| # taz.de -- Polizeigewalt in Nigeria: Wenn die Polizei foltert und mordet | |
| > Einer nigerianischen Sondereinheit werden schwere | |
| > Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Amnesty International hat 80 | |
| > Fälle aufgezeichnet. | |
| Bild: Auch in Abuja, Nigeria protestierten Menschen nach dem Tod von George Flo… | |
| Cotonou taz | In Nigeria hat man mit der Polizei nur äußerst ungern zu tun. | |
| Bei Straßenkontrollen ist nicht sicher, welche Anschuldigungen die | |
| Beamt*innen erheben. Solche Sätze fallen aber fast immer: „Verschöner mir | |
| den Abend“, oder „Hast du etwas für die Jungs?“ – so wird offen Geld | |
| eingefordert. Gerade auf Überlandstraßen stecken ihnen viele Auto- und | |
| Lkw-Fahrer*innen bereits vorsorglich einige Naira zu, um Ärger und | |
| nervenaufreibendes Warten zu vermeiden. | |
| In einem [1][am Freitag veröffentlichten Bericht] wirft die | |
| Menschenrechtsorganisation Amnesty International der nigerianischen Polizei | |
| nun auch Folter, Erpressung und Mord vor. Im Fokus steht die | |
| Polizeisondereinheit für Raubüberfall (SARS), gegen deren brutale Methoden | |
| seit Ende 2017 auch online immer wieder unter dem Hashtag [2][#EndSARS] | |
| protestiert wird. Amnesty hat von Januar 2017 bis Mai 2020 mehr als 80 | |
| Fälle aufgezeichnet, bei denen die Beamt*innen Menschenrechte verletzt | |
| haben. | |
| Eines der Opfer ist laut Bericht der 34-jährige Journalist Kofi Bartels aus | |
| Port Harcourt im Süden Nigerias. „Erst waren es zwei, dann drei | |
| Polizist*innen, die mich 45 Minuten lang schlugen“, berichtete er der | |
| Organisation. „Irgendwann konnte ich nichts mehr hören. Dann nahmen sie mir | |
| die Schuhe weg. Sie verboten mir, mich auf einen Stuhl zu setzen. Später | |
| drohten sie mir an, dass ein Gefangener mich vergewaltigen würde.“ | |
| Verhaftet wurde der Journalist, als er filmte, wie drei SARS-Beamt*innen | |
| einen jungen Mann schlugen. | |
| Ein 23-jähriger Geschäftsmann aus dem Bundesstaat Anambra gibt zu | |
| Protokoll, dass die Polizei ihn ohne Haftbefehl verhaftete, sechs Tage lang | |
| festhielt und ihm vorwarf, Geld an eine kriminelle Bande zu zahlen, die ihn | |
| erpresste. „Sie sagten, ich würde bald hingerichtet werden.“ Sie erpressten | |
| mehr als 13.700 Euro von ihm und verboten ihm, über den Vorfall zu | |
| sprechen. Als Opfer werden ansonsten oft junge Männer ausgewählt, die weder | |
| Zugang noch Geld für einen Rechtsanwalt haben. | |
| ## Zahnloses Anti-Foltergesetz | |
| Dabei gilt in Nigeria seit 2017 ein Anti-Foltergesetz. Doch zu Rechenschaft | |
| gezogen werden Beamt*innen nicht. „Die Nigerianer*innen sind empört über | |
| die [3][systematischen Menschenrechtsverletzungen], die von der SARS | |
| ungestraft begangen werden“, sagt Osai Ojigho, Amnesty-Landesdirektorin in | |
| Nigeria. | |
| In Deutschland fordert Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrika-Expertin der | |
| Organisation, dass die Bundesregierung, die Nigeria in der Ausbildung von | |
| Sicherheitskräften unterstützt, auf ein absolutes Folterverbot bestehen | |
| müsse. Sie „muss außerdem sicherstellen, dass Ausbildung und Ausrüstung aus | |
| Deutschland für nigerianische Sicherheitskräfte nicht für | |
| Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.“ | |
| Die nigerianische Polizei hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. | |
| Die Anschuldigungen früherer Berichte von Menschenrechtsorganisationen | |
| hatten Behörden und Politiker*innen immer wieder als falsch bezeichnet. | |
| 2018 hatte das Militär gefordert, alle Aktivitäten von Amnesty | |
| International im Land zu verbieten. | |
| 26 Jun 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://pressecloud.amnesty.de/s/cpCHiXc32YynzHf#pdfviewer | |
| [2] https://twitter.com/hashtag/EndSars?src=hashtag_click | |
| [3] /Proteste-in-Nigeria/!5690066 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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