH] verkaufen. Aus Stockholm hieß es, man habe dem Senat
sämtliche Anteile angeboten, inklusive der kompletten Infrastruktur, der IT
und dem Personal.
„Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Ausweg aus der
verfahrenen Situation finden müssen“, so CEO Magnus Hall. „Es ist nicht
gut, diese Unsicherheit weiterhin bei all unseren Geschäftsaktivitäten und
Investitionen mit uns rumzuschleppen.“
Was Hall damit meint: Konzern und Senat sind seit Jahren in einen
Rechtsstreit verstrickt. Hintergrund ist der politische Wille der
Landesregierung, den Netzbetrieb wieder unter ein kommunales Dach zu
bringen. Vor anderthalb Jahren hatte es auch schon so ausgesehen, als sei
es soweit – da machte [2][das landeseigene Unternehmen BerlinEnergie] das
Rennen um die 2014 ausgelaufene Netzkonzession. Dagegen klagte die
Stromnetz GmbH und bekam gleich zweimal Recht, zuletzt im September vor dem
Kammergericht. Es entschied, grob gesagt, die Vattenfall-Tochter sei unfair
bewertet worden.
Nun sieht der Befreiungsschlag ganz anders aus: Auf einer schnell
anberaumten Pressekonferenz nannte der Regierende Bürgermeister Michael
Müller (SPD) am Freitag das Angebot eine „einen wichtigen Schritt nach
vorn“. Mehrmals betonte er, man habe „nie den Gesprächsfaden abreißen
lassen“. Das zahle sich jetzt aus.
„Wir haben nun wirklich eine Chance, bei der Klima- und Energiewende
entscheidend voranzukommen“, so ein sichtlich zufriedener Müller, der
darauf hinwies, dass er noch als Stadtentwicklungssenator die
Rekommunalisierung auf den Weg gebracht habe. Es sei „wichtig, auf Netze
Einfluss zu nehmen und entscheiden zu können, wie Investitionen aussehen“,
gerade wenn man von Kohle und Atom weg müsse und optimale Voraussetzungen
für eine dezentrale Stromerzeugung schaffen wolle.
## „Geringes Konfliktpotenzial“
Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) erläuterte den offenbar hinter den
Kulissen ausgehandelten Plan, wie die Übernahme zum 1. Januar 2021 ablaufen
soll: Man habe sich auf ein Bewertungsverfahren verständigt, auf dessen
Grundlage ein unabhängiger Gutachter einen Preisvorschlag machen werde.
„Über den muss man sich dann einigen.“ Das Konfliktpotenzial sei aber
„ausgesprochen gering. Wir wollen das in den nächsten Wochen hinbekommen.“
Um welche Summe es am Ende geht, ließ Kollatz offen. Darauf angesprochen,
dass in der Vergangenheit schon einmal Kosten von 1 bis 3 Milliarden Euro
im Raum standen, erwiderte er vielsagend, das werde sich vermutlich
„irgendwo in der Mitte“ einpendeln – mit Betonung auf „Mitte“.
Als Käufer wird möglicherweise nicht unmittelbar das Land, sondern der
Landesbetrieb BerlinEnergie auftreten, der dann auch die gesamte
Belegschaft übernehmen würde. Finanziert werden soll der Deal laut Kollatz
nicht aus Haushaltsmitteln, sondern über die Aufnahme von Darlehen, für die
das Land teilweise bürgen würde. Noch nicht wirklich klar ist, was mit dem
Konzessionsverfahren geschieht – das sich im Grunde ja nun erübrigt hat.
Vattenfall dürfte im Übrigen nicht nur an einem Ende des juristischen
Hickhacks interessiert sein: Kollatz sagte, der Senat stelle sich auf eine
„langfristige Partnerschaft mit Vattenfall beim Wärmenetz“ ein. Hier zieht
man ohnehin schon an einem Strang, weil es darum geht, bis 2030 die
verbliebenen Steinkohlekraftwerke abzuschalten.
## Nicht zu viel bezahlen
Der energiepolitische Sprecher der Grünenfraktion, Stefan Taschner, sprach
in einer ersten Reaktion von einer „zunächst guten Nachricht“: Als
Netzbetreiber könne BerlinEnergie „zusammen mit den Stadtwerken die
Energiewende in Berlin noch stärker vorantreiben“. Wichtig sei aber, dass
Berlin keinen überhöhten Preis für die Stromnetz GmbH zahle. Dazu müsse man
sich am sogenannten Ertragswert orientieren, wie ihn das
Energiewirtschaftsgesetz definiere.
Auch die CDU warnte davor, das Mitte der 90er Jahre privatisierte Stromnetz
für Milliarden zurückzukaufen. „Der durch die Pandemie erhöhte Schuldenberg
würde dadurch erheblich wachsen“, so Christian Gräff,
wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Erst müsse durch eine
Wirtschaftlichkeitsprüfung sichergestellt sein, „dass sich ein Kauf für die
Berliner rechnet“. Vor allem müsse das Parlament an der Entscheidung
beteiligt werden. Genau das kündigten Kollatz und Müller auf der
Pressekonferenz allerdings schon an.
23 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.stromnetz.berlin/
[2] https://www.berlinenergie.de/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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