| # taz.de -- Utopie für Zölle: Die Vision eines Fair Trade | |
| > Es gibt eine Alternative zur Zollpolitik à la Trump oder Mercosur. | |
| > Zollfreiheit sollte nur noch gelten, wenn fair und grün produziert wurde. | |
| Bild: Klingt gut: die Utopie eines freien, fairen und nachhaltigen Welthandels | |
| Nach dem Zolldeal zwischen der Europäischen Union und Donald Trump ist es | |
| endgültig klar: Ob Zölle die Weltwirtschaft beschädigen, interessiert den | |
| US-Präsidenten nicht. Er nutzt sie als Machtinstrument gegen die ganze Welt | |
| – und dies erfolgreich. | |
| Tragisch ist dabei nicht nur, dass die Europäische Union Trump immer wieder | |
| entgegenkommt, sondern auch, dass sie als [1][Alternative zu Trumps | |
| Zolldiktaten] nichts anderes als das Konzept eines freien Welthandels ohne | |
| Zollschranken ins Feld führt. | |
| Dabei wird ignoriert, dass der sogenannte freie Welthandel der vergangenen | |
| Jahrzehnte viel mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und mit der | |
| globalen ökologischen Zerstörung zu tun hat. | |
| Viel zukunftsorientierter für die ganze Welt wäre eine Zollstrategie, die | |
| Anreize für einen fairen und nachhaltigen Welthandel bietet. Unmöglich, | |
| sagen viele. Doch angesichts der prekären Lage der Welt wird es Zeit, das | |
| scheinbar Unmögliche zu denken. | |
| ## Utopie des freien Welthandels | |
| Klar, die Utopie eines freien Welthandels klingt gut: Wenn weder Zölle noch | |
| Abgaben und Vorschriften den Handel zwischen Nationen behindern, dann, so | |
| die Theorie des britischen Ökonomen David Ricardo (1772–1823), können alle | |
| Beteiligten ihre „komparativen Kostenvorteile“ ausspielen: Sie | |
| spezialisieren sich dann auf jene Produkte, deren Herstellung sie am besten | |
| beherrschen. Dann verkaufen die Unternehmen mehr. | |
| Das Problem liegt jedoch darin, dass die wachsende Konkurrenz allenfalls | |
| zwischen ähnlich strukturierten Ländern wie Deutschland und Frankreich | |
| Vorteile für alle haben kann. | |
| Ganz anders wirkt der [2][Freihandel zwischen Volkswirtschaften] mit völlig | |
| ungleichen Wirtschafts-, Lebens- und Arbeitsbedingungen. Da die globale | |
| Konkurrenz die billigsten Produkte und mithin die billigsten Anbieter | |
| begünstigt, profitieren von Freihandelsabkommen vor allem Unternehmen, die | |
| die geringsten Löhne zahlen oder kaum Umwelt- und Klimaauflagen beachten | |
| (müssen). | |
| Deshalb entbrennt ein Wettbewerb um die Verlagerung von [3][Produktion in | |
| Länder mit niedrigen Arbeitskosten], schlechten Arbeitsbedingungen und | |
| geringen Umweltauflagen. Das 3-Euro T-Shirt ist hierzulande nur deshalb so | |
| billig, weil die Näherinnen in Bangladesch sehr wenig verdienen und 12 | |
| Stunden am Tag im Akkord nähen. | |
| ## Mercosur-Abkommen reproduziert Probleme | |
| Diese Probleme zeigen sich auch in Freihandelsabkommen, dem geplanten | |
| [4][Mercosur-Abkommen] zwischen der Europäischen Union und den | |
| lateinamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. | |
| Das Abkommen kann geostrategisch als Reaktion auf Trumps Zollpolitik | |
| richtig sein. Es wird aber dafür sorgen, dass die Europäische Union Autos | |
| und Maschinen leichter nach Lateinamerika verkaufen kann, während von dort | |
| mehr Soja und Rindfleisch nach Europa kommen wird. Ein Vorteil für die EU. | |
| Da für den Anbau von Soja Regenwälder und andere Naturregionen zerstört | |
| werden, geht dieses [5][Abkommen aber zulasten] von Umwelt und Klima. | |
| ## Zollfreier Fair-Trade | |
| Die wirkliche Alternative zu Trumps Handelskrieg liegt deshalb nicht im | |
| Freihandel, sondern in Zollvereinbarungen, die Gerechtigkeit und | |
| Nachhaltigkeit belohnen. | |
| Dann würden nur Waren zollfrei gehandelt, die diese Bedingungen erfüllen: | |
| Zum Beispiel nur Produkte, bei denen ein [6][Fairtrade oder ein | |
| Umweltsiegel] garantiert, dass sie unter gerechteren und ökologischen | |
| Bedingungen hergestellt wurden – und die deshalb heute viel teurer sind als | |
| konventionelle Waren. | |
| ## Fallbeispiel Baumwolle | |
| Welch grundlegende Veränderungen diese Zollpolitik auslösen könnte, zeigt | |
| das Beispiel von Baumwolle. Ihr konventioneller Anbau verschlingt Unmengen | |
| an Wasser, 8.000 Liter für jede Jeans – und dies in trockenen Ländern. | |
| Häufig werden auf den Plantagen Hungerlöhne gezahlt und die Pflückerinnen | |
| und Pflücker mit Pestiziden besprüht – mit schwerwiegenden gesundheitlichen | |
| wie ökologischen Folgen. Unter diesen Bedingungen begünstigt der | |
| [7][zollfreie Handel für Baumwolle] ein wichtiges, aber auch sehr | |
| schädliches Produkt. | |
| Was aber wäre, wenn nur Baumwolle mit Umwelt- und Fairtrade-Siegel zollfrei | |
| gehandelt würde, während die Zölle für die konventionelle Ware langsam | |
| erhöht würden? | |
| Dann würden sich die Konkurrenzverhältnisse grundlegend verändern: Jetzt | |
| wäre jene Baumwolle konkurrenzfähiger, für die viel weniger Wasser und | |
| keine Pestizide benötigt würden. | |
| Die Pflückerinnen und Pflücker könnten sich über höhere Löhne und bessere | |
| Arbeitsbedingungen freuen. Wird diese Art von Zollpolitik auf Kaffee, Tee, | |
| Rohstoffe oder Textilien übertragen, dann würde der [8][Welthandel Jahr für | |
| Jahr mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit] fördern statt Ausbeutung und | |
| Umweltzerstörung wie heute. | |
| ## Klimazoll als Hoffnungsschimmer | |
| Wie soll dies je in der Politik durchgesetzt werden? Nun, einfach wird es | |
| nicht. Und doch hat die Europäische Union im Rahmen des Green New Deal | |
| bereits ein Zollregime beschlossen, das in diese Richtung geht, nämlich | |
| einen Grenzausgleichsmechanismus, der [9][einem Klimazoll] gleichkommt. | |
| Ab 2026 sollen Güter, die im Ausland mit einem hohen Ausstoß an | |
| Kohlendioxid hergestellt wurden, an den [10][Grenzen zur EU mit einer | |
| C02-Abgabe belegt] und auf diese Weise verteuert werden. Dies soll ein | |
| Klimadumping durch Verlagerung von klimaintensiven Industriebereichen ins | |
| Ausland verhindern. | |
| Auf ähnliche Weise könnte die EU auch Sozialdumping begegnen, indem sie | |
| Zollfreiheit nur für die Einfuhrt fair gehandelter und nachhaltig | |
| produzierter Produkte gewährt. | |
| Zugegeben, bei den politischen Mehrheiten in der Europäischen Union | |
| erscheint dies derzeit unwahrscheinlich. | |
| Allerdings wäre eine alternative Zollpolitik eine Chance für die grüne und | |
| linke Opposition im Deutschen Bundestag und im Europaparlament, dem | |
| Zollkrieg von Donald Trump, aber auch den Freihandelsillusionen der | |
| Liberal-Konservativen eine echte Alternative entgegenstellen: Zölle, die | |
| den Weg zu einem gerechteren und nachhaltigeren Welthandel ebnen. | |
| 22 Aug 2025 | |
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| Wolfgang Kessler | |
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