# taz.de -- Urteil im Fall Künast: Facebook muss mehr löschen | |
> Einem Gerichtsurteil zufolge muss Facebook rechtswidrige Inhalte aktiv | |
> suchen und löschen. Klägerin Renate Künast spricht von einem | |
> Grundsatzurteil. | |
Bild: Renate Künast hatte vor einem Jahr ihre Klage eingereicht | |
BERLIN taz | Facebook muss künftig rechtswidrige Inhalte konsequent und | |
deutlich umfassender als bisher löschen. Das hat das Landgericht Frankfurt | |
am Main am Freitag geurteilt. Geklagt hatte die Grünen-Politikerin Renate | |
Künast. Das Urteil leitet aus Sicht der Organisation Hate-Aid, die Künast | |
bei der Klage unterstützte, einen Paradigmenwechsel ein: Betroffene könnten | |
sich von nun an „endlich effektiv gegen digitale Verleumdungen wehren“. | |
Gegenstand der Klage ist ein Meme mit einem Falschzitat, das Künast | |
zugeschrieben wird. Nach Angaben von Hate-Aid wird das Meme seit sieben | |
Jahren immer wieder auf Facebook veröffentlicht. Zuletzt hatte Facebook es | |
selbst mit einem Faktencheck gekennzeichnet und darauf hingewiesen, dass es | |
sich um Fakenews handelt. Künast hatte ihre [1][Klage vor etwa einem Jahr | |
eingereicht.] | |
Nun muss Facebook das Meme, wenn es gepostet wird, sowie identische | |
Behauptungen und leicht abgewandelte, aber im Kern gleichlautende Postings | |
löschen, schreibt [2][die Organisation Hate-Aid] in einer Mitteilung. Das | |
gelte nicht nur, wenn Nutzer:innen entsprechende Beiträge melden. | |
Facebook und sein Mutterkonzern Meta müssten jene Postings aktiv suchen und | |
entfernen. Bei Zuwiderhandlung droht dem Konzern ein Ordnungsgeld von bis | |
zu 250.000 Euro. In seinem Urteil betonte das Landgericht Frankfurt am | |
Main, dass Falschzitate den Meinungskampf verzerren und der Allgemeinheit | |
schaden. | |
„Das Urteil ist eine Sensation. Das Gericht hat klargestellt, dass soziale | |
Medien Verantwortung für den [3][Schutz der Nutzenden] tragen“, sagte | |
Josephine Ballon, Justiziarin von Hate-Aid. | |
Besonders betroffen von Hasskommentaren im Netz sind nach Angaben von | |
Hate-Aid Journalist*innen, Aktivist*innen und | |
Kommunalpolitiker*innen. Häufig trifft der [4][Hass im Netz Frauen]. Seit | |
ein paar Jahren wehren sich vermehrt Personen, die in der Öffentlichkeit | |
stehen, gegen Hassnachrichten und gehen erfolgreich gegen Privatpersonen | |
vor. So etwa die [5][Klimaaktivistin Luisa Neubauer.] | |
Künast selbst sagte, Falschzitate und Hate-Speech würden im Netz auch vom | |
organisierten Rechtsextremismus „orchestriert eingesetzt, um Politik und | |
Medien herabzuwürdigen“. Das Urteil sei „ein Meilenstein für unsere | |
Demokratie, den Kampf gegen Rechtsextremismus und für alle Nutzer*innen | |
im Netz“. Es sei eine Grundsatzentscheidung, die „Wirkungen über | |
Deutschland hinaus haben“ werde. | |
Künast geht bereits seit mehreren Jahren gegen veraschiedene | |
Falschbehauptungen und Hassnachrichten, die sie in dem Zusammenhang | |
erreicht haben, gerichtlich vor. Um die Urheber auf Schadenersatz und | |
Unterlassung zu verklagen, brauchte sie von Facebook die Nutzerdaten und | |
vom Landgericht Berlin eine Anordnung, dass Facebook ihr diese Daten geben | |
darf. | |
Im September 2019 verweigerte das Landgericht Berlin diese Anordnung. In | |
allen 22 Fällen der Kommentare, die Künast aufgelistet hatte und sich auf | |
ein Meme mit einer anderen Falschaussage bezogen – sie soll [6][in den | |
1980er Jahren] Sex mit Kindern verteidigt haben – handele es sich um keine | |
Beleidigungen, weil ein Sachbezug zur Diskussion über pädophilen | |
Kindesmissbrauch gegeben sei. Die Kommentare nannten sie unter anderem ein | |
„Stück Scheisse“, „krank im Kopf“ und ein „altes grünes Drecksschwe… | |
Beschluss des Landgerichts sorgte für große Empörung, insbesondere die | |
Tatsache, dass man eine Politikerin ungestraft als „Drecks-Fotze“ | |
bezeichnen darf. | |
Auf Künasts Beschwerde hin korrigierte das Berliner Landgericht seine | |
Position im Januar 2020 ein wenig und stufte nun sechs der 22 Äußerungen | |
als strafbare Beleidigung ein. In der nächsten Instanz stufte das Berliner | |
Kammergericht im März 2020 weitere sechs Äußerungen als Beleidigung ein. | |
Gegen die Entscheidungen von Landgericht und Kammergericht erhob Künast | |
schließlich Verfassungsbeschwerde. Im Februar dieses Jahres erklärte das | |
Bundesverfassungsgericht ihre Beschwerde für „offensichtlich begründet“. | |
8 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Gruene-klagt-gegen-Facebook/!5768826 | |
[2] /Hasskriminalitaet-in-Berlin/!5834473 | |
[3] /Bundestagspraesidentin-zu-Hass-im-Netz/!5832563 | |
[4] https://blogs.taz.de/tazlab/2021/04/25/die-grenzen-der-meinungsfreiheit/ | |
[5] /Fridays-for-Future-Aktivistin-wehrt-sich/!5707005 | |
[6] /Renate-Kuenast-und-Internet-Beleidigungen/!5829723 | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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