# taz.de -- Ungleiche Schwestern in Thrillerkomödie: Großer Spaß mit Männer… | |
> Die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite veröffentlicht mit „Meine | |
> Schwester, die Serienmörderin“ ihren ersten Roman. | |
Bild: Die nigerianische Autorin Oyinkan Braithwaite hat eine rasante Thrillerko… | |
Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Korede, die großgewachsene, nicht | |
sehr hübsche, dabei aber kluge und überaus zuverlässige große Schwester. | |
Und die zierliche, zweitgeborene Ayoola, die ganz und gar aus weiblichen | |
Reizen zu bestehen scheint und Männer anzieht wie das Licht die Motten. | |
Fast ebenso todbringend wirkt sie auch. | |
Zu Beginn des Romans ist gerade der dritte ehemalige Liebhaber Ayoolas | |
durch ihr Einwirken ums Leben gekommen; und Ich-Erzählerin Korede als | |
loyale Beschützerin hilft ihr wie immer, die Leiche zu beseitigen. | |
Anschließend googelt sie im Internet und erfährt, dass man ab drei Morden | |
als Serienkiller gelte. Die geliebte kleine Schwester, eine Serienmörderin! | |
Was soll Korede nur tun? | |
Die nigerianische Autorin [1][Oyinkan Braithwaite], Jahrgang 1988 und zu | |
einem großen Teil britisch sozialisiert, veröffentlicht mit dieser rasanten | |
schwarzen Thrillerkömodie ihren ersten Roman. Dem Guardian hat sie | |
gestanden, dass es eine Diskrepanz gebe zwischen ihrem hier doch recht | |
blutigen schriftstellerischen Handwerk und ihrem Glauben. Braithwaite ist | |
Christin und aktive Kirchgängerin; im Nachwort zum Roman dankt sie an | |
erster Stelle Gott. | |
Ihrer Großmutter habe sie nicht einmal den vollen Titel nennen wollen, | |
erzählt sie, und ihr Vater habe gefragt, warum sie eine Geschichte ohne | |
jede Hoffnung habe schreiben müssen. Die Autorin nimmt diese Vorbehalte | |
zwar ernst, hat für sich aber einen vorläufigen Frieden mit ihrer | |
ambivalenten Inspiration geschlossen: „Leute haben mir gesagt, dass sie | |
beim Lesen lachen mussten. Mir gefällt es, dass ich auf diese Weise etwas | |
Freude in die Welt gebracht habe.“ | |
## Dieser kleine Roman ist ein großer Spaß | |
Tatsache ist, dass beide Sichtweisen auf ihre Art zutreffen: Dieser kleine | |
Roman ist ein großer Spaß. Aber nur, weil er sich offensiv weigert, das | |
zugrundeliegende Trauma ernst zu nehmen, das ganz allmählich zutage tritt: | |
Für beide Schwestern scheint es unmöglich zu sein, mit einem Mann echtes | |
persönliches Glück zu erleben. Korede, die als Krankenschwester arbeitet, | |
ist ein wenig verliebt in einen netten Arzt in ihrer Klinik, muss aber | |
erleben, dass dessen freundschaftliche Gefühle für sie keine Rolle mehr | |
spielen, sobald er eines Tages zufällig Ayoola erblickt. | |
Hin und her gerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen und Impulsen, kann | |
die große Schwester nichts anderes tun, als dem Schicksal seinen Lauf zu | |
lassen. In ihrem sehr speziellen Dilemma gefangen, darf Korede sich keinem | |
lebenden Menschen anvertrauen. In der Not beginnt sie, all ihre Probleme | |
einem Komapatienten zu erzählen, dessen Familie schon darüber nachdenkt, | |
die lebenserhaltenden Apparaturen abzustellen. Eines Tages aber geschieht | |
ein Wunder: Der Mann wacht auf – und kann sich sogar an alles erinnern! | |
Dann geschieht vielleicht wieder nicht ganz das, was man erwartet hat. | |
Parallel versteht man aber immer mehr, warum es passiert. Bruchstückweise | |
legen Koredes Erzählungen eine verhängnisvolle Vergangenheit frei. | |
## Knallharte Abrechnung mit der Männlichkeit | |
Dabei wird auch offenbar, dass es nicht ganz stimmt, wenn Oyinkan | |
Braithwaite sagt, sie nehme nicht für sich in Anspruch, über die | |
nigerianische Wirklichkeit zu schreiben, dafür sei das Land viel zu komplex | |
und ihre eigene Erfahrung zu begrenzt. Auf jeden Fall hat sie unter dem | |
Deckmantel dieser meisterhaft lapidar komponierten Komödie eine knallharte | |
Abrechnung mit einer toxischen afrikanischen Variante von [2][Männlichkeit] | |
versteckt. | |
23 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/books/2019/jan/15/oyinkan-braithwaite-thriller-… | |
[2] /Interview-mit-Maennerkitsch-Podcastern/!5646287 | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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