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# taz.de -- Krimi „Long Bright River“ von Liz Moore: Ungleiche Schwestern
> Armut, Drogen und Kleinkriminalität bestimmen das Leben in einem Vierte
> von Philadelphia. Trotzdem macht Liz Moores Roman Lust auf die Stadt.
Bild: Lebt in Philadelphia und schreibt auch darüber: Autorin Liz Moore
Der Stadtteil Kensington in der altehrwürdigen Stadt Philadelphia ist
(noch) keine sehr gediegene Neighbourhood. Erste Spuren von Gentrifizierung
haben noch nichts daran ändern können, dass Armut, Drogen und
Kleinkriminalität das Leben der Menschen bestimmen. Die Schwestern Mickey
und Kacey sind hier aufgewachsen. Als Kinder waren sie unzertrennlich;
inzwischen sind beide um die dreißig, und ihre Erwachsenenleben könnten
kaum unterschiedlicher sein.
Während die ernsthafte, zurückhaltende Mickey Polizistin geworden ist, hat
die temperamentvolle, zwei Jahre jüngere Kacey den Weg in eine bürgerliche
Existenz nicht geschafft. Früh drogenabhängig geworden, schlägt sie sich
als Straßenprostituierte durchs Leben.
Als die Handlung einsetzt, haben beide Schwestern schon jahrelang nicht
mehr miteinander gesprochen. Im Viertel werden nacheinander mehrere junge
Frauen ermordet, und Mickey beginnt sich große Sorgen um ihre Schwester zu
machen, denn Kacey ist schon seit Wochen von niemandem gesehen worden. Was
ist mit ihr passiert?
Im männerdominierten Polizeiklüngel ihres Viertels hat Mickey keine
Verbündeten, seit ihr alter Partner krankgeschrieben ist. Da sie niemandem
vertraut, beginnt sie sich allein auf die Suche zu machen. Dafür muss sie
nicht nur ihren vierjährigen Sohn von anderen Personen betreuen lassen,
sondern häufig auch ihre Dienstpflichten vernachlässigen, was beides
allerlei Probleme mit sich bringt.
## Krimihandlung ist vielschichtig
Die selbst in Philadelphia lebende Autorin Liz Moore zeichnet in diesem,
ihrem vierten Roman ein hochatmosphärisches Bild eines sozial prekären
Stadtteils und entwickelt eine vielschichtige Kriminalhandlung, die nicht
auf standardisierten Suspense-Elementen beruht, sondern sich zu großen
Teilen aus der Persönlichkeit ihrer Ich-Erzählerin Mickey und deren
schwieriger Familiengeschichte speist.
Mickey ist zwar keine klassische unzuverlässige Erzählerin, sondern eine
hochreflektierte, hochintelligente Person. Aber es wird (auch ihr selbst)
im Laufe des Romans zunehmend klarer, dass das komplexe emotionale
Geflecht, das sie mit ihrer Schwester, ihrem Sohn, der Großmutter, die sie
mehr schlecht als recht aufgezogen hat, und ihrer weitverzweigten,
teilweise kriminell angehauchten Verwandtschaft verbindet, ziemlich
schweres Gepäck darstellt und sie in ihren Entscheidungen und
Einschätzungen mehr beeinflusst, als sie denkt.
Geschickt lässt die Autorin beide Handlungsebenen, Mickeys Suche nach ihrer
Schwester und die Suche der Kollegen von der Kriminalpolizei nach dem
Serienmörder, parallel laufen, sich berühren, sich verschränken.
## Mutter tot, Vater weg
Ob das eine mit dem anderen zu tun hat, bleibt lange offen. Durch den
gesamten Roman zieht sich Mickeys große Verunsicherung in Bezug auf andere
Menschen, vor allem Männer. Ihr eigener Vater hatte die Mädchen nach dem
frühen Drogentod der Mutter verlassen. Als Erwachsene fühlt Mickey sich
einerseits zu deutlich älteren Männern hingezogen. Auf der anderen Seite
ist sie offenbar gleichzeitig bereit, jedem jederzeit das Schlimmste
zuzutrauen.
Der einzige etwas billige, Dan-Brown-mäßige Kunstgriff der Autorin ist es,
den Showdown des Romans ohne ersichtlichen Grund in die Kathedrale von
Philadelphia zu verlegen. Das ist in jeder Hinsicht völlig unnötig. Denn
Liz Moore versteht es, ihre Heimatstadt so lebendig und interessant in die
Handlung zu integrieren, dass ihr Roman ohnehin große Lust macht, sich
dieses Philadelphia irgendwann einmal in echt anzusehen.
4 Jun 2020
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Kriminalroman
US-Literatur
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deutsche Literatur
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