| # taz.de -- Nach Europas Beziehung-Bruch mit den USA: Ab in den Süden | |
| > Schon länger reden die Europäer davon, ihre Beziehungen zum Globalen | |
| > Süden zu verbessern. Der Bruch mit den USA könnte dafür eine Chance sein. | |
| Bild: Die Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonf… | |
| Seit [1][der Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner | |
| Sicherheitskonferenz (MSC)] tut sich eine Kluft im transatlantischen | |
| Verhältnis auf. Was seither geschah – die wiederholten Drohungen von | |
| US-Präsident Donald Trump, der Ukraine die militärische Hilfe zu entziehen; | |
| die Geringschätzung Europas, [2][die aus geleakten Signal-Chats von | |
| Mitgliedern der Trump-Regierung] sprach; und die Zolldrohungen, bei denen | |
| Washington kaum zwischen europäischen Verbündeten und Rivalen unterschied | |
| –, lässt diese Kluft unüberwindbar erscheinen. Doch für Europas Beziehungen | |
| zu jenen Ländern, die manche als Globalen Süden, andere als globale | |
| Mehrheit bezeichnen, könnte dieser Bruch eine Chance sein. Er zwingt | |
| Europa, im Umgang mit diesen Staaten mehr geopolitische Empathie und | |
| Pragmatismus zu zeigen. | |
| Nach Vance’ Rede machten Vertreter insbesondere aus Afrika keinen Hehl aus | |
| ihrer Genugtuung: Wie wohltuend sei es, wenn jetzt europäische Regierungen | |
| Kritik an ihrer Regierungsführung einstecken müssten, die sie in der | |
| Vergangenheit gerne ausgeteilt hatten. Aus Sicht vieler im Globalen Süden | |
| ist die Augenhöhe, die europäische Staaten seit einiger Zeit mit Ländern in | |
| Afrika, Asien und Lateinamerika vorgeben zu suchen, mit der Rede des | |
| US-Vizepräsidenten abrupt erreicht. Nicht, weil die Europäer ihre | |
| Partnerschaften mit Ländern im Globalen Süden aufgewertet hätten. Sondern | |
| weil die Rede von Vance das Ende europäischer Vorzugsbehandlung durch die | |
| USA markiert – und damit Europas Abstieg innerhalb des Westens. | |
| Für Repräsentanten aus vielen Teilen der Welt ist Europa nun in der harten | |
| Realität angekommen, in der sie selbst schon lange leben. Einer Realität, | |
| in der Sonderbehandlung die Ausnahme ist und in der man sich besser auf | |
| sich selbst verlässt als auf andere. Genau diese Wahrnehmung brachte der | |
| indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar auf der | |
| Sicherheitskonferenz in München auf den Punkt. Er griff die Metapher des | |
| Dschungels auf, die westliche Beobachter regelmäßig bemühen, um vor einer | |
| anarchischen internationalen Ordnung zu warnen. Nur von einem sehr | |
| gemütlichen Ort aus, so argumentierte Jaishankar, erscheine die Zukunft wie | |
| ein Dschungel. Wer auch in der Vergangenheit eine raue Welt erlebt habe, | |
| sehe eher die Chancen als die Risiken aktueller Umbrüche. | |
| Im Globalen Süden hofft man deshalb, dass die Europäer in Zukunft mehr | |
| Empathie für die geopolitische Situation anderer Länder zeigen. Ein Europa, | |
| das seinen atomar bewaffneten Nachbarn im Osten zukünftig alleine in Schach | |
| halten muss, dürfte Indiens Sorge vor den Nuklearmächten in seiner | |
| Nachbarschaft besser nachvollziehen können. Und die schwierigen | |
| Balanceakte, die Europas Umgang mit seinem einst engsten Verbündeten seit | |
| Januar erfordert, könnten das Verständnis für die außenpolitischen Zwänge | |
| von Regierungen etwa Brasiliens oder Südafrikas gegenüber Russland stärken. | |
| ## Die EU verlässlicher als die USA? Auch nicht immer! | |
| Zugleich hegt man die Hoffnung, dass ein realpolitisch geerdetes Europa | |
| künftig aktiver und pragmatischer auf Regierungen in anderen Teilen der | |
| Welt zugeht. Einige erwarten, dass Brüssel seine geopolitischen Interessen | |
| eigenständiger und unabhängiger von Washington definiert – und daraus neue | |
| Kooperationen entstehen. Europas „strategisches Erwachen“, so formulierte | |
| es Jaishankar, könnte zum Motor einer engen Partnerschaft mit Indien werden | |
| – vor allem in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung und | |
| Technologiekooperation. Die Türkei wiederum setzt darauf, dass die Europäer | |
| in ihrem Versuch, sich gegen Russland zu wappnen, die | |
| Sicherheitszusammenarbeit mit Ankara ausbauen. | |
| Gerade die Interessen kleinerer und mittelgroßer Staaten dürften sich in | |
| Zukunft stärker mit denen Brüssels als mit denen Washingtons decken. Wie | |
| Europa setzen sie auf freien Welthandel, völkerrechtliche Normen gegen | |
| territoriale Expansion und multilaterale Zusammenarbeit, um globale Krisen | |
| wie den Klimawandel zu bewältigen. Genau wie Europa wollen sie nicht, dass | |
| Kooperation zum wechselseitigen Vorteil von Nullsummendenken und einer | |
| Politik verdrängt wird, die „Lose-lose“-Dynamiken befördert und in der nur | |
| die Stärksten reüssieren. Einer Politik, wie sie Washington aktuell | |
| betreibt. | |
| Auf der MSC warb die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas denn auch für Europa | |
| als verlässlicheren Partner des Globalen Südens. Auch wenn sie dies nicht | |
| direkt sagte, war klar, was gemeint war: verlässlicher als die USA. Viele | |
| der Angesprochenen mögen diese Selbsteinschätzung Europas als unangemessen | |
| empfunden haben. Für sie zeichnen der abrupte Abzug der Europäer aus | |
| Afghanistan, das europäische Horten von Impfstoffen während der | |
| Coronavirus-Pandemie oder die oft als langwierig, mitunter als aussichtslos | |
| empfundenen Versuche, mit der EU Handelsabkommen zu schließen, nicht das | |
| Bild eines verlässlichen Partners. | |
| Um sich wirklich von den USA abzuheben, die unter Trump nur ihre eigenen | |
| Interessen im Blick haben, muss Europa die „Partnerschaften zum | |
| wechselseitigen Vorteil“, die es gerne rhetorisch bemüht, mit | |
| attraktiveren, pragmatischeren Angeboten unterfüttern. Das verlangt | |
| zuvörderst, die eigenen Vorstellungen von dem, was für andere von Vorteil | |
| ist, in Zukunft stärker zurückzustellen – selbst wenn dies die Verbreitung | |
| von Umweltstandards oder liberal-demokratischen Werten erheblich erschwert. | |
| Das neue Tempo, mit dem die EU nun [3][Freihandelsabkommen mit den | |
| Mercosur-Staaten], Indien und anderen Ländern anstrebt, lässt hoffen, dass | |
| Europa die Zeichen der Zeit verstanden hat. | |
| Spätestens seit Beginn der russischen Vollinvasion in die Ukraine | |
| diskutieren die Europäer die Notwendigkeit, ihre Beziehungen zu Ländern des | |
| Globalen Südens zu verbessern. Und doch könnte es erst der Bruch mit dem | |
| engsten Partner sein, der dahingehend wirklich etwas bewegt. | |
| 29 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sophie Eisentraut | |
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